MAX.

Du wärst

So falsch gewesen? Das sieht meinem Vater

Nicht gleich! Ich glaubte deinen Worten nicht,

Da du von ihm mir Böses sagtest; kanns

Noch wenger jetzt, da du dich selbst verleumdest.

OCTAVIO.

Ich drängte mich nicht selbst in sein Geheimnis.

MAX.

Aufrichtigkeit verdiente sein Vertraun.

OCTAVIO.

Nicht würdig war er meiner Wahrheit mehr.

MAX.

Noch minder würdig deiner war Betrug.

OCTAVIO.

Mein bester Sohn! Es ist nicht immer möglich,

Im Leben sich so kinderrein zu halten,

Wie's uns die Stimme lehrt im Innersten.

In steter Notwehr gegen arge List

Bleibt auch das redliche Gemüt nicht wahr –

Das eben ist der Fluch der bösen Tat,

Daß sie, fortzeugend, immer Böses muß gebären.

Ich klügle nicht, ich tue meine Pflicht,

Der Kaiser schreibt mir mein Betragen vor.

Wohl wär es besser, überall dem Herzen

Zu folgen, doch darüber würde man

Sich manchen guten Zweck versagen müssen.

Hier gilts, mein Sohn, dem Kaiser wohl zu dienen,

Das Herz mag dazu sprechen, was es will.

MAX.

Ich soll dich heut nicht fassen, nicht verstehn.

Der Fürst, sagst du, entdeckte redlich dir sein Herz

Zu einem bösen Zweck, und du willst ihn

Zu einem guten Zweck betrogen haben!

Hör auf! ich bitte dich – du raubst den Freund

Mir nicht – Laß mich den Vater nicht verlieren!

OCTAVIO unterdrückt seine Empfindlichkeit.

Noch weißt du alles nicht, mein Sohn. Ich habe

Dir noch was zu eröffnen.

 

Nach einer Pause.

 

Herzog Friedland

Hat seine Zurüstung gemacht. Er traut

Auf seine Sterne. Unbereitet denkt er uns

Zu überfallen – mit der sichern Hand

Meint er, den goldnen Zirkel schon zu fassen.

Er irret sich – Wir haben auch gehandelt.

Er faßt sein bös geheimnisvolles Schicksal.

MAX.

Nichts Rasches, Vater! O! bei allem Guten

Laß dich beschwören. Keine Übereilung!

OCTAVIO.

Mit leisen Tritten schlich er seinen bösen Weg,

So leis und schlau ist ihm die Rache nachgeschlichen.

Schon steht sie ungesehen, finster hinter ihm,

Ein Schritt nur noch, und schaudernd rühret er sie an.

– Du hast den Questenberg bei mir gesehn,

Noch kennst du nur sein öffentlich Geschäft,

Auch ein geheimes hat er mitgebracht,

Das bloß für mich war.

MAX.

Darf ichs wissen?

OCTAVIO.

Max!

– Des Reiches Wohlfahrt leg ich mit dem Worte,

Des Vaters Leben dir in deine Hand.

Der Wallenstein ist deinem Herzen teuer,

Ein starkes Band der Liebe, der Verehrung

Knüpft seit der frühen Jugend dich an ihn –

Du nährst den Wunsch – O! laß mich immerhin

Vorgreifen deinem zögernden Vertrauen –

Die Hoffnung nährst du, ihm viel näher noch

Anzugehören.

MAX.

Vater –

OCTAVIO.

Deinem Herzen trau ich,

Doch, bin ich deiner Fassung auch gewiß?

Wirst dus vermögen, ruhigen Gesichts

Vor diesen Mann zu treten, wenn ich dir

Sein ganz Geschick nun anvertrauet habe?

MAX.

Nachdem du seine Schuld mir anvertraut!

 

Octavio nimmt ein Papier aus der Schatulle und reicht es ihm hin.

 

MAX.

