Ihr könnt

Ihn unauflöslich an den Vater binden.

THEKLA.

Brauchts dazu meiner? Ist er es nicht schon?

GRÄFIN.

Er wars.

THEKLA.

Und warum sollt ers nicht mehr sein,

Nicht immer bleiben?

GRÄFIN.

Auch am Kaiser hängt er.

THEKLA.

Nicht mehr, als Pflicht und Ehre von ihm fodern.

GRÄFIN.

Von seiner Liebe fodert man Beweise,

Und nicht von seiner Ehre – Pflicht und Ehre!

Das sind vieldeutig doppelsinnge Namen,

Ihr sollt sie ihm auslegen, seine Liebe

Soll seine Ehre ihm erklären.

THEKLA.

Wie?

GRÄFIN.

Er soll dem Kaiser oder Euch entsagen.

THEKLA.

Er wird den Vater gern in den Privatstand

Begleiten. Ihr vernahmt es von ihm selbst,

Wie sehr er wünscht, die Waffen wegzulegen.

GRÄFIN.

Er soll sie nicht weglegen, ist die Meinung,

Er soll sie für den Vater ziehn.

THEKLA.

Sein Blut,

Sein Leben wird er für den Vater freudig

Verwenden, wenn ihm Unglimpf widerführe.

GRÄFIN.

Ihr wollt mich nicht erraten – Nun so hört.

Der Vater ist vom Kaiser abgefallen,

Steht im Begriff, sich zu dem Feind zu schlagen,

Mitsamt dem ganzen Heer –

THEKLA.

O meine Mutter!

GRÄFIN.

Es braucht ein großes Beispiel, die Armee

Ihm nachzuziehn. Die Piccolomini

Stehn bei dem Heer in Ansehn, sie beherrschen

Die Meinung und entscheidend ist ihr Vorgang.

Des Vaters sind wir sicher durch den Sohn –

– Ihr habt jetzt viel in Eurer Hand.

THEKLA.

O jammervolle Mutter! Welcher Streich des Todes

Erwartet dich! – Sie wirds nicht überleben.

GRÄFIN.

Sie wird in das Notwendige sich fügen.

Ich kenne sie – Das Ferne, Künftige beängstigt

Ihr fürchtend Herz, was unabänderlich

Und wirklich da ist, trägt sie mit Ergebung.

THEKLA.

O meine ahnungsvolle Seele – Jetzt –

Jetzt ist sie da, die kalte Schreckenshand,

Die in mein fröhlich Hoffen schaudernd greift.

Ich wußt es wohl – O gleich, als ich hier eintrat,

Weissagte mirs das bange Vorgefühl,

Daß über mir die Unglückssterne stünden –

Doch warum denk ich jetzt zuerst an mich –

O meine Mutter! meine Mutter!

GRÄFIN.

Faßt Euch.

Brecht nicht in eitle Klagen aus. Erhaltet

Dem Vater einen Freund, Euch den Geliebten,

So kann noch alles gut und glücklich werden.

THEKLA.

Gut werden! Was? Wir sind getrennt auf immer! –

Ach, davon ist nun gar nicht mehr die Rede.

GRÄFIN.

Er läßt Euch nicht! Er kann nicht von Euch lassen.

THEKLA.

O der Unglückliche!

GRÄFIN.

Wenn er Euch wirklich liebt, wird sein Entschluß

Geschwind gefaßt sein.

THEKLA.

Sein Entschluß wird bald

Gefaßt sein, daran zweifelt nicht. Entschluß!

Ist hier noch ein Entschluß?

GRÄFIN.

Faßt Euch. Ich höre

Die Mutter nahn.

THEKLA.

Wie werd ich ihren Anblick

Ertragen!

GRÄFIN.

Faßt Euch.

 

 

Dritter Auftritt

Die Herzogin. Vorige.

 

HERZOGIN zur Gräfin.

Schwester! Wer war hier?

Ich hörte lebhaft reden.

GRÄFIN.

Es war niemand.

HERZOGIN.

Ich bin so schreckhaft. Jedes Rauschen kündigt mir

Den Fußtritt eines Unglücksboten an.

Könnt Ihr mir sagen, Schwester, wie es steht?

Wird er dem Kaiser seinen Willen tun,

Dem Kardinal die Reiter senden? Sprecht,

Hat er den Questenberg mit einer guten

Antwort entlassen?

GRÄFIN.

– Nein, das hat er nicht.

HERZOGIN.

O dann ists aus! Ich seh das Ärgste kommen.

Sie werden ihn absetzen, es wird alles wieder

So werden, wie zu Regenspurg.

GRÄFIN.

So wirds

Nicht werden. Diesmal nicht. Dafür seid ruhig.

 

Thekla, heftig bewegt, stürzt auf die Mutter zu und schließt sie weinend in die Arme.

 

HERZOGIN.

O der unbeugsam unbezähmte Mann!

Was hab ich nicht getragen und gelitten

In dieser Ehe unglücksvollem Bund;

Denn gleich wie an ein feurig Rad gefesselt,

Das rastlos eilend, ewig, heftig, treibt,

Bracht ich ein angstvoll Leben mit ihm zu,

Und stets an eines Abgrunds jähem Rande

Sturzdrohend, schwindelnd riß er mich dahin.

– Nein, weine nicht, mein Kind. Laß dir mein Leiden

Zu keiner bösen Vorbedeutung werden,

Den Stand, der dich erwartet, nicht verleiden.

Es lebt kein zweiter Friedland, du, mein Kind,

Hast deiner Mutter Schicksal nicht zu fürchten.

THEKLA.

