Ich hab nicht einmal deine Handschrift.
WALLENSTEIN.
Ich geb nichts Schriftliches von mir, du weißts.
TERZKY.
Woran erkennt man aber deinen Ernst,
Wenn auf das Wort die Tat nicht folgt? Sag selbst,
Was du bisher verhandelt mit dem Feind,
Hätt alles auch recht gut geschehn sein können,
Wenn du nichts mehr damit gewollt, als ihn
Zum besten haben.
WALLENSTEIN nach einer Pause, indem er ihn scharf ansieht.
Und woher weißt du, daß ich ihn nicht wirklich
Zum besten habe? Daß ich nicht euch alle
Zum besten habe? Kennst du mich so gut?
Ich wüßte nicht, daß ich mein Innerstes
Dir aufgetan – Der Kaiser, es ist wahr,
Hat übel mich behandelt! – Wenn ich wollte,
Ich könnt ihm recht viel Böses dafür tun.
Es macht mir Freude, meine Macht zu kennen;
Ob ich sie wirklich brauchen werde, davon, denk ich,
Weißt du nicht mehr zu sagen als ein andrer.
TERZKY.
So hast du stets dein Spiel mit uns getrieben!
Sechster Auftritt
Illo zu den Vorigen.
WALLENSTEIN.
Wie steht es draußen? Sind sie vorbereitet?
ILLO.
Du findest sie in der Stimmung, wie du wünschest.
Sie wissen um des Kaisers Foderungen
Und toben.
WALLENSTEIN.
Wie erklärt sich Isolan?
ILLO.
Der ist mit Leib und Seele dein, seitdem du
Die Pharobank ihm wieder aufgerichtet.
WALLENSTEIN.
Wie nimmt sich der Colalto? Hast du dich
Des Deodat und Tiefenbach versichert?
ILLO.
Was Piccolomini tut, das tun sie auch.
WALLENSTEIN.
So, meinst du, kann ich was mit ihnen wagen?
ILLO.
– Wenn du der Piccolomini gewiß bist.
WALLENSTEIN.
Wie meiner selbst. Die lassen nie von mir.
TERZKY.
Doch wollt ich, daß du dem Octavio,
Dem Fuchs, nicht so viel trautest.
WALLENSTEIN.
Lehre du
Mich meine Leute kennen. Sechzehnmal
Bin ich zu Feld gezogen mit dem Alten,
– Zudem – ich hab sein Horoskop gestellt,
Wir sind geboren unter gleichen Sternen –
Und kurz –
Geheimnisvoll.
Es hat damit sein eigenes Bewenden.
Wenn du mir also gutsagst für die andern –
ILLO.
Es ist nur eine Stimme unter allen:
Du dürfst das Regiment nicht niederlegen.
Sie werden an dich deputieren, hör ich.
WALLENSTEIN.
Wenn ich mich gegen sie verpflichten soll,
So müssen sies auch gegen mich.
ILLO.
Versteht sich.
WALLENSTEIN.
Parole müssen sie mir geben, eidlich, schriftlich,
Sich meinem Dienst zu weihen, unbedingt.
ILLO.
Warum nicht?
TERZKY.
Unbedingt? Des Kaisers Dienst,
Die Pflichten gegen Östreich werden sie
Sich immer vorbehalten.
WALLENSTEIN den Kopf schüttelnd.
Unbedingt
Muß ich sie haben. Nichts von Vorbehalt!
ILLO.
Ich habe einen Einfall – Gibt uns nicht
Graf Terzky ein Bankett heut abend?
TERZKY.
Ja,
Und alle Generale sind geladen.
ILLO zum Wallenstein.
Sag! Willst du völlig freie Hand mir lassen?
Ich schaffe dir das Wort der Generale,
So wie dus wünschest.
WALLENSTEIN.
Schaff mir ihre Handschrift.
Wie du dazu gelangen magst, ist deine Sache.
ILLO.
Und wenn ich dirs nun bringe, schwarz auf weiß,
Daß alle Chefs, die hier zugegen sind,
Dir blind sich überliefern – Willst du dann
Ernst machen endlich, mit beherzter Tat
Das Glück versuchen?
WALLENSTEIN.
Schaff mir die Verschreibung!
ILLO.
Bedenke, was du tust! Du kannst des Kaisers
Begehren nicht erfüllen – kannst das Heer
Nicht schwächen lassen – nicht die Regimenter
Zum Spanier stoßen lassen, willst du nicht
Die Macht auf ewig aus den Händen geben.
Bedenk das andre auch! Du kannst des Kaisers
Befehl und ernste Ordre nicht verhöhnen,
Nicht länger Ausflucht suchen, temporisieren,
Willst du nicht förmlich brechen mit dem Hof.
