Ein andermal.

KAMMERDIENER.

Nur um zwei Augenblicke bittet er,

Er hab ein dringendes Geschäft –

WALLENSTEIN.

Wer weiß, was er uns bringt. Ich will doch hören.

GRÄFIN lacht.

Wohl mags ihm dringend sein. Du kannsts erwarten.

WALLENSTEIN.

Was ists?

GRÄFIN.

Du sollst es nachher wissen.

Jetzt denke dran, den Wrangel abzufertgen.

 

Kammerdiener geht.

 

WALLENSTEIN.

Wenn eine Wahl noch wäre – noch ein milderer

Ausweg sich fände – jetzt noch will ich ihn

Erwählen, und das Äußerste vermeiden.

GRÄFIN.

Verlangst du weiter nichts, ein solcher Weg

Liegt nah vor dir. Schick diesen Wrangel fort.

Vergiß die alten Hoffnungen, wirf dein

Vergangnes Leben weg, entschließe dich

Ein neues anzufangen. Auch die Tugend

Hat ihre Helden, wie der Ruhm, das Glück.

Reis hin nach Wien zum Kaiser stehndes Fußes,

Nimm eine volle Kasse mit, erklär,

Du habst der Diener Treue nur erproben,

Den Schweden bloß zum besten haben wollen.

ILLO.

Auch damit ists zu spät. Man weiß zu viel.

Er würde nur das Haupt zum Todesblocke tragen.

GRÄFIN.

Das fürcht ich nicht. Gesetzlich ihn zu richten,

Fehlts an Beweisen, Willkür meiden sie.

Man wird den Herzog ruhig lassen ziehn.

Ich seh, wie alles kommen wird. Der König

Von Ungarn wird erscheinen, und es wird sich

Von selbst verstehen, daß der Herzog geht,

Nicht der Erklärung wird das erst bedürfen.

Der König wird die Truppen lassen schwören,

Und alles wird in seiner Ordnung bleiben.

An einem Morgen ist der Herzog fort.

Auf seinen Schlössern wird es nun lebendig,

Dort wird er jagen, baun, Gestüte halten,

Sich eine Hofstatt gründen, goldne Schlüssel

Austeilen, gastfrei große Tafel geben,

Und kurz ein großer König sein – im Kleinen!

Und weil er klug sich zu bescheiden weiß,

Nichts wirklich mehr zu gelten, zu bedeuten,

Läßt man ihn scheinen, was er mag, er wird

Ein großer Prinz bis an sein Ende scheinen.

Ei nun! der Herzog ist dann eben auch

Der neuen Menschen einer, die der Krieg

Emporgebracht; ein übernächtiges

Geschöpf der Hofgunst, die mit gleichem Aufwand

Freiherrn und Fürsten macht.

WALLENSTEIN steht auf, heftig bewegt.

Zeigt einen Weg mir an, aus diesem Drang,

Hilfreiche Mächte! einen solchen zeigt mir,

Den ich vermag zu gehn – Ich kann mich nicht,

Wie so ein Wortheld, so ein Tugendschwätzer,

An meinem Willen wärmen und Gedanken –

Nicht zu dem Glück, das mir den Rücken kehrt,

Großtuend sagen: Geh! Ich brauch dich nicht.

Wenn ich nicht wirke mehr, bin ich vernichtet;

Nicht Opfer, nicht Gefahren will ich scheun,

Den letzten Schritt, den äußersten, zu meiden;

Doch eh ich sinke in die Nichtigkeit,

So klein aufhöre, der so groß begonnen,

Eh mich die Welt mit jenen Elenden

Verwechselt, die der Tag erschafft und stürzt,

Eh spreche Welt und Nachwelt meinen Namen

Mit Abscheu aus, und Friedland sei die Losung

Für jede fluchenswerte Tat.

GRÄFIN.

Was ist denn hier so wider die Natur?

Ich kanns nicht finden, sage mirs – O! laß

Des Aberglaubens nächtliche Gespenster

Nicht deines hellen Geistes Meister werden!

Du bist des Hochverrats verklagt; ob mit

– Ob ohne Recht, ist jetzo nicht die Frage –

Du bist verloren, wenn du dich nicht schnell der Macht

Bedienst, die du besitzest – Ei! wo lebt denn

Das friedsame Geschöpf, das seines Lebens

Sich nicht mit allen Lebenskräften wehrt?