Was? Wie? Ein offner kaiserlicher Brief.

OCTAVIO.

Lies ihn.

MAX nachdem er einen Blick hinein geworfen.

Der Fürst verurteilt und geächtet!

OCTAVIO.

So ists.

MAX.

O! das geht weit! O unglücksvoller Irrtum!

OCTAVIO.

Lies weiter! Faß dich!

MAX nachdem er weiter gelesen, mit einem Blick des Erstaunens auf seinen Vater.

Wie? Was? Du? Du bist –

OCTAVIO.

Bloß für den Augenblick – und bis der König

Von Ungarn bei dem Heer erscheinen kann,

Ist das Kommando mir gegeben –

MAX.

Und glaubst du, daß dus ihm entreißen werdest?

Das denke ja nicht – Vater! Vater! Vater!

Ein unglückselig Amt ist dir geworden.

Dies Blatt hier – dieses! willst du geltendmachen?

Den Mächtigen in seines Heeres Mitte,

Umringt von seinen Tausenden, entwaffnen?

Du bist verloren – Du, wir alle sinds!

OCTAVIO.

Was ich dabei zu wagen habe, weiß ich.

Ich stehe in der Allmacht Hand; sie wird

Das fromme Kaiserhaus mit ihrem Schilde

Bedecken, und das Werk der Nacht zertrümmern.

Der Kaiser hat noch treue Diener, auch im Lager

Gibt es der braven Männer gnug, die sich

Zur guten Sache munter schlagen werden.

Die Treuen sind gewarnt, bewacht die andern,

Den ersten Schritt erwart ich nur, sogleich –

MAX.

Auf den Verdacht hin willst du rasch gleich handeln?

OCTAVIO.

Fern sei vom Kaiser die Tyrannenweise!

Den Willen nicht, die Tat nur will er strafen.

Noch hat der Fürst sein Schicksal in der Hand –

Er lasse das Verbrechen unvollführt,

So wird man ihn still vom Kommando nehmen,

Er wird dem Sohne seines Kaisers weichen.

Ein ehrenvoll Exil auf seine Schlösser

Wird Wohltat mehr, als Strafe für ihn sein.

Jedoch der erste offenbare Schritt –

MAX.

Was nennst du einen solchen Schritt? Er wird

Nie einen bösen tun – Du aber könntest

(Du hasts getan) den frömmsten auch mißdeuten.

OCTAVIO.

Wie strafbar auch des Fürsten Zwecke waren,

Die Schritte, die er öffentlich getan,

Verstatteten noch eine milde Deutung.

Nicht eher denk ich dieses Blatt zu brauchen,

Bis eine Tat getan ist, die unwidersprechlich

Den Hochverrat bezeugt und ihn verdammt.

MAX.

Und wer soll Richter drüber sein?

OCTAVIO.

– Du selbst.

MAX.

O! dann bedarf es dieses Blattes nie!

Ich hab dein Wort, du wirst nicht eher handeln,

Bevor du mich – mich selber überzeugt.

OCTAVIO.

Ists möglich? Noch – nach allem, was du weißt,

Kannst du an seine Unschuld glauben?

MAX lebhaft.

Dein Urteil kann sich irren, nicht mein Herz.

 

Gemäßigter fortfahrend.

 

Der Geist ist nicht zu fassen, wie ein andrer.

Wie er sein Schicksal an die Sterne knüpft,

So gleicht er ihnen auch in wunderbarer,

Geheimer, ewig unbegriffner Bahn.

Glaub mir, man tut ihm Unrecht. Alles wird

Sich lösen. Glänzend werden wir den Reinen

Aus diesem schwarzen Argwohn treten sehn.

OCTAVIO.

Ich wills erwarten.

 

 

Zweiter Auftritt

Die Vorigen. Der Kammerdiener. Gleich darauf ein Kurier.

 

OCTAVIO.

Was gibts?

