Es wäre nur zu wünschen gewesen, jeder hätte aus seiner eigenen geringen Belesenheit besser gewußt, was eine Vorschule im Mittelalter eigentlich geheißen; daher will ich, was darüber die folgende erste Vorrede zu kurz andeutet, hier in der zweiten weitläuftiger fassen. Nämlich nach Du Fresne III. 495. und ferner nach Jos. Scal. lect. Auson. l. I. c. 15. war – wenn ich auf den Pancirollus de artib. perd. bauen darf, aus welchem ich beide Citata citiere (Anführungen anführe) – – das Proscholium ein Platz, welchen ein Vorhang von dem eigentlichen Hörsaale abschied, und wo der Vorschulmeister (Proscholus) die Zöglinge[15] in Anstand, Anzug und Antritt für den verhangnen Lehrer zuschnitt und vorbereitete. – Aber wollte ich denn in der Vorschule etwas anders sein als ein ästhetischer Vorschulmeister, welcher die Kunstjünger leidlich einübt und schulet für die eigentlichen Geschmacklehrer selber? – Daher glaubt' ich aber auch meiner Konduitenmeister-Pflicht genug getan zu haben, wenn ich als Proscholus die Kunst-Zöglinge durch Anregen, Schönziehen, Geradehalten und andere Kallipädie so weit brächte, daß sie alle mit Augen und Ohren fertig daständen, wenn der Vorhang in die Höhe ginge und sich ihnen nun die vielen eigentlichen verhangnen Lehrer auf einem einzigen Lehrstuhle, nämlich dem ästhetischen, beisammen lehrend zeigten, ein Ast, ein Wagner, ein (A.) Müller, ein Krug, dazu Pölitz, Eberhard, hallische Revisoren und noch dreißig andere dazu. Denn bekanntlich ist der ästhetische Lehrstuhl ein Triklinium dreier Parteien (trium operationum mentis), nämlich der kritischen, der naturphilosophischen und der eklektischen.

 

§ 7

Aber leider gerade dieser ästhetische Dreimaster (§ 6) lud mehr als eine Rüge und Stinkblume für den armen Vorschulmeister aus. System vermißten fast alle – besonders die kantischen Formschneider – und Vollständigkeit viele. Krug fragte, wo denn die von ihm erfundenen Kalleologien, Hypseologien, Syngeneiologien, Krimatologien, Kalleotechniken und andere griechische Wörter wären, ordentlicher Ordnung nicht einmal zu gedenken. Andere vermißten noch tiefsinnigere Wörter, poetische Indifferenzen des Absoluten und Menschlichen – objektive Erscheinungen des Göttlichen im Irdischen – Durchdringungen des Raums und der Zeit in den unendlichen Ideen des Unendlichen als Religion – schwächerer Wörter wie negative und positive Polaritäten gar nicht zu erwähnen. – Die Eklektischen hingegen führten als Widerspiele der Absoluten und der Kritischen nicht über Mangel, sondern über Überfluß der besten tiefsinnigen Wörter Klagen. – So dreimal von Cerberus gebissen, half diesmal mir also mein alter Grundsatz sehr schlecht, lieber drei Parteien auf einmal zu schmeicheln, als gegen eine das Schwert des Tadels zu[16] ziehen, durch welches man regelmäßig umkommt; so wie – ist den Parteien das Gleichnis nicht zu hergeholt – gerade die drei größten Tragiker, welche so vielen tragischen Tod antaten, sämtlich einen seltsamen erfuhren, Sophokles durch einen Weinbeerkern, Äschylos durch eine herunterfallende Schildkrötenschale, Euripides durch Hunde.

 

§ 8

In der Tat durfte ein Mann wie der Proscholus wohl eines bessern Empfangs (§ 7) von dem Dreifuße der ästhetischen Dreiuneinigkeit gewärtig sein, wenn er sich lebhaft dachte, mit welchem Fleiße er seine Vorschule gerade nach den verschiedenen Anleitungen, welche ihm teils die Kritischen und die Absoluten, teils die Eklektischen zureichten, auszuarbeiten und auszubauen getrachtet, insofern er nämlich anders – was er freilich nicht selber entscheiden kann – seine Lehrer darin genugsam verstanden, daß er teilweise ihre Anleitungen als die bekannten Vexier-Muster benutzte und befolgte, welche schon längst gute Schulmänner ihren Schülern als absichtliche Verrenkungen zum übenden Graderichten vorlegten. Wie z.B. neulich Pölitz nur »Materialien zum Diktieren, nach einer dreifachen Abstufung vom Leichten zum Schweren geordnet, zur Übung in der deutschen Orthographie, Grammatik und Interpunktion; mit fehlerhaften Schemen für den Gebrauch des Zöglings, zweite verbesserte Ausgabe« herausgab: so sucht' ich in den Geschmacklehren der ästhetischen Dreiuneinigkeit mit reinem Fleiße und ohne Vorliebe alle die Behauptungen auf, welche ich etwa für solche Exerzier- und Vexier-Schemen nehmen durfte, die nur dazu geschrieben wären, damit ein angehender Ästhetiker wie ich an ihnen sich so lange versuchte und übte, bis er durch deren Umsetzen, Zurück-anagrammatisieren und Transsubstantiieren die rechte Ästhetik herausbrächte und gäbe. – Wenigstens werde man in diesen Arbeiten nach einer regula falsi, hofft der Vorschulmeister, die gute Absicht nicht verkennen, seie auch der Erfolg zuweilen so, daß der Unterschied zwischen der Vexier- und der Ernst-Ästhetik hätte größer sein können. Nur ist dergleichen nicht leicht. Erstlich die Geschmacklehren der Eklektischen[17] sagen alles, nämlich alles, was schon dagewesen; nun gibt zwar dieses Wiederholen überhaupt den Gelehrten so viel Wert und Übergewicht von Überredung, daß sie mit diesem Wiederholen von eignen und fremden Wiederholungen dem Echo gleichen, welches man desto höher achtet, je öfter es nachgesprochen; aber wie sind diese Pölitzisch-fehlerhafte Schemen anders zu benutzen, als daß man geradezu statt des Alten etwas Neues sagt? Nur schwer ists. –

Was zweitens die Kritischen und drittens die Absoluten anlangt: so hat man anfangs ebensoviel Not, sie zu verstehen, als nachher sie vorteilhaft für den Künstler umzusetzen und zu verdichten; nämlich so sehr und so weit und breit lösen sie alles feste Bestimmte in ein unabsehliches Unbestimmte und in Luft- und Ätherkreis auf. Z.B. Obstacles schreiben sie in ihrer langen abstrakten Sprache immer so: haut beu seu tua queles. Wer würde dies erraten, wenn er nicht vorher im Korrespondenten für Deutschland3 gelesen hätte, daß wirklich ein Graf von L.