Was ist so kühn, das Notwehr nicht entschuldigt?

WALLENSTEIN.

Einst war mir dieser Ferdinand so huldreich;

Er liebte mich, er hielt mich wert, ich stand

Der Nächste seinem Herzen. Welchen Fürsten

Hat er geehrt wie mich? – Und so zu enden!

GRÄFIN.

So treu bewahrst du jede kleine Gunst,

Und für die Kränkung hast du kein Gedächtnis?

Muß ich dich dran erinnern, wie man dir

Zu Regenspurg die treuen Dienste lohnte?

Du hattest jeden Stand im Reich beleidigt;

Ihn groß zu machen, hattest du den Haß,

Den Fluch der ganzen Welt auf dich geladen,

Im ganzen Deutschland lebte dir kein Freund,

Weil du allein gelebt für deinen Kaiser.

An ihn bloß hieltest du bei jenem Sturme

Dich fest, der auf dem Regenspurger Tag

Sich gegen dich zusammenzog – da ließ er

Dich fallen! Ließ dich fallen! Dich dem Bayern,

Dem Übermütigen, zum Opfer, fallen!

Sag nicht, daß die zurückgegebne Würde

Das erste, schwere Unrecht ausgesöhnt.

Nicht wahrlich guter Wille stellte dich,

Dich stellte das Gesetz der herben Not

An diesen Platz, den man dir gern verweigert.

WALLENSTEIN.

Nicht ihrem guten Willen, das ist wahr!

Noch seiner Neigung dank ich dieses Amt.

Mißbrauch ichs, so mißbrauch ich kein Vertrauen.

GRÄFIN.

Vertrauen? Neigung? – Man bedurfte deiner!

Die ungestüme Presserin, die Not,

Der nicht mit hohlen Namen, Figuranten

Gedient ist, die die Tat will, nicht das Zeichen,

Den Größten immer aufsucht und den Besten,

Ihn an das Ruder stellt, und müßte sie ihn

Aufgreifen aus dem Pöbel selbst – die setzte dich

In dieses Amt, und schrieb dir die Bestallung.

Denn lange, bis es nicht mehr kann, behilft

Sich dies Geschlecht mit feilen Sklavenseelen

Und mit den Drahtmaschinen seiner Kunst –

Doch wenn das Äußerste ihm nahetritt,

Der hohle Schein es nicht mehr tut, da fällt

Es in die starken Hände der Natur,

Des Riesengeistes, der nur sich gehorcht,

Nichts von Verträgen weiß, und nur auf ihre

Bedingung, nicht auf seine, mit ihm handelt.

WALLENSTEIN.

Wahr ists! Sie sahn mich immer wie ich bin,

Ich hab sie in dem Kaufe nicht betrogen,

Denn nie hielt ichs der Mühe wert, die kühn

Umgreifende Gemütsart zu verbergen.

GRÄFIN.

Vielmehr – du hast dich furchtbar stets gezeigt.

Nicht du, der stets sich selber treu geblieben,

Die haben Unrecht, die dich fürchteten,

Und doch die Macht dir in die Hände gaben.

Denn Recht hat jeder eigene Charakter,

Der übereinstimmt mit sich selbst, es gibt

Kein andres Unrecht, als den Widerspruch.

Warst du ein andrer, als du vor acht Jahren

Mit Feuer und Schwert durch Deutschlands Kreise zogst,

Die Geißel schwangest über alle Länder,

Hohn sprachest allen Ordnungen des Reichs,

Der Stärke fürchterliches Recht nur übtest,

Und jede Landeshoheit niedertratst,

Um deines Sultans Herrschaft auszubreiten?

Da war es Zeit, den stolzen Willen dir

Zu brechen, dich zur Ordnung zu verweisen!

Doch wohl gefiel dem Kaiser, was ihm nützte,

Und schweigend drückt' er diesen Freveltaten

Sein kaiserliches Siegel auf. Was damals

Gerecht war, weil dus für ihn tatst, ists heute

Auf einmal schändlich, weil es gegen ihn

Gerichtet wird?

WALLENSTEIN aufstehend.

Von dieser Seite sah ichs nie – Ja! dem

Ist wirklich so. Es übte dieser Kaiser

Durch meinen Arm im Reiche Taten aus,

Die nach der Ordnung nie geschehen sollten.