Entschließ dich! Willst du mit entschloßner Tat
Zuvor ihm kommen? Willst du, ferner zögernd,
Das Äußerste erwarten?
WALLENSTEIN.
Das geziemt sich,
Eh man das Äußerste beschließt!
ILLO.
O! nimm der Stunde wahr, eh sie entschlüpft.
So selten kommt der Augenblick im Leben,
Der wahrhaftig wichtig ist und groß. Wo eine
Entscheidung soll geschehen, da muß vieles
Sich glücklich treffen und zusammenfinden, –
Und einzeln nur, zerstreuet zeigen sich
Des Glückes Fäden, die Gelegenheiten,
Die nur in einen Lebenspunkt zusammen
Gedrängt, den schweren Früchteknoten bilden.
Sieh! Wie entscheidend, wie verhängnisvoll
Sichs jetzt um dich zusammenzieht! – Die Häupter
Des Heers, die besten, trefflichsten, um dich,
Den königlichen Führer, her versammelt,
Nur deinen Wink erwarten sie – O! laß
Sie so nicht wieder auseinandergehen!
So einig führst du sie im ganzen Lauf
Des Krieges nicht zum zweitenmal zusammen.
Die hohe Flut ists, die das schwere Schiff
Vom Strande hebt – Und jedem einzelnen
Wächst das Gemüt im großen Strom der Menge.
Jetzt hast du sie, jetzt noch! Bald sprengt der Krieg
Sie wieder auseinander, dahin, dorthin –
In eignen kleinen Sorgen und Intressen
Zerstreut sich der gemeine Geist. Wer heute,
Vom Strome fortgerissen, sich vergißt,
Wird nüchtern werden, sieht er sich allein,
Nur seine Ohnmacht fühlen und geschwind
Umlenken in die alte, breitgetretne
Fahrstraße der gemeinen Pflicht, nur wohl-
Behalten unter Dach zu kommen suchen.
WALLENSTEIN.
Die Zeit ist noch nicht da.
TERZKY.
So sagst du immer.
Wann aber wird es Zeit sein?
WALLENSTEIN.
Wenn ichs sage.
ILLO.
O! du wirst auf die Sternenstunde warten,
Bis dir die irdische entflieht! Glaub mir,
In deiner Brust sind deines Schicksals Sterne.
Vertrauen zu dir selbst, Entschlossenheit
Ist deine Venus! Der Maleficus,
Der einzge, der dir schadet, ist der Zweifel.
WALLENSTEIN.
Du redst, wie dus verstehst. Wie oft und vielmals
Erklärt ich dirs! – Dir stieg der Jupiter
Hinab bei der Geburt, der helle Gott;
Du kannst in die Geheimnisse nicht schauen.
Nur in der Erde magst du finster wühlen,
Blind, wie der Unterirdische, der mit dem bleichen
Bleifarbnen Schein ins Leben dir geleuchtet.
Das Irdische, Gemeine magst du sehn,
Das Nächste mit dem Nächsten klug verknüpfen;
Darin vertrau ich dir und glaube dir.
Doch, was geheimnisvoll bedeutend webt
Und bildet in den Tiefen der Natur, –
Die Geisterleiter, die aus dieser Welt des Staubes
Bis in die Sternenwelt, mit tausend Sprossen,
Hinauf sich baut, an der die himmlischen
Gewalten wirkend auf und nieder wandeln,
– Die Kreise in den Kreisen, die sich eng
Und enger ziehn um die zentralische Sonne –
Die sieht das Aug nur, das entsiegelte,
Der hellgebornen, heitern Joviskinder.
Nachdem er einen Gang durch den Saal gemacht, bleibt er stehen und fährt fort.
Die himmlischen Gestirne machen nicht
Bloß Tag und Nacht, Frühling und Sommer- nicht
Dem Sämann bloß bezeichnen sie die Zeiten
Der Aussaat und der Ernte. Auch des Menschen Tun
Ist eine Aussaat von Verhängnissen,
Gestreuet in der Zukunft dunkles Land,
Den Schicksalsmächten hoffend übergeben.
Da tut es not, die Saatzeit zu erkunden,
Die rechte Sternenstunde auszulesen,
Des Himmels Häuser forschend zu durchspüren,
Ob nicht der Feind des Wachsens und Gedeihens
In seinen Ecken schadend sich verberge.
Drum laßt mir Zeit. Tut ihr indes das Eure.
Ich kann jetzt noch nicht sagen, was ich tun will.
Nachgeben aber werd ich nicht. Ich nicht!
Absetzen sollen sie mich auch nicht – Darauf
Verlaßt euch.
KAMMERDIENER kommt.
Die Herrn Generale.
WALLENSTEIN.
Laß sie kommen.
TERZKY.
Willst du, daß alle Chefs zugegen seien?
