Volk.
Die Szene ist in den drei ersten Aufzügen zu Pilsen, in den zwei letzten zu Eger
Erster Aufzug
Ein Zimmer zu astrologischen Arbeiten eingerichtet und mit Sphären, Karten, Quadranten und anderm astronomischen Geräte versehen. Der Vorhang von einer Rotunde ist aufgezogen, in welcher die sieben Planetenbilder, jedes in einer Nische, seltsam beleuchtet, zu sehen sind. Seni beobachtet die Sterne, Wallenstein steht vor einer großen, schwarzen Tafel, auf welcher der Planeten Aspekt gezeichnet ist.
Erster Auftritt
Wallenstein. Seni.
WALLENSTEIN.
Laß es jetzt gut sein, Seni. Komm herab.
Der Tag bricht an, und Mars regiert die Stunde.
Es ist nicht gut mehr operieren. Komm!
Wir wissen gnug.
SENI.
Nur noch die Venus laß mich
Betrachten, Hoheit. Eben geht sie auf.
Wie eine Sonne glänzt sie in dem Osten.
WALLENSTEIN.
Ja, sie ist jetzt in ihrer Erdennäh
Und wirkt herab mit allen ihren Stärken.
Die Figur auf der Tafel betrachtend.
Glückseliger Aspekt! So stellt sich endlich
Die große Drei verhängnisvoll zusammen,
Und beide Segenssterne, Jupiter
Und Venus, nehmen den verderblichen,
Den tückschen Mars in ihre Mitte, zwingen
Den alten Schadenstifter mir zu dienen.
Denn lange war er feindlich mir gesinnt,
Und schoß mit senkrecht- oder schräger Strahlung
Bald im Gevierten, bald im Doppelschein
Die roten Blitze meinen Sternen zu,
Und störte ihre segenvollen Kräfte.
Jetzt haben sie den alten Feind besiegt,
Und bringen ihn am Himmel mir gefangen.
SENI.
Und beide große Lumina von keinem
Malefico beleidigt! der Saturn
Unschädlich, machtlos, in cadente domo.
WALLENSTEIN.
Saturnus' Reich ist aus, der die geheime
Geburt der Dinge in dem Erdenschoß
Und in den Tiefen des Gemüts beherrscht,
Und über allem, was das Licht scheut, waltet.
Nicht Zeit ists mehr zu brüten und zu sinnen,
Denn Jupiter, der glänzende, regiert
Und zieht das dunkel zubereitete Werk
Gewaltig in das Reich des Lichts – Jetzt muß
Gehandelt werden, schleunig, eh die Glücks-
Gestalt mir wieder wegflieht überm Haupt,
Denn stets in Wandlung ist der Himmelsbogen.
Es geschehen Schläge an die Tür.
Man pocht. Sieh, wer es ist.
TERZKY draußen.
Laß öffnen!
WALLENSTEIN.
Es ist Terzky.
Was gibts so Dringendes? Wir sind beschäftigt.
TERZKY draußen.
Leg alles jetzt bei Seit. Ich bitte dich.
Es leidet keinen Aufschub.
WALLENSTEIN.
Öffne, Seni.
Indem jener dem Terzky aufmacht, zieht Wallenstein den Vorhang vor die Bilder.
Zweiter Auftritt
Wallenstein. Graf Terzky.
TERZKY tritt ein.
Vernahmst dus schon? Er ist gefangen, ist
Vom Gallas schon dem Kaiser ausgeliefert!
WALLENSTEIN zu Terzky.
Wer ist gefangen? Wer ist ausgeliefert?
TERZKY.
Wer unser ganz Geheimnis weiß, um jede
Verhandlung mit den Schweden weiß und Sachsen,
Durch dessen Hände alles ist gegangen –
WALLENSTEIN zurückfahrend.
Sesin doch nicht? Sag nein, ich bitte dich.
TERZKY.
Grad auf dem Weg nach Regenspurg zum Schweden
Ergriffen ihn des Gallas Abgeschickte,
Der ihm schon lang die Fährte abgelauert.