KAMMERDIENER.

Ein Eilbot wartet vor der Tür.

OCTAVIO.

So früh am Tag! Wer ists? Wo kommt er her?

KAMMERDIENER.

Das wollt er mir nicht sagen.

OCTAVIO.

Führ ihn herein. Laß nichts davon verlauten.

 

Kammerdiener ab. Kornett tritt ein.

 

Seid Ihrs, Kornett? Ihr kommt vom Grafen Gallas?

Gebt her den Brief.

KORNETT.

Bloß mündlich ist mein Auftrag.

Der Generalleutnant traute nicht.

OCTAVIO.

Was ists?

KORNETT.

Er läßt Euch sagen – Darf ich frei hier sprechen?

OCTAVIO.

Mein Sohn weiß alles.

KORNETT.

Wir haben ihn.

OCTAVIO.

Wen meint Ihr?

KORNETT.

Den Unterhändler! Den Sesin.

OCTAVIO schnell.

Habt ihr?

KORNETT.

Im Böhmerwald erwischt' ihn Hauptmann Mohrbrand

Vorgestern früh, als er nach Regenspurg

Zum Schweden unterwegs war mit Depeschen.

OCTAVIO.

Und die Depeschen –

KORNETT.

Hat der Generalleutnant

Sogleich nach Wien geschickt mit dem Gefangnen.

OCTAVIO.

Nun endlich! endlich! Das ist eine große Zeitung!

Der Mann ist uns ein kostbares Gefäß,

Das wichtge Dinge einschließt – Fand man viel?

KORNETT.

An sechs Pakete mit Graf Terzkys Wappen.

OCTAVIO.

Keins von des Fürsten Hand?

KORNETT.

Nicht, daß ich wüßte.

OCTAVIO.

Und der Sesina?

KORNETT.

Der tat sehr erschrocken,

Als man ihm sagt', es ginge nacher Wien.

Graf Altring aber sprach ihm guten Mut ein,

Wenn er nur alles wollte frei bekennen.

OCTAVIO.

Ist Altringer bei Eurem Herrn? Ich hörte,

Er läge krank zu Linz.

KORNETT.

Schon seit drei Tagen

Ist er zu Frauenberg beim Generalleutnant.

Sie haben sechzig Fähnlein schon beisammen,

Erlesnes Volk, und lassen Euch entbieten,

Daß sie von Euch Befehle nur erwarten.

OCTAVIO.

In wenig Tagen kann sich viel ereignen.

Wann müßt Ihr fort?

KORNETT.

Ich wart auf Eure Ordre.

OCTAVIO.

Bleibt bis zum Abend.

KORNETT.

Wohl.

 

Will gehen.

 

OCTAVIO.

Sah Euch doch niemand?

KORNETT.

Kein Mensch. Die Kapuziner ließen mich

Durchs Klosterpförtchen ein, so wie gewöhnlich.

OCTAVIO.

Geht, ruht Euch aus und haltet Euch verborgen.

Ich denk Euch noch vor Abend abzufertgen.

Die Sachen liegen der Entwicklung nah,

Und eh der Tag, der eben jetzt am Himmel

Verhängnisvoll heranbricht, untergeht,

Muß ein entscheidend Los gefallen sein.

 

Kornett geht ab.

 

 

Dritter Auftritt

Beide Piccolomini.

 

OCTAVIO.

Was nun, mein Sohn? Jetzt werden wir bald klar sein,

– Denn alles, weiß ich, ging durch den Sesina.

MAX der während des ganzen vorigen Auftritts in einem heftigen, innern Kampf gestanden, entschlossen.

Ich will auf kürzerm Weg mir Licht verschaffen.

Leb wohl!

OCTAVIO.

Wohin? Bleib da!

MAX.

Zum Fürsten.

OCTAVIO erschrickt.

Was?

MAX zurückkommend.

