Es mag
Die Menschheit solche Augenblicke haben,
Doch siegen muß das glückliche Gefühl.
Nein, du wirst so nicht endigen. Das würde
Verrufen bei den Menschen jede große
Natur und jedes mächtige Vermögen,
Recht geben würd es dem gemeinen Wahn,
Der nicht an Edles in der Freiheit glaubt,
Und nur der Ohnmacht sich vertrauen mag.
WALLENSTEIN.
Streng wird die Welt mich tadeln, ich erwart es.
Mir selbst schon sagt ich, was du sagen kannst.
Wer miede nicht, wenn ers umgehen kann,
Das Äußerste! Doch hier ist keine Wahl,
Ich muß Gewalt ausüben oder leiden –
So steht der Fall. Nichts anders bleibt mir übrig.
MAX.
Seis denn! Behaupte dich in deinem Posten
Gewaltsam, widersetze dich dem Kaiser,
Wenns sein muß, treibs zur offenen Empörung,
Nicht loben werd ichs, doch ich kanns verzeihn,
Will, was ich nicht gutheiße, mit dir teilen.
Nur – zum Verräter werde nicht! Das Wort
Ist ausgesprochen. Zum Verräter nicht!
Das ist kein überschrittnes Maß! Kein Fehler,
Wohin der Mut verirrt in seiner Kraft.
O! das ist ganz was anders – das ist schwarz,
Schwarz, wie die Hölle!
WALLENSTEIN mit finsterm Stirnfalten, doch gemäßigt.
Schnell fertig ist die Jugend mit dem Wort,
Das schwer sich handhabt, wie des Messers Schneide,
Aus ihrem heißen Kopfe nimmt sie keck
Der Dinge Maß, die nur sich selber richten.
Gleich heißt ihr alles schändlich oder würdig,
Bös oder gut – und was die Einbildung
Phantastisch schleppt in diesen dunkeln Namen,
Das bürdet sie den Sachen auf und Wesen.
Eng ist die Welt, und das Gehirn ist weit,
Leicht beieinander wohnen die Gedanken,
Doch hart im Raume stoßen sich die Sachen,
Wo eines Platz nimmt, muß das andre rücken,
Wer nicht vertrieben sein will, muß vertreiben,
Da herrscht der Streit, und nur die Stärke siegt.
– Ja, wer durchs Leben gehet ohne Wunsch,
Sich jeden Zweck versagen kann, der wohnt
Im leichten Feuer mit dem Salamander,
Und hält sich rein im reinen Element.
Mich schuf aus gröberm Stoffe die Natur,
Und zu der Erde zieht mich die Begierde.
Dem bösen Geist gehört die Erde, nicht
Dem guten. Was die Göttlichen uns senden
Von oben, sind nur allgemeine Güter,
Ihr Licht erfreut, doch macht es keinen reich,
In ihrem Staat erringt sich kein Besitz.
Den Edelstein, das allgeschätzte Gold
Muß man den falschen Mächten abgewinnen,
Die unterm Tage schlimmgeartet hausen.
Nicht ohne Opfer macht man sie geneigt,
Und keiner lebet, der aus ihrem Dienst
Die Seele hätte rein zurückgezogen.
MAX mit Bedeutung.
O! fürchte, fürchte diese falschen Mächte!
Sie halten nicht Wort! Es sind Lügengeister,
Die dich berückend in den Abgrund ziehn.
Trau ihnen nicht! Ich warne dich – O! kehre
Zurück zu deiner Pflicht. Gewiß! du kannsts!
Schick mich nach Wien. Ja, tue das. Laß mich,
Mich deinen Frieden machen mit dem Kaiser.
Er kennt dich nicht, ich aber kenne dich,
Er soll dich sehn mit meinem reinen Auge,
Und sein Vertrauen bring ich dir zurück.
WALLENSTEIN.
Es ist zu spät. Du weißt nicht, was geschehn.
MAX.
Und wärs zu spät – und wär es auch so weit,
Daß ein Verbrechen nur vom Fall dich rettet,
So falle! Falle würdig, wie du standst.
Verliere das Kommando. Geh vom Schauplatz.
Du kannsts mit Glanze, tus mit Unschuld auch.
– Du hast für andre viel gelebt, leb endlich
Einmal dir selber, ich begleite dich,
Mein Schicksal trenn ich nimmer von dem deinen –
WALLENSTEIN.
Es ist zu spät. Indem du deine Worte
Verlierst, ist schon ein Meilenzeiger nach dem andern
Zurückgelegt von meinen Eilenden,
Die mein Gebot nach Prag und Eger tragen.
– Ergib dich drein. Wir handeln, wie wir müssen.