Und selbst den Fürstenmantel, den ich trage,

Verdank ich Diensten, die Verbrechen sind.

GRÄFIN.

Gestehe denn, daß zwischen dir und ihm

Die Rede nicht kann sein von Pflicht und Recht,

Nur von der Macht und der Gelegenheit!

Der Augenblick ist da, wo du die Summe

Der großen Lebensrechnung ziehen sollst,

Die Zeichen stehen sieghaft über dir,

Glück winken die Planeten dir herunter

Und rufen: es ist an der Zeit! Hast du

Dein Leben lang umsonst der Sterne Lauf

Gemessen? – den Quadranten und den Zirkel

Geführt? – den Zodiak, die Himmelskugel

Auf diesen Wänden nachgeahmt, um dich herum

Gestellt in stummen, ahnungsvollen Zeichen

Die sieben Herrscher des Geschicks,

Nur um ein eitles Spiel damit zu treiben?

Führt alle diese Zurüstung zu nichts,

Und ist kein Mark in dieser hohlen Kunst,

Daß sie dir selbst nichts gilt, nichts über dich

Vermag im Augenblicke der Entscheidung?

WALLENSTEIN ist während dieser letzten Rede mit heftig arbeitendem Gemüt auf und ab gegangen, und steht jetzt plötzlich still, die Gräfin unterbrechend.

Ruft mir den Wrangel, und es sollen gleich.

Drei Boten satteln.

ILLO.

Nun gelobt sei Gott!

 

Eilt hinaus.

 

WALLENSTEIN.

Es ist sein böser Geist und meiner. Ihn

Straft er durch mich, das Werkzeug seiner Herrschsucht,

Und ich erwart es, daß der Rache Stahl

Auch schon für meine Brust geschliffen ist.

Nicht hoffe, wer des Drachen Zähne sät,

Erfreuliches zu ernten. Jede Untat

Trägt ihren eignen Rache-Engel schon,

Die böse Hoffnung, unter ihrem Herzen.

Er kann mir nicht mehr traun – so kann ich auch

Nicht mehr zurück. Geschehe denn, was muß.

Recht stets behält das Schicksal, denn das Herz

In uns ist sein gebietrischer Vollzieher.

 

Zu Terzky.

 

Bring mir den Wrangel in mein Kabinett,

Die Boten will ich selber sprechen, schickt

Nach dem Octavio!

 

Zur Gräfin, welche eine triumphierende Miene macht.

 

Frohlocke nicht!

Denn eifersüchtig sind des Schicksals Mächte.

Voreilig Jauchzen greift in ihre Rechte.

Den Samen legen wir in ihre Hände,

Ob Glück, ob Unglück aufgeht, lehrt das Ende.

 

Indem er abgeht, fällt der Vorhang.

 

 

Zweiter Aufzug

 

Ein Zimmer.

 

Erster Auftritt

Wallenstein. Octavio Piccolomini.

Bald darauf Max Piccolomini.

 

WALLENSTEIN.

Mir meldet er aus Linz, er läge krank,

Doch hab ich sichre Nachricht, daß er sich

Zu Frauenberg versteckt beim Grafen Gallas.

Nimm beide fest, und schick sie mir hieher.

Du übernimmst die spanischen Regimenter,

Machst immer Anstalt, und bist niemals fertig,

Und treiben sie dich, gegen mich zu ziehn,

So sagst du Ja, und bleibst gefesselt stehn.

Ich weiß, daß dir ein Dienst damit geschieht,

In diesem Spiel dich müßig zu verhalten.

Du rettest gern, solang du kannst, den Schein;

Extreme Schritte sind nicht deine Sache,

Drum hab ich diese Rolle für dich ausgesucht,

Du wirst mir durch dein Nichtstun diesesmal

Am nützlichsten – Erklärt sich unterdessen

Das Glück für mich, so weißt du, was zu tun.

 

Max Piccolomini tritt ein.

 

Jetzt, Alter, geh. Du mußt heut Nacht noch fort.

Nimm meine eignen Pferde. – Diesen da

Behalt ich hier – Machts mit dem Abschied kurz!

Wir werden uns ja, denk ich, alle froh

Und glücklich wiedersehn.

OCTAVIO zu seinem Sohn.

Wir sprechen uns noch.

 

Geht ab.

 

 

Zweiter Auftritt

Wallenstein. Max Piccolomini.

 

MAX nähert sich ihm.