Wenn du geglaubt, ich werde eine Rolle

In deinem Spiele spielen, hast du dich

In mir verrechnet. Mein Weg muß gerad sein.

Ich kann nicht wahr sein mit der Zunge, mit

Dem Herzen falsch – nicht zusehn, daß mir einer

Als seinem Freunde traut, und mein Gewissen

Damit beschwichtigen, daß ers auf seine

Gefahr tut, daß mein Mund ihn nicht belogen.

Wofür mich einer kauft, das muß ich sein.

– Ich geh zum Herzog. Heut noch werd ich ihn

Auffordern, seinen Leumund vor der Welt

Zu retten, eure künstlichen Gewebe

Mit einem graden Schritte zu durchreißen.

OCTAVIO.

Das wolltest du?

MAX.

Das will ich. Zweifle nicht.

OCTAVIO.

Ich habe mich in dir verrechnet, ja.

Ich rechnete auf einen weisen Sohn,

Der die wohltätgen Hände würde segnen,

Die ihn zurück vom Abgrund ziehn – und einen

Verblendeten entdeck ich, den zwei Augen

Zum Toren machten, Leidenschaft umnebelt,

Den selbst des Tages volles Licht nicht heilt.

Befrag ihn! Geh! Sei unbesonnen gnug,

Ihm deines Vaters, deines Kaisers

Geheimnis preis zu geben. Nötge mich

Zu einem lauten Bruche vor der Zeit!

Und jetzt, nachdem ein Wunderwerk des Himmels

Bis heute mein Geheimnis hat beschützt,

Des Argwohns helle Blicke eingeschläfert,

Laß michs erleben, daß mein eigner Sohn

Mit unbedachtsam rasendem Beginnen

Der Staatskunst mühevolles Werk vernichtet.

MAX.

O! diese Staatskunst, wie verwünsch ich sie!

Ihr werdet ihn durch eure Staatskunst noch

Zu einem Schritte treiben – Ja, ihr könntet ihn,

Weil ihr ihn schuldig wollt, noch schuldig machen.

O! das kann nicht gut endigen – und, mag sichs

Entscheiden wie es will, ich sehe ahnend

Die unglückselige Entwicklung nahen. –

Denn dieser Königliche, wenn er fällt,

Wird eine Welt im Sturze mit sich reißen,

Und wie ein Schiff, das mitten auf dem Weltmeer

In Brand gerät mit einem Mal, und berstend

Auffliegt, und alle Mannschaft, die es trug,

Ausschüttet plötzlich zwischen Meer und Himmel.

Wird er uns alle, die wir an sein Glück

Befestigt sind, in seinen Fall hinabziehn.

Halte du es, wie du willst! Doch mir vergönne,

Daß ich auf meine Weise mich betrage.

Rein muß es bleiben zwischen mir und ihm,

Und eh der Tag sich neigt, muß sichs erklären,

Ob ich den Freund, ob ich den Vater soll entbehren.

 

Indem er abgeht, fällt der Vorhang.

 

 

 

Wallensteins Tod

Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

 

 

Personen.

Wallenstein.

 

Octavio Piccolomini.

 

Max Piccolomini.

 

Terzky.

 

Illo.

 

Isolani.

 

Buttler.

 

Rittmeister Neumann.

 

Ein Adjutant.

 

Oberst Wrangel, von den Schweden gesendet.

 

Gordon, Kommandant von Eger.

 

Major Geraldin,

Deveroux,

Macdonald, , Hauptleute in der Wallensteinischen Armee.

 

Schwedischer Hauptmann.

 

Eine Gesandtschaft von Kürassieren.

 

Bürgermeister von Eger.

 

Seni.

 

Herzogin von Friedland.

 

Gräfin Terzky.

 

Thekla.

 

Fräulein Neubrunn, Hofdame der Prinzessin.

 

Von Rosenberg, Stallmeister der Prinzessin.

 

Dragoner.

 

Bediente. Pagen.