Sie waren soeben von der Staatsuniversität Georgias ausgewiesen worden, der vierten Universität, die sie im Laufe zweier Jahre hinausgeworfen hatte, und ihre beiden älteren Brüder Tom und Boyd waren mit ihnen heimgekommen, weil sie in einer Anstalt, wo die Zwillinge nicht gern gesehen wurden, nicht bleiben wollten. Stuart und Brent betrachteten ihre letzte Relegation als einen Hauptspaß, und Scarlett, die freiwillig kein Buch geöffnet, seitdem sie im Jahre vorher die Töchterschule in Fayetteville verlassen hatte, fand es gerade so lustig wie sie.

»Euch beiden macht es doch nichts aus, daß ihr hinausgeworfen seid, und Tom auch nicht«, sagte sie, »aber wie steht es mit Boyd? Er ist doch wohl auf Bildung versessen, und ihr beide habt ihn nun von den vier Universitäten der Staaten Virginia, Alabama, Südcarolina und Georgia vertrieben. In diesem Tempo wird er niemals fertig.«

»Oh, er kann ja drüben in Fayetteville in Richter Parmalees Büro weiterstudieren«, antwortete Brent obenhin. »Übrigens, was liegt daran, wir hätten ohnehin vor Semesterschluß nach Hause gemußt.«

»Warum denn?«

»Wegen des Krieges, Gänschen. Er kann jeden Tag losgehen, und glaube doch nicht, daß irgend jemand von uns weiterstudiert, wenn es Krieg gibt.«

»Du weißt ganz genau, daß es keinen Krieg gibt!« Scarlett langweilte sich. »Das ist alles nur Gerede. Ashley Wilkes und sein Vater haben Pa doch gerade vorige Woche erzählt, daß unsere Unterhändler in Washington wegen der Konföderierten Staaten mit Mr. Lincoln zu einem ... einem Freundschaftsvergleich kommen würden, und überhaupt haben die Yankees viel zu große Angst, mit uns zu kämpfen. Es gibt keinen Krieg, und ich habe es satt, davon zu hören.«

»Keinen Krieg?« Die Zwillinge waren entrüstet, als sollte ihnen etwas, was ihnen zustand, unterschlagen werden.

»Aber Kind, natürlich gibt es Krieg«, sagte Stuart, »die Yankees mögen noch so bange vor uns sein, aber nachdem General Beauregard sie vorgestern aus Fort Sumter hinausgetrommelt hat, müssen sie einfach kämpfen, wenn sie nicht vor aller Welt als Feiglinge dastehen wollen. Siehst du, die Konförderierten Staaten ... « Scarlett langweilte sich sehr und verzog vor Ungeduld den Mund. »Wenn ihr noch einmal >Krieg< sagt, gehe ich ins Haus und mache die Tür zu. Nie im Leben habe ich ein Wort so satt gehabt. Pa redet morgens, mittags und abends davon, und alle die Herren, die ihn besuchen, schwatzen von Fort Sumter und dem Recht der Staaten und Abe Lincoln, daß es zum Auswachsen ist, und auch die Jungens reden nur davon und von ihrer dummen Truppe. Ich habe mich auf keiner Gesellschaft mehr amüsiert, weil die Jungens von nichts anderem mehr reden können. Ich bin nur froh, daß Georgia mit seiner Lostrennung bis nach Weihnachten gewartet hat, sonst wäre mir die Weihnachtsgesellschaft auch noch verleidet worden. Wenn ihr wieder >Krieg< sagt, gehe ich hinein.«

Es war ihr voller Ernst. Sie konnte keine Unterhaltung lange ertragen, in der sie nicht der Hauptgegenstand war. Aber doch lächelte sie zu ihren Worten und wußte es dabei wohl einzurichten, daß ihre Grübchen noch tiefer wurden und ihre schwarzen Strahlenwimpern flink wie Schmetterlingsflügel aufund nieder klappten. Die Jungens waren entzückt und baten eilends um Entschuldigung, daß sie sie gelangweilt hatten. Angesichts solcher Teilnahmslosigkeit schätzten sie Scarlett keineswegs geringer, sondern eher noch höher. Der Krieg war Sache des Mannes, nicht der Frau, und Scarletts Verhalten war ihnen ein Beweis für ihre weibliche Natur.

So hatte sie sie glücklich von dem langweiligen Thema wegmanövriert und kam nun voller Eifer auf die unmittelbare Gegenwart zurück: »Was hat eure Mutter dazu gesagt, daß ihr wieder geflogen seid?« Den beiden war diese Frage sichtlich unbehaglich. Ihnen fiel wieder ein, wie ihre Mutter sich vor einem Vierteljahr verhalten hatte, als sie von der Universität Virginia weggemußt hatten.

»Nun«, sagte Stuart, »sie hatte noch gar keine Gelegenheit, etwas zu sagen. Tom ist heute morgen ganz früh, ehe sie aufstand, mit uns weggegangen und sitzt nun bei Fontaines herum, während wir hier sind.«

»Hat sie nichts gesagt, als ihr gestern nach Hause kamt?«

»Gestern abend hatten wir Glück. Gerade ehe wir einliefen, war der neue Hengst angekommen, den Ma vor vier Wochen in Kentucky gekauft hatte, und zu Hause stand alles auf dem Kopf. Das Riesenvieh - ein fabelhaftes Pferd, Scarlett, dein Vater muß herüberkommen und es sich ansehen - hatte auf dem Weg hierher schon dem Stallknecht ein großes Stück Fleisch weggebissen, und zwei von den Schwarzen, die es in Jonesboro von der Bahn holten, hatte es geschlagen. Und gerade, ehe wir ankamen, hatte der Hengst ungefähr seine ganze Box zerkeilt und dann noch Strawberry, Ma's alten Hengst, schwer verletzt. Als wir kamen, war Ma mit einer Tüte voll Zucker draußen im Stall, um ihn zu beruhigen, und das versteht sie, kann ich dir sagen. Die Schwarzen baumelten von den Dachsparren herunter, und die Augen quollen ihnen vor lauter Angst aus dem Kopf, aber Ma redete dem Pferde zu, als wäre es ein Mensch, und es fraß ihr aus der Hand.