So laß uns das Notwendige mit Würde,
Mit festem Schritte tun – Was tu ich Schlimmres,
Als jener Cäsar tat, des Name noch
Bis heut das Höchste in der Welt benennet?
Er führte wider Rom die Legionen,
Die Rom ihm zur Beschützung anvertraut.
Warf er das Schwert von sich, er war verloren,
Wie ich es wär, wenn ich entwaffnete.
Ich spüre was in mir von seinem Geist,
Gib mir sein Glück, das andre will ich tragen.
Max, der bisher in einem schmerzvollen Kampfe gestanden, geht schnell ab. Wallenstein sieht ihm verwundert und betroffen nach, und steht in tiefe Gedanken verloren.
Dritter Auftritt
Wallenstein. Terzky. Gleich darauf Illo.
TERZKY.
Max Piccolomini verließ dich eben?
WALLENSTEIN.
Wo ist der Wrangel?
TERZKY.
Fort ist er.
WALLENSTEIN.
So eilig?
TERZKY.
Es war, als ob die Erd ihn eingeschluckt.
Er war kaum von dir weg, als ich ihm nachging,
Ich hatt ihn noch zu sprechen, doch – weg war er,
Und niemand wußte mir von ihm zu sagen.
Ich glaub, es ist der Schwarze selbst gewesen,
Ein Mensch kann nicht auf einmal so verschwinden.
ILLO kommt.
Ists wahr, daß du den Alten willst verschicken?
TERZKY.
Wie? Den Octavio! Wo denkst du hin?
WALLENSTEIN.
Er geht nach Frauenberg, die spanischen
Und welschen Regimenter anzuführen.
TERZKY.
Das wolle Gott nicht, daß du das vollbringst!
ILLO.
Dem Falschen willst du Kriegsvolk anvertrauen?
Ihn aus den Augen lassen, grade jetzt,
In diesem Augenblicke der Entscheidung?
TERZKY.
Das wirst du nicht tun. Nein, um alles nicht!
WALLENSTEIN.
Seltsame Menschen seid ihr.
ILLO.
O! nur diesmal
Gib unsrer Warnung nach. Laß ihn nicht fort.
WALLENSTEIN.
Und warum soll ich ihm dies eine Mal
Nicht trauen, da ichs stets getan? Was ist geschehn,
Das ihn um meine gute Meinung brächte?
Aus eurer Grille, nicht der meinen, soll ich
Mein alt erprobtes Urteil von ihm ändern?
Denkt nicht, daß ich ein Weib sei. Weil ich ihm
Getraut bis heut, will ich auch heut ihm trauen.
TERZKY.
Muß es denn der just sein? Schick einen andern.
WALLENSTEIN.
Der muß es sein, den hab ich mir erlesen.
Er taugt zu dem Geschäft, drum gab ichs ihm.
ILLO.
Weil er ein Welscher ist, drum taugt er dir.
WALLENSTEIN.
Weiß wohl, ihr wart den beiden nie gewogen,
Weil ich sie achte, liebe, euch und andern
Vorziehe, sichtbarlich, wie sies verdienen,
Drum sind sie euch ein Dorn im Auge! Was
Geht euer Neid mich an und mein Geschäft?
Daß ihr sie haßt, das macht sie mir nicht schlechter.
Liebt oder haßt einander, wie ihr wollt,
Ich lasse jedem seinen Sinn und Neigung,
Weiß doch, was mir ein jeder von euch gilt.
ILLO.
Er geht nicht ab – müßt ich die Räder ihm am Wagen
Zerschmettern lassen.
WALLENSTEIN.
Mäßige dich, Illo!
TERZKY.
Der Questenberger, als er hier gewesen,
Hat stets zusammen auch gesteckt mit ihm.
WALLENSTEIN.
Geschah mit meinem Wissen und Erlaubnis.
TERZKY.
Und daß geheime Boten an ihn kommen
Vom Gallas, weiß ich auch.
WALLENSTEIN.
Das ist nicht wahr.
ILLO.
O! du bist blind mit deinen sehenden Augen!
WALLENSTEIN.
Du wirst mir meinen Glauben nicht erschüttern,
Der auf die tiefste Wissenschaft sich baut.
Lügt er, dann ist die ganze Sternkunst Lüge.
Denn wißt, ich hab ein Pfand vom Schicksal selbst,
Daß er der treuste ist von meinen Freunden.
ILLO.
Hast du auch eins, daß jenes Pfand nicht lüge?
WALLENSTEIN.
Es gibt im Menschenleben Augenblicke,
Wo er dem Weltgeist näher ist, als sonst,
Und eine Frage frei hat an das Schicksal.