WALLENSTEIN.
Das brauchts nicht. Beide Piccolomini,
Maradas, Buttler, Forgatsch, Deodat,
Caraffa, Isolani mögen kommen.
TERZKY geht hinaus mit dem Kammerdiener.
WALLENSTEIN zu Illo.
Hast du den Questenberg bewachen lassen?
Sprach er nicht einge in geheim?
ILLO.
Ich hab ihn scharf bewacht. Er war mit niemand
Als dem Octavio.
Siebenter Auftritt
Vorige. Questenberg, beide Piccolomini, Buttler, Isolani, Maradas und noch drei andere Generale treten herein. Auf den Wink des Generals nimmt Questenberg ihm gerad gegenüber Platz, die andern folgen nach ihrem Range. Es herrscht eine augenblickliche Stille.
WALLENSTEIN.
Ich hab den Inhalt Ihrer Sendung zwar
Vernommen, Questenberg, und wohl erwogen,
Auch meinen Schluß gefaßt, den nichts mehr ändert.
Doch, es gebührt sich, daß die Kommandeurs
Aus Ihrem Mund des Kaisers Willen hören –
Gefall es Ihnen denn, sich Ihres Auftrags
Vor diesen edeln Häuptern zu entledigen.
QUESTENBERG.
Ich bin bereit, doch bitt ich zu bedenken,
Daß kaiserliche Herrschgewalt und Würde
Aus meinem Munde spricht, nicht eigne Kühnheit.
WALLENSTEIN.
Den Eingang spart.
QUESTENBERG.
Als Seine Majestät
Der Kaiser ihren mutigen Armeen
Ein ruhmgekröntes, kriegserfahrnes Haupt
Geschenkt in der Person des Herzogs Friedland,
Geschahs in froher Zuversicht, das Glück
Des Krieges schnell und günstig umzuwenden.
Auch war der Anfang ihren Wünschen hold,
Gereiniget war Böheim von den Sachsen,
Der Schweden Siegeslauf gehemmt – es schöpften
Aufs neue leichten Atem diese Länder,
Als Herzog Friedland die zerstreuten Feindesheere
Herbei von allen Strömen Deutschlands zog,
Herbei auf einen Sammelplatz beschwor
Den Rheingraf, Bernhard, Banner, Oxenstirn,
Und jenen nie besiegten König selbst,
Um endlich hier im Angesichte Nürnbergs
Das blutig große Kampfspiel zu entscheiden.
WALLENSTEIN.
Zur Sache, wenns beliebt.
QUESTENBERG.
Ein neuer Geist
Verkündigte sogleich den neuen Feldherrn.
Nicht blinde Wut mehr rang mit blinder Wut,
In hellgeschiednem Kampfe sah man jetzt
Die Festigkeit der Kühnheit widerstehn,
Und weise Kunst die Tapferkeit ermüden.
Vergebens lockt man ihn zur Schlacht, er gräbt
Sich tief und tiefer nur im Lager ein,
Als gält es, hier ein ewig Haus zu gründen.
Verzweifelnd endlich will der König stürmen,
Zur Schlachtbank reißt er seine Völker hin,
Die ihm des Hungers und der Seuchen Wut
Im leichenvollen Lager langsam tötet.
Durch den Verhack des Lagers, hinter welchem
Der Tod aus tausend Röhren lauert, will
Der Niegehemmte stürmend Bahn sich brechen.
Da ward ein Angriff und ein Widerstand,
Wie ihn kein glücklich Auge noch gesehn.
Zerrissen endlich führt sein Volk der König
Vom Kampfplatz heim, und nicht ein Fußbreit Erde
Gewann es ihm, das grause Menschenopfer.
WALLENSTEIN.
Ersparen Sies, uns aus dem Zeitungsblatt
Zu melden, was wir schaudernd selbst erlebt.
QUESTENBERG.
Anklagen ist mein Amt und meine Sendung,
Es ist mein Herz, was gern beim Lob verweilt.
In Nürnbergs Lager ließ der schwedische König
Den Ruhm – in Lützens Ebenen das Leben.
Doch wer erstaunte nicht, als Herzog Friedland
Nach diesem großen Tag wie ein Besiegter
Nach Böheim floh, vom Kriegesschauplatz schwand,
Indes der junge weimarische Held
Ins Frankenland unaufgehalten drang,
Bis an die Donau reißend Bahn sich machte,
Und stand mit einemmal vor Regenspurg,
Zum Schrecken aller gut katholschen Christen.
Da rief der Bayern wohlverdienter Fürst
Um schnelle Hilf in seiner höchsten Not, –
Es schickt der Kaiser sieben Reitende
An Herzog Friedland ab mit dieser Bitte,
Und fleht, wo er als Herr befehlen kann.