Mein ganz Paket an Kinsky, Matthes Thurn,
An Oxenstirn, an Arnheim führt er bei sich,
Das alles ist in ihrer Hand, sie haben
Die Einsicht nun in alles, was geschehn.
Dritter Auftritt
Vorige. Illo kommt.
ILLO zu Terzky.
Weiß ers?
TERZKY.
Er weiß es.
ILLO zu Wallenstein.
Denkst du deinen Frieden
Nun noch zu machen mit dem Kaiser, sein
Vertraun zurückzurufen? wär es auch,
Du wolltest allen Planen jetzt entsagen,
Man weiß, was du gewollt hast. Vorwärts mußt du,
Denn rückwärts kannst du nun nicht mehr.
TERZKY.
Sie haben Dokumente gegen uns
In Händen, die unwidersprechlich zeugen –
WALLENSTEIN.
Von meiner Handschrift nichts. Dich straf ich Lügen.
ILLO.
So? Glaubst du wohl, was dieser da, dein
Schwager,
In deinem Namen unterhandelt hat,
Das werde man nicht dir auf Rechnung setzen?
Dem Schweden soll sein Wort für deines gelten,
Und deinen Wiener Feinden nicht!
TERZKY.
Du gabst nichts Schriftliches – Besinn dich aber,
Wie weit du mündlich gingst mit dem Sesin.
Und wird er schweigen? Wenn er sich mit deinem
Geheimnis retten kann, wird ers bewahren?
ILLO.
Das fällt dir selbst nicht ein! Und da sie nun
Berichtet sind, wie weit du schon gegangen,
Sprich! was erwartest du? Bewahren kannst du
Nicht länger dein Kommando, ohne Rettung
Bist du verloren, wenn dus niederlegst.
WALLENSTEIN.
Das Heer ist meine Sicherheit. Das Heer
Verläßt mich nicht. Was sie auch wissen mögen,
Die Macht ist mein, sie müssens niederschlucken,
– Und stell ich Kaution für meine Treu,
So müssen sie sich ganz zufriedengeben.
ILLO.
Das Heer ist dein; jetzt für den Augenblick
Ists dein; doch zittre vor der langsamen,
Der stillen Macht der Zeit. Vor offenbarer
Gewalt beschützt dich heute noch und morgen
Der Truppen Gunst; doch gönnst du ihnen Frist,
Sie werden unvermerkt die gute Meinung,
Worauf du jetzo fußest, untergraben,
Dir einen um den andern listig stehlen –
Bis, wenn der große Erdstoß nun geschieht,
Der treulos mürbe Bau zusammenbricht.
WALLENSTEIN.
Es ist ein böser Zufall!
ILLO.
O! einen glücklichen will ich ihn nennen,
Hat er auf dich die Wirkung, die er soll,
Treibt dich zu schneller Tat – Der schwedsche Oberst –
WALLENSTEIN.
Er ist gekommen? Weißt du, was er bringt?
ILLO.
Er will nur dir allein sich anvertraun.
WALLENSTEIN.
Ein böser, böser Zufall – Freilich! Freilich!
Sesina weiß zu viel und wird nicht schweigen.
TERZKY.
Er ist ein böhmischer Rebell und Flüchtling,
Sein Hals ist ihm verwirkt; kann er sich retten
Auf deine Kosten, wird er Anstand nehmen?
Und wenn sie auf der Folter ihn befragen,
Wird er, der Weichling, Stärke gnug besitzen? –
WALLENSTEIN in Nachsinnen verloren.
Nicht herzustellen mehr ist das Vertraun.
Und mag ich handeln, wie ich will, ich werde
Ein Landsverräter ihnen sein und bleiben.
Und kehr ich noch so ehrlich auch zurück
Zu meiner Pflicht, es wird mir nichts mehr helfen –
ILLO.
Verderben wird es dich. Nicht deiner Treu,
Der Ohnmacht nur wirds zugeschrieben werden.
WALLENSTEIN in heftiger Bewegung auf und ab gehend.
