Eine solche Stimme brauch

Ich jetzt, den bösen Dämon zu vertreiben,

Der um mein Haupt die schwarzen Flügel schlägt.

HERZOGIN.

Wo hast du deine Zither, Thekla? Komm.

Laß deinem Vater eine Probe hören

Von deiner Kunst.

THEKLA.

O meine Mutter! Gott!

HERZOGIN.

Komm, Thekla, und erfreue deinen Vater.

THEKLA.

Ich kann nicht, Mutter –

GRÄFIN.

Wie? Was ist das, Nichte!

THEKLA zur Gräfin.

Verschont mich – Singen – jetzt – in dieser Angst

Der schwer beladnen Seele – vor ihm singen –

Der meine Mutter stürzt ins Grab!

HERZOGIN.

Wie, Thekla, Launen? Soll dein gütger Vater

Vergeblich einen Wunsch geäußert haben?

GRÄFIN.

Hier ist die Zither.

THEKLA.

O mein Gott – wie kann ich –

 

Hält das Instrument mit zitternder Hand, ihre Seele arbeitet im heftigsten Kampf, und im Augenblick, da sie anfangen soll zu singen, schaudert sie zusammen, wirft das Instrument weg und geht schnell ab.

 

HERZOGIN.

Mein Kind – o sie ist krank!

WALLENSTEIN.

Was ist dem Mädchen? Pflegt sie so zu sein?

GRÄFIN.

Nun weil sie es denn selbst verrät, so will

Auch ich nicht länger schweigen.

WALLENSTEIN.

Wie?

GRÄFIN.

Sie liebt ihn.

WALLENSTEIN.

Liebt! Wen?

GRÄFIN.

Den Piccolomini liebt sie.

Hast du es nicht bemerkt? Die Schwester auch nicht?

HERZOGIN.

O war es dies, was ihr das Herz beklemmte!

Gott segne dich, mein Kind! Du darfst

Dich deiner Wahl nicht schämen.

GRÄFIN.

Diese Reise –

Wenns deine Absicht nicht gewesen, schreibs

Dir selber zu. Du hättest einen andern

Begleiter wählen sollen!

WALLENSTEIN.

Weiß ers?

GRÄFIN.

Er hofft sie zu besitzen.

WALLENSTEIN.

Hofft

Sie zu besitzen – Ist der Junge toll?

GRÄFIN.

Nun mag sies selber hören!

WALLENSTEIN.

Die Friedländerin

Denkt er davonzutragen? Nun! Der Einfall

Gefällt mir! Die Gedanken stehen ihm nicht niedrig.

GRÄFIN.

Weil du so viele Gunst ihm stets bezeugt,

So –

WALLENSTEIN.

– Will er mich auch endlich noch beerben.

Nun ja! Ich lieb ihn, halt ihn wert, was aber

Hat das mit meiner Tochter Hand zu schaffen?

Sind es die Töchter, sinds die einzgen Kinder,

Womit man seine Gunst bezeugt?

HERZOGIN.

Sein adeliger Sinn und seine Sitten –

WALLENSTEIN.

Erwerben ihm mein Herz, nicht meine Tochter.

HERZOGIN.

Sein Stand und seine Ahnen –

WALLENSTEIN.

Ahnen! Was!

Er ist ein Untertan, und meinen Eidam

Will ich mir auf Europens Thronen suchen.

HERZOGIN.

O lieber Herzog! Streben wir nicht allzuhoch

Hinauf, daß wir zu tief nicht fallen mögen.

WALLENSTEIN.

Ließ ich mirs soviel kosten, in die Höh

Zu kommen, über die gemeinen Häupter

Der Menschen wegzuragen, um zuletzt

Die große Lebensrolle mit gemeiner

Verwandtschaft zu beschließen? – Hab ich darum –

 

Plötzlich hält er inne, sich fassend.

 

Sie ist das Einzige, was von mir nachbleibt

Auf Erden, eine Krone will ich sehn

Auf ihrem Haupte, oder will nicht leben.

Was? Alles – Alles! setz ich dran, um sie

Recht groß zu machen – ja in der Minute,

Worin wir sprechen –

 

Er besinnt sich.

 

Und ich sollte nun

Wie ein weichherzger Vater, was sich gern hat

Und liebt, fein bürgerlich zusammengeben?

Und jetzt soll ich das tun, jetzt eben, da ich

Auf mein vollendet Werk den Kranz will setzen –

Nein, sie ist mir ein langgespartes Kleinod,

Die höchste, letzte Münze meines Schatzes,

Nicht niedriger fürwahr gedenk ich sie

Als um ein Königsszepter loszuschlagen –

HERZOGIN.