Umsonst! Es hört in diesem Augenblick
Der Herzog nur den alten Haß und Groll,
Gibt das gemeine Beste preis, die Rachgier
An einem alten Feinde zu vergnügen.
Und so fällt Regenspurg!
WALLENSTEIN.
Von welcher Zeit ist denn die Rede, Max?
Ich hab gar kein Gedächtnis mehr.
MAX.
Er meint,
Wie wir in Schlesien waren.
WALLENSTEIN.
So! So! So!
Was aber hatten wir denn dort zu tun?
MAX.
Die Schweden drauszuschlagen und die Sachsen.
WALLENSTEIN.
Recht! Über der Beschreibung da vergeß ich
Den ganzen Krieg –
Zu Questenberg.
Nur weiter fortgefahren!
QUESTENBERG.
Am Oderstrom vielleicht gewann man wieder,
Was an der Donau schimpflich ward verloren.
Erstaunenswerte Dinge hoffte man
Auf dieser Kriegesbühne zu erleben,
Wo Friedland in Person zu Felde zog,
Der Nebenbuhler Gustavs einen – Thurn
Und einen Arnheim vor sich fand. Und wirklich
Geriet man nahe gnug hier aneinander,
Doch um als Freund, als Gast sich zu bewirten.
Ganz Deutschland seufzte unter Kriegeslast,
Doch Friede wars im Wallensteinischen Lager.
WALLENSTEIN.
Manch blutig Treffen wird um nichts gefochten,
Weil einen Sieg der junge Feldherr braucht.
Ein Vorteil des bewährten Feldherrn ists,
Daß er nicht nötig hat zu schlagen, um
Der Welt zu zeigen, er versteh zu siegen.
Mir konnt es wenig helfen, meines Glücks
Mich über einen Arnheim zu bedienen,
Viel nützte Deutschland meine Mäßigung,
Wär mirs geglückt, das Bündnis zwischen Sachsen
Und Schweden, das verderbliche, zu lösen.
QUESTENBERG.
Es glückte aber nicht, und so begann
Aufs neu das blutge Kriegesspiel. Hier endlich
Rechtfertigte der Fürst den alten Ruhm.
Auf Steinaus Feldern streckt das schwedische Heer
Die Waffen, ohne Schwertstreich überwunden –
Und hier, mit andern, lieferte des Himmels
Gerechtigkeit den alten Aufruhrstifter,
Die fluchbeladne Fackel dieses Kriegs,
Matthias Thurn, des Rächers Händen aus.
– Doch in großmütge Hand war er gefallen,
Statt Strafe fand er Lohn, und reich beschenkt
Entließ der Fürst den Erzfeind seines Kaisers.
WALLENSTEIN lacht.
Ich weiß, ich weiß – Sie hatten schon in Wien
Die Fenster, die Balkons voraus gemietet,
Ihn auf dem Armensünderkarrn zu sehn –
Die Schlacht hätt ich mit Schimpf verlieren mögen,
Doch das vergeben mir die Wiener nicht,
Daß ich um ein Spektakel sie betrog.
QUESTENBERG.
Befreit war Schlesien, und alles rief
Den Herzog nun ins hart bedrängte Bayern.
Er setzt auch wirklich sich in Marsch – gemächlich
Durchzieht er Böheim auf dem längsten Wege;
Doch eh er noch den Feind gesehen, wendet
Er schleunig um, bezieht sein Winterlager, drückt
Des Kaisers Länder mit des Kaisers Heer.
WALLENSTEIN.
Das Heer war zum Erbarmen, jede Notdurft, jede
Bequemlichkeit gebrach – der Winter kam.
Was denkt die Majestät von ihren Truppen?
Sind wir nicht Menschen? Nicht der Kält und Nässe,
Nicht jeder Notdurft sterblich unterworfen?
Fluchwürdig Schicksal des Soldaten! Wo
Er hinkommt, flieht man vor ihm – wo er weggeht,
Verwünscht man ihn! Er muß sich alles nehmen;
Man gibt ihm nichts, und jeglichem gezwungen
Zu nehmen, ist er jeglichem ein Greuel.
Hier stehen meine Generals. Caraffa!
Graf Deodati! Buttler! Sagt es ihm,
Wie lang der Sold den Truppen ausgeblieben?
BUTTLER.
Ein Jahr schon fehlt die Löhnung.
WALLENSTEIN.
Und sein Sold
Muß dem Soldaten werden, darnach heißt er!
QUESTENBERG.
Das klingt ganz anders, als der Fürst von Friedland
Vor acht, neun Jahren sich vernehmen ließ.
WALLENSTEIN.
Ja, meine Schuld ist es, weiß wohl, ich selbst
Hab mir den Kaiser so verwöhnt.
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