Vorschule der Ästhetik

Jean Paul: Vorschule der Ästhetik

 

 

Jean Paul

Vorschule der Ästhetik

 

 

 

Zeno.org

 

Impressum

Vorschule der Ästhetik

nebst einigen Vorlesungen in Leipzig
über die Parteien der Zeit

Erste Abteilung

Inhalt der ersten Abteilung

Vorrede zur zweiten Auflage

 

Vorrede zur ersten Ausgabe

 

I. Programm. Über die Poesie überhaupt

 

§ 1 Ihre Definitionen – § 2 Poetische Nihilisten – Versäumung der Naturschule – § 3 Poetische Materialisten, Beispiele unpoetischer Nachäffung der Natur – Nachahmung derselben ist etwas Höheres als deren Wiederholung – § 4 Nähere Bestimmungen der schönen Nachahmung der Natur – Definitionen der Schönheit, von Kant, Delbrück, Hemsterhuis – § 5 Anwendung der beiden Irr-Enden und der Wahrheit am dreifachen Gebrauche des Wunderbaren gezeigt.

 

II. Programm. Stufenfolge poetischer Kräfte

 

§ 6 Einbildungkraft – § 7 Bildungkraft oder Phantasie – § 8 Grade der Phantasie; erster: allgemeine Empfänglichkeit – § 9 zweiter: das Talent; dessen Unterschied vom Genie – § 10 dritter: das passive oder weibliche Genie – Grenzgenies.

 

III. Programm. Über das Genie

 

§ 11 Vielkräftigkeit desselben – § 12 Besonnenheit, Unterschied der genialen von der unsittlichen – § 13 Instinkt des Menschen bezieht sich auf eine Welt über den Welten – § 14 Instinkt des Genies – gibt den innern Stoff, der ohne Form poetisch ist – neue Weltanschauung Merkzeichen des Genies – § 15 Das geniale Ideal – inwiefern die Anschauung des Ganzen allzeit poetisch und ideal werde.

 

IV. Programm. Über die griechische oder plastische Dichtkunst

 

§ 16 Gemälde des ästhetischen Griechenlands – § 17 daraus Ableitung der vier Hauptfarben seiner Poesie; erste oder Objektivität – § 18 zweite oder Schönheit oder Ideal, Einerleiheit des Allgemeinen, Reinmenschlichen und Edeln – § 19 dritte oder heitere Ruhe – § 20 vierte oder sittliche Grazie.

 

[11] V. Programm. Über die romantische Dichtkunst

 

§ 21 Das Verhältnis der Griechen und der Neuern; Ursachen der griechischen Überschätzung – § 22 Wesen der romantischen Dichtkunst-Verschiedenheiten der südlichen und der nordischen – § 23 Quelle der romantischen Poesie – § 24 Dichtkunst des Aberglaubens – § 25 Beispiele der Romantik.

 

VI. Programm. Über das Lächerliche

 

§ 26 Definitionen des Lächerlichen – Widerlegung der kantischen und einiger neuern – § 27 Theorie des Erhabenen als dessen Widerspiels – das Erhabene ist das angewandte Unendliche – fünffache Einteilung desselben – § 28 Untersuchung des Lächerlichen; es ist der sinnlich angeschauete Unverstand; drei Bestandteile desselben: der objektive, subjektive und der sinnliche Kontrast – § 29 Unterschied der Satire und des Komus – § 30 Quelle des Vergnügens am Lächerlichen.

 

VII. Programm. Über die humoristische Dichtkunst

 

§ 31 Begriff des Humors, als eines auf das Unendliche angewandten Endlichen – dessen vier Bestandteile – § 32 erster: Totalität – § 33 zweiter: die vernichtende oder unendliche Idee des Humors – § 34 dritter: Subjektivität – der komische Gebrauch des Ich – wie die Deutschen ihr Ich behandeln und setzen – § 3 5 vierter: Sinnlichkeit – im komischen Individualisieren durch Teile der Teile – durch Eigennamen – durch Umschreibung des Subjekts und Prädikats.

 

VIII. Programm. Über den epischen, dramatischen und lyrischen Humor

 

§ 36 Verwechslung aller Gattungen – Beispiele falschen Tadels und falschen Lobes – § 37 Ironie, als der epische Humor oder das Übergewicht des objektiven Kontrastes – § 38 Der ironische Stoff – Persiflage als Mittelding – § 39 Das Komische des Dramas – Unterschied des episch-komischen und episch-dramatischen Talentes – Übergewicht des objektiven und des subjektiven Kontrastes zugleich – § 40 Der Hanswurst als komischer Chor – § 41 Das lyrische Komische oder die Laune und die Burleske, Übergewicht des subjektiven Kontrastes – Notwendigkeit des Metrums bei der Burleske, sowie der Marionetten – komische Wichtigkeit ausländischer Wörter und der gemein-allgemeinen.[12]

 

Vorrede zur zweiten Auflage

Um die strenge Form und die Gleichförmigkeit des Ganzen auch in der Vorrede zu behaupten, will ich sie in Paragraphen schreiben.

