Komm Mittwoch zur Abgangszelle. Soll ich dir auch einen Brief mit rausnehmen ? Gut, gemacht. Mittwoch morgen Abgangszelle.«

  Der Kalfaktor von C 3 läßt sich vernehmen : »Der gibt ja heute an, noch und noch. Richtig durchgedreht, weil er übermorgen rauskommt.«

Aber Kufalt plötzlich stockwütend : »Ich und durchgedreht wegen Rauskommen ? Du spinnst ja. Mir ist das so scheiße, ob ich noch ein paar Wochen hier bleibe oder nicht ! 260 Wochen abgerissen – 825 Tage – da staunste : – und ich soll angeben wegen Rauskommen ? !«

  Dann wendet er sich ruhiger zum kleinen Bruhn : »Also, hör mal, Emil – ach, willst du dich verdrücken ? Freistunde muß gleich alle sein. Sieh doch, daß du dich heute mittag in die dritte Stufe mogelst …«

  »Das kann angehen. Bei uns auf F hat Petrow Dienst. Der macht es.«

  »Schön. Ich möcht’ noch was mit dir reden. Also, hau jetzt ab.«

  »Wiedersehen, Willi.«

  »Wiedersehen, Emil.«

  »Da will ich auch gleich …« sagt Kufalt und nimmt seinen geleerten Kübel. »Ach so ! Weiß einer, was mit dem Netzekalfaktor los ist ?«

  »Den hat wer in die Pfanne gehauen. Der schiebt Arrest.«

  »Ei wei ! Wieso denn ?«

  »Hat Briefe durchgeschmuggelt mit der schmutzigen Wäsche an eine im Weibergefängnis.«

  »An welche ?«

  »Weiß ich auch nicht. Eine kleine Schwarze soll es sein.«

  »Kenn’ ich«, sagt Kufalt. »Die ist aus Altona. Das ist die Räuberbraut. Die hat ein halb Dutzend Jungens für sich auf Bruch gehen lassen und sie hat die Sore … Wer ist denn jetzt Kalfaktor ?«

  »Den kenn’ ich noch nicht. Der ist neu, der ist ’ne Schiebung vom Netzemeister. So ein dicker Jude, eine faule Pleite soll er gemacht haben …«

  »Nee ?« sagt Kufalt und ihm fällt ein Wortfetzen ein, den er vorhin hörte, als es mit seinem Kübel an der Zellentür vorbeikam. »So ist das also. Na, den schleimigen Netzeonkel habe ich lange auf dem Strich, den will ich jetzt mal in Salz legen. – Kneiste mal, du Neuer, ob die Luf rein ist. – O Gott !« ruf er verzweifelt, »was für Säuglinge schicken die uns hier in den Bau ! Reißt die Tür auf, daß der ganze Bunker zusammenfällt ! Kneisten sollst du ! – Ist der Rusch in seinem Glaskasten ? Nicht ? Na, dann will ich mal die Netzeonkels besuchen. Morgen.«

  Er nimmt seinen Kübel und tritt den Rückzug zur Zelle an.



3


Auf seinem Rückmarsch hat Kufalt einen Blick zum Glaskasten geworfen : dort ist die Lage unverändert, Oberwachtmeister Suhr studiert den Stadt-und Landboten.

  Vor der Zelle des Netzekalfaktors tritt Kufalt einen Schritt seitlich, drückt sich fest in die flache Türnische und lauscht.

Da steht er nun, in blauer Beiderwandhose und gestreifem

Anstaltshemd, die Füße in Schlappen, mit spitzer, gelblicher Nase, blaß, magere Glieder, aber ein Bauch. Etwa achtundzwanzig Jahre. Eigentlich hat er freundliche braune Augen, nur spuken sie, irrlichterieren, verweilen nirgends. Sein Haar ist auch braun. Er steht so da, horcht, versucht zu verstehen, was sie da reden. Den Kübel hält er noch immer in beiden Händen vor dem Bauch.

  Einer sagt drinnen erregt : »Und Sie werden mir die zehn Mark geben ! Wozu schickt Ihnen meine Frau ständig Geld ?«

  Und die ölige, sachte Stimme des Netzemeisters : »Ich tu’ ja für Sie, was ich kann. Daß ich Sie beim Arbeitsinspektor zum Netzekalfaktor durchgedrückt habe, das können Sie mir nicht genug danken !«

  »Ach was danken !« sagt der andere böse. »Viel lieber wäre ich zu den Tüten gekommen.