O mein Gemahl! Sie bauen immer, bauen

Bis in die Wolken, bauen fort und fort

Und denken nicht dran, daß der schmale Grund

Das schwindelnd schwanke Werk nicht tragen kann.

WALLENSTEIN zur Gräfin.

Hast du ihr angekündigt, welchen Wohnsitz

Ich ihr bestimmt?

GRÄFIN.

Noch nicht. Entdeckts ihr selbst.

HERZOGIN.

Wie? Gehen wir nach Kärnten nicht zurück?

WALLENSTEIN.

Nein.

HERZOGIN.

Oder sonst auf keines Ihrer Güter?

WALLENSTEIN.

Sie würden dort nicht sicher sein.

HERZOGIN.

Nicht sicher

In Kaisers Landen, unter Kaisers Schutz?

WALLENSTEIN.

Den hat des Friedlands Gattin nicht zu hoffen.

HERZOGIN.

O Gott, bis dahin haben Sies gebracht!

WALLENSTEIN.

In Holland werden Sie Schutz finden

HERZOGIN.

Was?

Sie senden uns in lutherische Länder?

WALLENSTEIN.

Der Herzog Franz von Lauenburg wird Ihr

Geleitsmann dahin sein.

HERZOGIN.

Der Lauenburger?

Ders mit dem Schweden hält, des Kaisers Feind?

WALLENSTEIN.

Des Kaisers Feinde sind die meinen nicht mehr.

HERZOGIN sieht den Herzog und die Gräfin schreckensvoll an.

Ists also wahr? Es ist? Sie sind gestürzt?

Sind vom Kommando abgesetzt? O Gott

Im Himmel!

GRÄFIN seitwärts zum Herzog.

Lassen wir sie bei dem Glauben.

Du siehst, daß sie die Wahrheit nicht ertrüge.

 

 

Fünfter Auftritt

Graf Terzky. Vorige.

 

GRÄFIN.

Terzky! Was ist ihm? Welches Bild des Schreckens!

Als hätt er ein Gespenst gesehn!

TERZKY Wallenstein beiseiteführend, heimlich.

Ists dein Befehl, daß die Kroaten reiten?

WALLENSTEIN.

Ich weiß von nichts.

TERZKY.

Wir sind verraten!

WALLENSTEIN.

Was?

TERZKY.

Sie sind davon, heut Nacht, die Jäger auch,

Leer stehen alle Dörfer in der Runde.

WALLENSTEIN.

Und Isolan?

TERZKY.

Den hast du ja verschickt.

WALLENSTEIN.

Ich?

TERZKY.

Nicht? Du hast ihn nicht verschickt? Auch nicht

Den Deodat? Sie sind verschwunden beide.

 

 

Sechster Auftritt

Illo. Vorige.

 

ILLO.

Hat dir der Terzky –

TERZKY.

Er weiß alles.

ILLO.

Auch daß Maradas, Esterhazy, Götz,

Colalto, Kaunitz dich verlassen? –

TERZKY.

Teufel!

WALLENSTEIN winkt.

Still!

GRÄFIN hat sie von weitem ängstlich beobachtet, tritt hinzu.

Terzky! Gott! Was gibts? Was ist geschehen?

WALLENSTEIN im Begriff aufzubrechen.

Nichts! Laßt uns gehen.

TERZKY will ihm folgen.

Es ist nichts, Therese.

GRÄFIN hält ihn.

Nichts? Seh ich nicht, daß alles Lebensblut

Aus euren geisterbleichen Wangen wich,

Daß selbst der Bruder Fassung nur erkünstelt?

PAGE kommt.

Ein Adjutant fragt nach dem Grafen Terzky.

 

Ab. Terzky folgt dem Pagen.

 

WALLENSTEIN.

Hör, was er bringt –

 

Zu Illo.

 

Das konnte nicht so heimlich

Geschehen ohne Meuterei – Wer hat

Die Wache an den Toren?

ILLO.

Tiefenbach.

WALLENSTEIN.

Laß Tiefenbach ablösen unverzüglich,

Und Terzkys Grenadiere aufziehn – Höre!

Hast du von Buttlern Kundschaft?

ILLO.

Buttlern traf ich.

Gleich ist er selber hier. Der hält dir fest.

 

Illo geht. Wallenstein will ihm folgen.

 

GRÄFIN.

Laß ihn nicht von dir, Schwester! Halt ihn auf –

Es ist ein Unglück –

HERZOGIN.

