Er kippt einen Schuß Wasser darüber, schließt den Deckel, knöpf die Hosen wieder an und nimmt den Kübel in beide Hände.
›Wenn er mich schnappt, sag’ ich, die haben heute früh vergessen, bei mir zu kübeln‹, überlegt er und drückt mit dem Ellbogen die angelehnte Tür auf.
2
Er wirf über die Schulter einen Blick gegen den Glaskasten der Zentrale, wo, wie eine Spinne in ihrem Netz, sonst der Hauptwachtmeister Rusch sitzt und alle Gänge, alle Zellentüren überschaut. Aber Kufalt hat Dusel : der Hauptwachtmeister ist fort. Statt seiner sitzt ein Oberwachtmeister da, den der ganze Krempel langweilt : er liest Zeitung.
Kufalt geht möglichst leise über den Gang zum Spülraum. Dabei kommt er an der Zelle des Netzekalfaktors vorbei und zögert einen Augenblick : da streiten zwei drin. Die eine Stimme kennt er, die ist ölig : das ist der Netzemeister. Aber die andere …
Er steht und lauscht. Dann geht er weiter.
In der Spülzelle ist Hochbetrieb. Die Kalfaktoren von C 2 und C 4 haben sich heraufgeschlichen, eine stoßen.
Und noch jemand ist hier :
»Gott, Emil, Junge, Bruhn, sieht man dich wirklich mal wieder ? ! Du mußt doch deinen Knast auch bald abgerissen haben ? !«
Dabei kippt Kufalt seinen Kübel in das Spülbecken.
»Sauerei ! Wo wir hier rauchen !« schimpf der Kalfaktor.
Kufalt gibt an : »Du hältst dein Maul, Stubben ! Seit wann bist du denn überhaupt im Bunker ? Ein halbes Jahr ? Und so was reißt hier die Fresse auf von wegen Sauerei ? ! Hättest ja draußen bleiben können, wenn du Wasserspülung gewöhnt bist ! Ach, halt die Klappe ! Ich bin dritte Stufe ! – Hat einer von euch Tabak für mich ?«
»Hier, Willi«, sagt der kleine Emil Bruhn und gibt ihm ein ganzes Paket Flaggenstolz und Blättchen. »Kannst du behalten. Ich hab’ bis Mittwoch stief.«
»Mittwoch ? Kommst du Mittwoch raus ? Ich auch !« Bruhn fragt : »Sag mal, Willi, bleibst du eigentlich hier im Kaff ?«
»Ausgeschlossen ! Hier, wo lauter Wachtmeister rumlaufen ! Ich fahre nach Hamburg.«
»Hast du denn da Arbeit ?«
»Nee, noch nicht. Aber ich krieg’ sicher was. Ich denke, meine Verwandten … Oder der Pfaffe … Ich komme immer durch !«
Und Kufalt lächelt, aber etwas kümmerlich.
»Ich habe schon was. Ich fange hier in der Holzfabrik an. Fal
lennester im Akkord. Ich komme mindestens auf fünfzig Mark die Woche, hat mir der Meister gesagt.«
»Das schaffst du«, bestätigt Kufalt. »Das kannst du. Das hast du ja nun neun Jahre gemacht.«
»Zehneinhalb«, sagt der kleine blonde Bruhn und blinzelt mit seinen wasserblauen Augen. Er hat einen Seehundskopf, kuglig, gutmütig. »Elf Jahre waren’s. Ein halbes Jahr haben sie mir geschenkt auf Bewährung.«
»Mensch, Emil, das hätte ich doch nicht angenommen ! Ein halbes Jahr geschenkt – und wie lange sollst du dich bewähren ?«
»Drei Jahre.«
»Schön dumm bist du. Und wenn du ’ne Kleinigkeit machst, wenn du nur ’ne Scheibe einschmeißt in der Besoffenheit oder Krach schlägst auf der Straße, schon mußt du dein halbes Jahr abreißen. Das hätte ich doch gleich mit runtergerissen.«
»Na, Willi, wenn man zehneinhalb Jahr Knast geschoben hat …«
»Mir haben sie ewig gesagt, der Direktor und der Lehrer und der Pfaffe, alle : ich soll ein Gesuch auf Bewährung machen. Aber ich bin nicht so dumm. Wenn ich Mittwoch rauskomme, dann hab’ ich freie Bahn …«
Ein Kalfaktor mischt sich ein : »Ich denke, dir haben sie dein Gesuch abgelehnt ?«
»Abgelehnt ? Gar keins gemacht habe ich, hast du Dreck in den Ohren ?«
»Mir hat’s aber der Hausvaterkalfaktor erzählt.«
»Der ? Was der weiß ! Die dünken sich was, die vom Hausvater ! Weißt du, was das für einer ist ? Kleine Kinder stößt der vor den Hintern und nimmt ihnen die Mark weg, die ihnen ihre Mutti für Besorgungen gegeben hat. Von so einem läßt du dir Geschichten erzählen ! – Hast du Putzpomade ?«
»Der Kaliebe hat aber auch gesagt …«
»Quatsch ! Ob du Putzpomade hast ? Zeig mal her. Gut, die hab’ ich. Kriegst du nicht wieder. Ich muß noch wienern. Red hier bloß keine Töne, Mensch. Außerdem hab’ ich bei meinen Sachen ein großes Stück Toilettenseife, das geb’ ich dir dafür.
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