Wie? Sollt ichs nun in Ernst erfüllen müssen,
Weil ich zu frei gescherzt mit dem Gedanken?
Verflucht, wer mit dem Teufel spielt! –
ILLO.
Wenns nur dein Spiel gewesen, glaube mir,
Du wirsts in schwerem Ernste büßen müssen.
WALLENSTEIN.
Und müßt ichs in Erfüllung bringen, jetzt,
Jetzt, da die Macht noch mein ist, müßts geschehn –
ILLO.
Wo möglich, eh sie von dem Schlage sich
In Wien besinnen und zuvor dir kommen –
WALLENSTEIN die Unterschriften betrachtend.
Das Wort der Generale hab ich schriftlich –
Max Piccolomini steht nicht hier. Warum nicht?
TERZKY.
Es war – er meinte –
ILLO.
Bloßer Eigendünkel!
Es brauche das nicht zwischen dir und ihm.
WALLENSTEIN.
Es braucht das nicht, er hat ganz recht –
Die Regimenter wollen nicht nach Flandern,
Sie haben eine Schrift mir übersandt,
Und widersetzen laut sich dem Befehl.
Der erste Schritt zum Aufruhr ist geschehn.
ILLO.
Glaub mir, du wirst sie leichter zu dem Feind,
Als zu dem Spanier hinüberführen.
WALLENSTEIN.
Ich will doch hören, was der Schwede mir
Zu sagen hat.
ILLO pressiert.
Wollt Ihr ihn rufen, Terzky?
Er steht schon draußen.
WALLENSTEIN.
Warte noch ein wenig.
Er hat mich überrascht – Es kam zu schnell
– Ich bin es nicht gewohnt, daß mich der Zufall
Blind waltend, finster herrschend mit sich führe.
ILLO.
Hör ihn fürs erste nur. Erwägs nachher.
Sie gehen.
Vierter Auftritt
WALLENSTEIN mit sich selbst redend.
Wärs möglich? Könnt ich nicht mehr, wie ich wollte?
Nicht mehr zurück, wie mirs beliebt? Ich müßte
Die Tat vollbringen, weil ich sie gedacht,
Nicht die Versuchung von mir wies – das Herz
Genährt mit diesem Traum, auf ungewisse
Erfüllung hin die Mittel mir gespart,
Die Wege bloß mir offen hab gehalten? –
Beim großen Gott des Himmels! Es war nicht
Mein Ernst, beschloßne Sache war es nie.
In dem Gedanken bloß gefiel ich mir;
Die Freiheit reizte mich und das Vermögen.
Wars unrecht, an dem Gaukelbilde mich
Der königlichen Hoffnung zu ergötzen?
Blieb in der Brust mir nicht der Wille frei,
Und sah ich nicht den guten Weg zur Seite,
Der mir die Rückkehr offen stets bewahrte?
Wohin denn seh ich plötzlich mich geführt?
Bahnlos liegts hinter mir, und eine Mauer
Aus meinen eignen Werten baut sich auf,
Die mir die Umkehr türmend hemmt! –
Er bleibt tiefsinnig stehen.
Strafbar erschein ich, und ich kann die Schuld,
Wie ichs versuchen mag! nicht von mir wälzen;
Denn mich verklagt der Doppelsinn des Lebens,
Und – selbst der frommen Quelle reine Tat
Wird der Verdacht, schlimmdeutend, mir vergiften.
War ich, wofür ich gelte, der Verräter,
Ich hätte mir den guten Schein gespart,
Die Hülle hätt ich dicht um mich gezogen,
Dem Unmut Stimme nie geliehn. Der Unschuld,
Des unverführten Willens mir bewußt,
Gab ich der Laune Raum, der Leidenschaft –
Kühn war das Wort, weil es die Tat nicht war.
Jetzt werden sie, was planlos ist geschehn,
Weitsehend, planvoll mir zusammenknüpfen,
Und was der Zorn, und was der frohe Mut
Mich sprechen ließ im Überfluß des Herzens,
Zu künstlichem Gewebe mir vereinen,
Und eine Klage furchtbar draus bereiten,
Dagegen ich verstummen muß. So hab ich
Mit eignem Netz verderblich mich umstrickt,
Und nur Gewalttat kann es reißend lösen.