Großer Gott! Was ists?

 

Hängt sich an ihn.

 

WALLENSTEIN erwehrt sich ihrer.

Seid ruhig! Laßt mich! Schwester! liebes Weib,

Wir sind im Lager! Da ists nun nicht anders,

Da wechseln Sturm und Sonnenschein geschwind,

Schwer lenken sich die heftigen Gemüter,

Und Ruhe nie beglückt des Führers Haupt –

Wenn ich soll bleiben, geht! Denn übel stimmt

Der Weiber Klage zu dem Tun der Männer.

 

Er will gehn, Terzky kömmt zurück.

 

TERZKY.

Bleib hier. Von diesem Fenster muß mans sehn.

WALLENSTEIN zur Gräfin.

Geht, Schwester!

GRÄFIN.

Nimmermehr!

WALLENSTEIN.

Ich wills.

TERZKY führt sie beiseite, mit einem bedeutenden Wink auf die Herzogin.

Therese!

HERZOGIN.

Komm, Schwester, weil er es befiehlt.

 

Gehen ab.

 

Siebenter Auftritt

Wallenstein. Graf Terzky.

 

WALLENSTEIN ans Fenster tretend.

Was gibts denn?

TERZKY.

Es ist ein Rennen und Zusammenlaufen

Bei allen Truppen. Niemand weiß die Ursach,

Geheimnisvoll, mit einer finstern Stille,

Stellt jedes Korps sich unter seine Fahnen,

Die Tiefenbacher machen böse Mienen,

Nur die Wallonen stehen abgesondert

In ihrem Lager, lassen niemand zu,

Und halten sich gesetzt, so wie sie pflegen.

WALLENSTEIN.

Zeigt Piccolomini sich unter ihnen?

TERZKY.

Man sucht ihn, er ist nirgends anzutreffen.

WALLENSTEIN.

Was überbrachte denn der Adjutant?

TERZKY.

Ihn schickten meine Regimenter ab,

Sie schwören nochmals Treue dir, erwarten

Voll Kriegeslust den Aufruf zum Gefechte.

WALLENSTEIN.

Wie aber kam der Lärmen in das Lager?

Es sollte ja dem Heer verschwiegen bleiben,

Bis sich zu Prag das Glück für uns entschieden.

TERZKY.

O daß du mir geglaubt! Noch gestern Abends

Beschwuren wir dich, den Octavio,

Den Schleicher, aus den Toren nicht zu lassen,

Du gabst die Pferde selber ihm zur Flucht –

WALLENSTEIN.

Das alte Lied! Einmal für allemal,

Nichts mehr von diesem törichten Verdacht.

TERZKY.

Dem Isolani hast du auch getraut,

Und war der erste doch, der dich verließ.

WALLENSTEIN.

Ich zog ihn gestern erst aus seinem Elend.

Fahr hin! Ich hab auf Dank ja nie gerechnet.

TERZKY.

Und so sind alle, einer wie der andre.

WALLENSTEIN.

Und tut er unrecht, daß er von mir geht?

Er folgt dem Gott, dem er sein Leben lang

Am Spieltisch hat gedient. Mit meinem Glücke

Schloß er den Bund und bricht ihn, nicht mit mir.

War ich ihm was, er mir? Das Schiff nur bin ich,

Auf das er seine Hoffnung hat geladen,

Mit dem er wohlgemut das freie Meer

Durchsegelte, er sieht es über Klippen

Gefährlich gehn und rettet schnell die Ware.

Leicht wie der Vogel von dem wirtbarn Zweige,

Wo er genistet, fliegt er von mir auf,

Kein menschlich Band ist unter uns zerrissen.

Ja der verdient, betrogen sich zu sehn,

Der Herz gesucht bei dem Gedankenlosen!

Mit schnell verlöschten Zügen schreiben sich

Des Lebens Bilder auf die glatte Stirne,

Nichts fällt in eines Busens stillen Grund,

Ein muntrer Sinn bewegt die leichten Säfte,

Doch keine Seele wärmt das Eingeweide.

TERZKY.

Doch möcht ich mich den glatten Stirnen lieber

Als jenen tiefgefurchten anvertrauen.

 

 

Achter Auftritt

Wallenstein. Terzky. Illo kommt wütend.

 

ILLO.

Verrat und Meuterei!

TERZKY.

Ha! was nun wieder?

ILLO.

Die Tiefenbacher, als ich die Ordre gab

Sie abzulösen – Pflichtvergeßne Schelmen!

TERZKY.

Nun?