O lassen Sie uns fliehen, liebe Mutter!

Schnell! Schnell! Hier ist kein Aufenthalt für uns.

Jedwede nächste Stunde brütet irgend

Ein neues, ungeheures Schreckbild aus!

HERZOGIN.

Dir wird ein ruhigeres Los! – Auch wir,

Ich und dein Vater, sahen schöne Tage,

Der ersten Jahre denk ich noch mit Lust.

Da war er noch der fröhlich Strebende,

Sein Ehrgeiz war ein mild erwärmend Feuer,

Noch nicht die Flamme, die verzehrend rast.

Der Kaiser liebte ihn, vertraute ihm,

Und was er anfing, das mußt ihm geraten.

Doch seit dem Unglückstag zu Regenspurg,

Der ihn von seiner Höh herunter stürzte,

Ist ein unsteter, ungesellger Geist

Argwöhnisch, finster, über ihn gekommen.

Ihn floh die Ruhe, und dem alten Glück,

Der eignen Kraft nicht fröhlich mehr vertrauend

Wandt er sein Herz den dunkeln Künsten zu,

Die keinen, der sie pflegte, noch beglückt.

GRÄFIN.

Ihr sehts mit Euren Augen – Aber ist

Das ein Gespräch, womit wir ihn erwarten?

Er wird bald hier sein, wißt Ihr. Soll er sie

In diesem Zustand finden?

HERZOGIN.

Komm, mein Kind.

Wisch deine Tränen ab. Zeig deinem Vater

Ein heitres Antlitz – Sieh, die Schleife hier

Ist los – Dies Haar muß aufgebunden werden.

Komm, trockne deine Tränen. Sie entstellen

Dein holdes Auge – Was ich sagen wollte?

Ja, dieser Piccolomini ist doch

Ein würdger Edelmann und voll Verdienst.

GRÄFIN.

Das ist er, Schwester.

THEKLA zur Gräfin beängstigt.

Tante, wollt Ihr mich

Entschuldigen?

 

Will gehen.

 

GRÄFIN.

Wohin? der Vater kommt.

THEKLA.

Ich kann ihn jetzt nicht sehn.

GRÄFIN.

Er wird Euch aber

Vermissen, nach Euch fragen.

HERZOGIN.

Warum geht sie?

THEKLA.

Es ist mir unerträglich, ihn zu sehn.

GRÄFIN zur Herzogin.

Ihr ist nicht wohl.

HERZOGIN besorgt.

Was fehlt dem lieben Kinde?

 

Beide folgen dem Fräulein und sind beschäftigt, sie zurückzuhalten. Wallenstein erscheint, im Gespräch mit Illo.

 

 

Vierter Auftritt

Wallenstein. Illo. Vorige.

 

WALLENSTEIN.

Es ist noch still im Lager?

ILLO.

Alles still.

WALLENSTEIN.

In wenig Stunden kann die Nachricht dasein

Aus Prag, daß diese Hauptstadt unser ist.

Dann können wir die Maske von uns werfen,

Den hiesigen Truppen den getanen Schritt

Zugleich mit dem Erfolg zu wissen tun.

In solchen Fällen tut das Beispiel alles.

Der Mensch ist ein nachahmendes Geschöpf,

Und wer der Vorderste ist, führt die Herde.

Die Prager Truppen wissen es nicht anders,

Als daß die Pilsner Völker uns gehuldigt,

Und hier in Pilsen sollen sie uns schwören,

Weil man zu Prag das Beispiel hat gegeben.

– Der Buttler, sagst du, hat sich nun erklärt?

ILLO.

Aus freiem Trieb, unaufgefodert kam er,

Sich selbst, sein Regiment dir anzubieten.

WALLENSTEIN.

Nicht jeder Stimme, find ich, ist zu glauben,

Die warnend sich im Herzen läßt vernehmen.

Uns zu berücken, borgt der Lügengeist

Nachahmend oft die Stimme von der Wahrheit

Und streut betrügliche Orakel aus.

So hab ich diesem würdig braven Mann,

Dem Buttler, stilles Unrecht abzubitten,

Denn ein Gefühl, des ich nicht Meister bin,

Furcht möcht ichs nicht gern nennen, überschleicht

In seiner Nähe schaudernd mir die Sinne,

Und hemmt der Liebe freudige Bewegung.

Und dieser Redliche, vor dem der Geist

Mich warnt, reicht mir das erste Pfand des Glücks.

ILLO.

Und sein geachtet Beispiel, zweifle nicht,

Wird dir die Besten in dem Heer gewinnen.

WALLENSTEIN.

Jetzt geh und schick mir gleich den Isolan

Hieher, ich hab ihn mir noch jüngst verpflichtet.

Mit ihm will ich den Anfang machen. Geh!

ILLO geht hinaus, unterdessen sind die übrigen wieder vorwärtsgekommen.

WALLENSTEIN.

Sieh da, die Mutter mit der lieben Tochter!

Wir wollen einmal von Geschäften ruhn –

Kommt! Mich verlangte, eine heitre Stunde

Im lieben Kreis der Meinen zu verleben.

GRÄFIN.

Wir waren lang nicht so beisammen, Bruder.

WALLENSTEIN beiseite zur Gräfin.

Kann sies vernehmen? Ist sie vorbereitet?

GRÄFIN.

Noch nicht.

WALLENSTEIN.

Komm her, mein Mädchen. Setz dich zu mir.

Es ist ein guter Geist auf deinen Lippen,

Die Mutter hat mir deine Fertigkeit

Gepriesen, es soll eine zarte Stimme

Des Wohllauts in dir wohnen, die die Seele

Bezaubert.