 

§ 1

Wer keine Achtung für das Publikum zu haben vorgibt oder wagt, muß unter demselben das ganze lesende verstehen; aber wer für seines, von welchem er ja selber bald einen lesenden, bald einen schreibenden Teil ausmacht, nicht die größte durch die jedesmalige höchste Anstrengung, deren er fähig ist, beweiset, begeht Sünde gegen den heiligen Geist der Kunst und Wissenschaft, vielleicht aus Trägheit oder Selbstgefälligkeit oder aus sündiger fruchtloser Rache an siegreichen Tadlern. Dem eignen Publikum trotzen, heißt dann einem schlechtern schmeicheln; und der Autor tritt von seiner Geistes-Brüdergemeine über zu einer Stiefbrüdergemeine. Und hat er nicht auch in der Nachwelt ein Publikum zu achten, dessen Beleidigung durch keinen Groll über ein gegenwärtiges zu rechtfertigen ist?

 

§ 2

Dieses soll mich entschuldigen, daß ich in dieser neuen Ausgabe nach vier bis fünf Kunstrichtern sehr viel gefragt (§ 1) und auf ihre Einwürfe entweder durch Zusetzen oder Weglassen zu antworten gesucht; und der Jenaer, der Leipziger Rezensent, Bouterwek und Köppen werden die Antwortstellen schon finden.

 

§ 3

Besonders waren in diesem ersten Teil dem Artikel vom Romantischen berichtigende Zusätze unentbehrlich (§ 2), so wie dem[13] vom Lächerlichen erläuternde. Auch gepriesene Programme erhielten eben darum (§ 1) überall Zusätze.

 

§ 4

Im Programme über das Romantische (§ 2. 3) nahm ich besondere Rücksicht, widerlegende und aufnehmende, auf Bouterweks treffliche Geschichte der Künste und Wissenschaften etc. etc., ein Werk, das durch eine so vielseitige Gelehrsamkeit und durch einen so vielseitigen Geschmack – so wie desselben Apodiktik durch philosophischen Geist und schöne Darstellga be – noch immer auf ein größeres Lob Anspruch machen darf, als es schon erhalten. Wenn man einer Vielseitigkeit des Geschmacks in diesen absprechenden insularischen Zeiten, worin jeder als ein vulkanisches Eiland leuchten will, gedenkt: so werden Erinnerungen an jene schönere erfreulich und labend, wo man noch wie festes grünes Land zusammenhing, wo ein Lessing Augen, wie später Herder, Goethe, Wieland1 Augen und Ohren für Schönheiten jeder Art offen hatten. Ästhetische Eklektiker sind in dem Grade gut, in welchem philosophische schlecht.

 

§ 5

Gleichwohl will niemand weniger als ich das neue ästhetische Simplifikations-System verkennen (§ 4) oder kalt ansehen, welches, so wie das Voglersche in der gemeinen Orgel, noch mehr in der poetischen die Pfeifen (nämlich die Dichter) verringert und ausmerzt; und Gleichgültigkeit dagegen wäre um so ungerechter, je höher das Simplifizieren getrieben wird, wie z.B. von Adam Müller, welcher seine Bewunderung großer Dichter (von Novalis und Shakespeare an) schwerlich über einen Postzug von vier Evangelisten hinaus dehnt, wobei ich noch dazu voraussetzen will, daß er sich selber mitzählt. Es ist kaum zu berechnen, wie[14] viel durch Einschränkung auf wenige Heroen der Bewunderung an Leichtigkeit des Urteils über alle Welt und besonders an einer gewissen ästhetischen Unveränderlichkeit oder Verknöcherung gewonnen wird. Letzte geht daher selber – aus Mangel des ästhetischen Minus-Machens – sogar guten Köpfen wie Wieland und Goethe ab, welche mehrmals ihr Bewundern ändern und anders verteilen mußten.

In diesen Fehler fallen neuere ostrazisierende (mit Scherben richtende) Ästhetiker schwerlich; sie sind, da sie im Urteilen wie im Schreiben sogleich kulminierend anfangen, keiner Veränderlichkeit des Steigens unterworfen. Man möchte sie mit den Kapaunen vergleichen, welche sich dadurch über alle Haushähne erheben, daß sie sich niemals mausern, sondern immer die alten Federn führen. Anständiger möchte eine Vergleichung derselben mit dem päpstlichen Stuhle sein, welcher nie einen Ausspruch zurückgenommen und daher noch im römischen Staatskalender von 1782 Friedrich den Einzigen als einen bloßen Marquis aufstellte.2

 

§ 6

Sehr mit Unrecht beschuldigten Kunstrichter (§ 2 vergl. § II. 12) die Vorschule: »sie sei keine Ästhetik, sondern nur eine Poetik«; denn ich zeige leicht, daß sie nicht einmal diese ist – sonst müßte viel von Balladen, Idyllen, beschreibenden Gedichten und Versbauten darin stehen –, sondern, wie schon das erste Wort des Buchs auf dem Titelblättchen sagt, eine Vorschule (Proscholium).