WALLENSTEIN.

Was denn?

ILLO.

Sie verweigern den Gehorsam.

TERZKY.

So laß sie niederschießen! O gib Ordre!

WALLENSTEIN.

Gelassen! Welche Ursach geben sie?

ILLO.

Kein andrer sonst hab ihnen zu befehlen,

Als Generalleutnant Piccolomini.

WALLENSTEIN.

Was – Wie ist das?

ILLO.

So hab ers hinterlassen,

Und eigenhändig vorgezeigt vom Kaiser.

TERZKY.

Vom Kaiser – Hörst dus, Fürst!

ILLO.

Auf seinen Antrieb

Sind gestern auch die Obersten entwichen.

TERZKY.

Hörst dus!

ILLO.

Auch Montecuculi, Caraffa,

Und noch sechs andre Generale werden

Vermißt, die er beredt hat, ihm zu folgen.

Das hab er alles schon seit lange schriftlich

Bei sich gehabt vom Kaiser, und noch jüngst

Erst abgeredet mit dem Questenberger.

 

Wallenstein sinkt auf einen Stuhl und verhüllt sich das Gesicht.

 

TERZKY.

O hättest du mir doch geglaubt!

 

 

Neunter Auftritt

Gräfin. Vorige.

 

GRÄFIN.

Ich kann die Angst – ich kanns nicht länger tragen,

Um Gotteswillen, sagt mir, was es ist.

ILLO.

Die Regimenter fallen von uns ab.

Graf Piccolomini ist ein Verräter.

GRÄFIN.

O meine Ahnung!

 

Stürzt aus dem Zimmer.

 

TERZKY.

Hätt man mir geglaubt!

Da siehst dus, wie die Sterne dir gelogen!

WALLENSTEIN richtet sich auf.

Die Sterne lügen nicht, das aber ist

Geschehen wider Sternenlauf und Schicksal.

Die Kunst ist redlich, doch dies falsche Herz

Bringt Lug und Trug in den wahrhaftgen Himmel.

Nur auf der Wahrheit ruht die Wahrsagung,

Wo die Natur aus ihren Grenzen wanket,

Da irret alle Wissenschaft. War es

Ein Aberglaube, menschliche Gestalt

Durch keinen solchen Argwohn zu entehren,

O nimmer schäm ich dieser Schwachheit mich!

Religion ist in der Tiere Trieb,

Es trinkt der Wilde selbst nicht mit dem Opfer,

Dem er das Schwert will in den Busen stoßen.

Das war kein Heldenstück, Octavio!

Nicht deine Klugheit siegte über meine,

Dein schlechtes Herz hat über mein gerades

Den schändlichen Triumph davongetragen.

Kein Schild fing deinen Mordstreich auf, du führtest

Ihn ruchlos auf die unbeschützte Brust,

Ein Kind nur bin ich gegen solche Waffen.

 

 

Zehnter Auftritt

Vorige. Buttler.

 

TERZKY.

O sieh da! Buttler! Das ist noch ein Freund!

WALLENSTEIN geht ihm mit ausgebreiteten Armen entgegen und umfaßt ihn mit Herzlichkeit.

Komm an mein Herz, du alter Kriegsgefährt!

So wohl tut nicht der Sonne Blick im Lenz,

Als Freundes Angesicht in solcher Stunde.

BUTTLER.

Mein General – Ich komme –

WALLENSTEIN sich auf seine Schultern lehnend.

Weißt dus schon?

Der Alte hat dem Kaiser mich verraten.

Was sagst du? Dreißig Jahre haben wir

Zusammen ausgelebt und ausgehalten.

In einem Feldbett haben wir geschlafen,

Aus einem Glas getrunken, einen Bissen

Geteilt, ich stützte mich auf ihn, wie ich

Auf deine treue Schulter jetzt mich stütze,

Und in dem Augenblick, da liebevoll

Vertrauend meine Brust an seiner schlägt,

Ersieht er sich den Vorteil, sticht das Messer

Mir listig lauernd, langsam, in das Herz!

 

Er verbirgt das Gesicht an Buttlers Brust.

 

BUTTLER.

Vergeßt den Falschen. Sagt, was wollt Ihr tun?

WALLENSTEIN.

Wohl, wohl gesprochen. Fahre hin! Ich bin

Noch immer reich an Freunden, bin ich nicht?

Das Schicksal liebt mich noch, denn eben jetzt,

Da es des Heuchlers Tücke mir entlarvt,

Hat es ein treues Herz mir zugesendet.

Nichts mehr von ihm.