Mein General –

WALLENSTEIN.

Der bin ich nicht mehr,

Wenn du des Kaisers Offizier dich nennst.

MAX.

So bleibts dabei, du willst das Heer verlassen?

WALLENSTEIN.

Ich hab des Kaisers Dienst entsagt.

MAX.

Und willst das Heer verlassen?

WALLENSTEIN.

Vielmehr hoff ich,

Mirs enger noch und fester zu verbinden.

 

Er setzt sich.

 

Ja, Max. Nicht eher wollt ich dirs eröffnen,

Als bis des Handelns Stunde würde schlagen.

Der Jugend glückliches Gefühl ergreift

Das Rechte leicht, und eine Freude ists,

Das eigne Urteil prüfend auszuüben,

Wo das Exempel rein zu lösen ist.

Doch, wo von zwei gewissen Übeln eins

Ergriffen werden muß, wo sich das Herz

Nicht ganz zurückbringt aus dem Streit der Pflichten,

Da ist es Wohltat, keine Wahl zu haben,

Und eine Gunst ist die Notwendigkeit.

– Die ist vorhanden. Blicke nicht zurück.

Es kann dir nichts mehr helfen. Blicke vorwärts!

Urteile nicht! Bereite dich, zu handeln.

– Der Hof hat meinen Untergang beschlossen,

Drum bin ich willens, ihm zuvorzukommen.

– Wir werden mit den Schweden uns verbinden.

Sehr wackre Leute sinds und gute Freunde.

 

Hält ein, Piccolominis Antwort erwartend.

 

– Ich hab dich überrascht. Antwort mir nicht.

Ich will dir Zeit vergönnen, dich zu fassen.

 

Er steht auf, und geht nach hinten. Max steht lange unbeweglich, in den heftigsten Schmerz versetzt, wie er eine Bewegung macht, kömmt Wallenstein zurück und stellt sich vor ihn.

 

MAX.

Mein General! – Du machst mich heute mündig.

Denn bis auf diesen Tag war mirs erspart,

Den Weg mir selbst zu finden und die Richtung.

Dir folgt ich unbedingt. Auf dich nur braucht ich

Zu sehn und war des rechten Pfads gewiß.

Zum ersten Male heut verweisest du

Mich an mich selbst und zwingst mich, eine Wahl

Zu treffen zwischen dir und meinem Herzen.

WALLENSTEIN.

Sanft wiegte dich bis heute dein Geschick,

Du konntest spielend deine Pflichten üben,

Jedwedem schönen Trieb Genüge tun,

Mit ungeteiltem Herzen immer handeln.

So kanns nicht ferner bleiben. Feindlich scheiden

Die Wege sich. Mit Pflichten streiten Pflichten.

Du mußt Partei ergreifen in dem Krieg,

Der zwischen deinem Freund und deinem Kaiser

Sich jetzt entzündet.

MAX.

Krieg! Ist das der Name?

Der Krieg ist schrecklich, wie des Himmels Plagen,

Doch er ist gut, ist ein Geschick, wie sie.

Ist das ein guter Krieg, den du dem Kaiser

Bereitest mit des Kaisers eignem Heer?

O Gott des Himmels! was ist das für eine

Veränderung! Ziemt solche Sprache mir

Mit dir, der wie der feste Stern des Pols

Mir als die Lebensregel vorgeschienen!

O! welchen Riß erregst du mir im Herzen!

Der alten Ehrfurcht eingewachsnen Trieb

Und des Gehorsams heilige Gewohnheit

Soll ich versagen lernen deinem Namen?

Nein! wende nicht dein Angesicht zu mir,

Es war mir immer eines Gottes Antlitz,

Kann über mich nicht gleich die Macht verlieren;

Die Sinne sind in deinen Banden noch,

Hat gleich die Seele blutend sich befreit!

WALLENSTEIN.

Max, hör mich an.

MAX.

O! tu es nicht! Tus nicht!

Sieh! deine reinen, edeln Züge wissen

Noch nichts von dieser unglückselgen Tat.

Bloß deine Einbildung befleckte sie,

Die Unschuld will sich nicht vertreiben lassen

Aus deiner hoheitblickenden Gestalt.

Wirf ihn heraus, den schwarzen Fleck, den Feind.

Ein böser Traum bloß ist es dann gewesen,

Der jede sichre Tugend warnt.