Solch ein Moment wars, als ich in der Nacht,
Die vor der Lützner Aktion vorherging,
Gedankenvoll an einen Baum gelehnt,
Hinaussah in die Ebene. Die Feuer
Des Lagers brannten düster durch den Nebel,
Der Waffen dumpfes Rauschen unterbrach,
Der Runden Ruf einförmig nur die Stille.
Mein ganzes Leben ging, vergangenes
Und künftiges, in diesem Augenblick
An meinem inneren Gesicht vorüber,
Und an des nächsten Morgens Schicksal knüpfte
Der ahnungsvolle Geist die fernste Zukunft.
Da sagt ich also zu mir selbst: »So vielen
Gebietest du! Sie folgen deinen Sternen,
Und setzen, wie auf eine große Nummer,
Ihr Alles auf dein einzig Haupt, und sind
In deines Glückes Schiff mit dir gestiegen.
Doch kommen wird der Tag, wo diese alle
Das Schicksal wieder auseinanderstreut,
Nur wenge werden treu bei dir verharren.
Den möcht ich wissen, der der Treuste mir
Von allen ist, die dieses Lager einschließt.
Gib mir ein Zeichen, Schicksal! Der solls sein,
Der an dem nächsten Morgen mir zuerst
Entgegenkommt mit einem Liebeszeichen.«
Und dieses bei mir denkend, schlief ich ein.
Und mitten in die Schlacht ward ich geführt
Im Geist. Groß war der Drang. Mir tötete
Ein Schuß das Pferd, ich sank, und über mir
Hinweg, gleichgültig, setzten Roß und Reiter,
Und keuchend lag ich, wie ein Sterbender,
Zertreten unter ihrer Hufe Schlag.
Da faßte plötzlich hilfreich mich ein Arm,
Es war Octavios – und schnell erwach ich,
Tag war es, und – Octavio stand vor mir.
»Mein Bruder«, sprach er, »reite heute nicht
Den Schecken, wie du pflegst. Besteige lieber
Das sichre Tier, das ich dir ausgesucht.
Tus mir zu Lieb. Es warnte mich ein Traum.«
Und dieses Tieres Schnelligkeit entriß
Mich Banniers verfolgenden Dragonern.
Mein Vetter ritt den Schecken an dem Tag,
Und Roß und Reiter sah ich niemals wieder.
ILLO.
Das war ein Zufall.
WALLENSTEIN bedeutend.
Es gibt keinen Zufall;
Und was uns blindes Ohngefähr nur dünkt,
Gerade das steigt aus den tiefsten Quellen.
Versiegelt hab ichs und verbrieft, daß er
Mein guter Engel ist, und nun kein Wort mehr!
Er geht.
TERZKY.
Das ist mein Trost, der Max bleibt uns als Geisel.
ILLO.
Und der soll mir nicht lebend hier vom Platze.
WALLENSTEIN bleibt stehen und kehrt sich um.
Seid ihr nicht wie die Weiber, die beständig
Zurück nur kommen auf ihr erstes Wort,
Wenn man Vernunft gesprochen stundenlang!
– Des Menschen Taten und Gedanken, wißt!
Sind nicht wie Meeres blindbewegte Wellen.
Die innre Welt, sein Mikrokosmus, ist
Der tiefe Schacht, aus dem sie ewig quellen.
Sie sind notwendig, wie des Baumes Frucht,
Sie kann der Zufall gaukelnd nicht verwandeln.
Hab ich des Menschen Kern erst untersucht,
So weiß ich auch sein Wollen und sein Handeln.
Gehen ab.
Vierter Auftritt
Zimmer in Piccolominis Wohnung.
Octavio Piccolomini reisefertig. Ein Adjutant.
OCTAVIO.
Ist das Kommando da?
ADJUTANT.
Es wartet unten.
OCTAVIO.
Es sind doch sichre Leute, Adjutant?
Aus welchem Regimente nahmt Ihr sie?
ADJUTANT.
Von Tiefenbach.
OCTAVIO.
Dies Regiment ist treu.
Laßt sie im Hinterhof sich ruhighalten,
Sich niemand zeigen, bis Ihr klingeln hört,
Dann wird das Haus geschlossen, scharf bewacht,
Und jeder, den Ihr antrefft, bleibt verhaftet.
Adjutant ab.
Zwar hoff ich, es bedarf nicht ihres Dienstes,
Denn meines Kalkuls halt ich mich gewiß.
Doch es gilt Kaisers Dienst, das Spiel ist groß,
Und besser, zu viel Vorsicht, als zu wenig.
Fünfter Auftritt
Octavio Piccolomini.
1 comment