Wiederum still stehend.
Wie anders! da des Mutes freier Trieb
Zur kühnen Tat mich zog, die rauh gebietend
Die Not jetzt, die Erhaltung von mir heischt.
Ernst ist der Anblick der Notwendigkeit.
Nicht ohne Schauder greift des Menschen Hand
In des Geschicks geheimnisvolle Urne.
In meiner Brust war meine Tat noch mein:
Einmal entlassen aus dem sichern Winkel
Des Herzens, ihrem mütterlichen Boden,
Hinausgegeben in des Lebens Fremde,
Gehört sie jenen tückschen Mächten an,
Die keines Menschen Kunst vertraulich macht.
Er macht heftige Schritte durchs Zimmer, dann bleibt er wieder sinnend stehen.
Und was ist dein Beginnen? Hast du dirs
Auch redlich selbst bekannt? Du willst die Macht,
Die ruhig, sicher thronende erschüttern,
Die in verjährt geheiligtem Besitz,
In der Gewohnheit festgegründet ruht,
Die an der Völker frommem Kinderglauben
Mit tausend zähen Wurzeln sich befestigt.
Das wird kein Kampf der Kraft sein mit der Kraft,
Den fürcht ich nicht. Mit jedem Gegner wag ichs,
Den ich kann sehen und ins Auge fassen,
Der, selbst voll Mut, auch mir den Mut entflammt.
Ein unsichtbarer Feind ists, den ich fürchte,
Der in der Menschen Brust mir widersteht,
Durch feige Furcht allein mir fürchterlich –
Nicht was lebendig, kraftvoll sich verkündigt,
Ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz
Gemeine ists, das ewig Gestrige,
Was immer war und immer wiederkehrt,
Und morgen gilt, weils heute hat gegolten!
Denn aus Gemeinem ist der Mensch gemacht,
Und die Gewohnheit nennt er seine Amme.
Weh dem, der an den würdig alten Hausrat
Ihm rührt, das teure Erbstück seiner Ahnen!
Das Jahr übt eine heiligende Kraft,
Was grau für Alter ist, das ist ihm göttlich.
Sei im Besitze und du wohnst im Recht,
Und heilig wirds die Menge dir bewahren.
Zu dem Pagen, der hereintritt.
Der schwedsche Oberst? Ist ers? Nun, er komme.
Page geht. Wallenstein hat den Blick nachdenkend auf die Türe geheftet.
Noch ist sie rein – noch! Das Verbrechen kam
Nicht über diese Schwelle noch – So schmal ist
Die Grenze, die zwei Lebenspfade scheidet!
Fünfter Auftritt
Wallenstein und Wrangel.
WALLENSTEIN nachdem er einen forschenden Blick auf ihn geheftet.
Ihr nennt Euch Wrangel?
WRANGEL.
Gustav Wrangel, Oberst
Vom blauen Regimente Südermannland.
WALLENSTEIN.
Ein Wrangel wars, der vor Stralsund viel Böses
Mir zugefügt, durch tapfre Gegenwehr
Schuld war, daß mir die Seestadt widerstanden.
WRANGEL.
Das Werk des Elements, mit dem Sie kämpften,
Nicht mein Verdienst, Herr Herzog! Seine Freiheit
Verteidigte mit Sturmes Macht der Belt,
Es sollte Meer und Land nicht einem dienen.
WALLENSTEIN.
Den Admiralshut rißt Ihr mir vom Haupt.
WRANGEL.
Ich komme, eine Krone draufzusetzen.
WALLENSTEIN winkt ihm, Platz zu nehmen, setzt sich.
Euer Kreditiv. Kommt Ihr mit ganzer Vollmacht?
WRANGEL bedenklich.
Es sind so manche Zweifel noch zu lösen –
WALLENSTEIN nachdem er gelesen.
Der Brief hat Händ und Füß.
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