Abends speiste die Familie unter grünen Laubengängen, die in elektrischem Lichte schimmerten.
Der Tag war lang bis zum Abend – – –.
Hie und da kam ein Jüngling zu Besuch, der sie liebte – – –.
Müde und ruhig widmete sie ihm die Stunden, die er ihretwegen dort verbrachte. Er ruderte sie auf den See hinaus – – er fühlte sich sehr glücklich.
Sie sass am Steuersitze.
Wie in einem sammtenen oder seidenen Fauteuil in einer reichen dumpfen Stadtstube sass sie da – – –.
Sie hatte ein wunderschönes Kleid an aus rostrother Seide mit einem breiten gewirkten dunkelgoldenen Gürtel und einen Florentiner Strohhut mit weissen Veilchen und einem langen seidenen Bande, das unter dem Kinn in eine Masche gebunden war.
Der See lag in den matten Abendfarben – – –. Vom Walde her kam Laubduft.
Das graue Seeschloss und das weisse Landschloss schwammen im Wasserdunste – –.
An den Rudern glitten weissgrüne Perlen herunter – –.
Die Ruder sangen: Plúk-Prlúk, Plúk-Prlúk, Plúk.
Prlúk – – –.
Am Tage vor ihrer Abreise, im Herbst, erhielt sie einen Strauss von wunderbaren dunklen Rosen. Auf einer Karte stand:
»Dem Ideale menschlicher Schönheit.«
Ein »Grieche«.
Nacht.
Sie liess ihr Nachtgewand herabgleiten und stand splitternackt vor dem grossen Spiegel.
Es war das »Ideal menschlicher Schönheit«.
Auf dem Tische dufteten die Rosen – – –.
Da wich für einen Augenblick die dumpfe müde Langweile von ihr und wie eine jubelnde junge Siegerin zog die Hoffnung in ihr ein – –.
Als sie im Coupé sass und in den Herbst, in den Winter hineinfuhr, in fröstelnder Langweile, dachte sie: »Perikles, Sophokles, Themistokles, Sokrates – – –.«
Da hatte sie eine dunkle Empfindung von dem schönen unvergänglichen Geiste Griechenland's – – –.
Siebzehn bis dreissig
Ich kam einmal zu dem ersten Friseur der Residenz.
Es roch nach Eau de Cologne, nach frisch gewaschenen Leinenmänteln und zartem Cigarettenrauch – – Sultan flor, Cigarrettes des Prinzesses égyptiennes.
An der Kassa sass ein ganz junges Mädchen, mit hellblonden seidenen Haaren.
»Ah,« dachte ich, »ein Graf wird dich verführen, du Wunderschöne – – –!«
Sie sah mich an, mit einem Blick, der sagte: »Wer du auch seist, Einer unter Tausenden, ich sage Dir, das Leben liegt vor mir, das Leben – – –! Weisst Du das?!«
Ich wusste es.
»Ah,« dachte ich, »es kann aber auch ein Fürst sein – – –!«
Sie heiratete einen Cafétier, der in einem Jahre zu Grunde ging.
Sie war gebaut wie eine Gazelle. Seide und Sammt erhöhten nicht ihre Schönheit – – am schönsten war sie wahrscheinlich nackt.
Der Cafétier ging zu Grunde.
Ich traf sie auf der Strasse mit einem Kinde.
Sie sah mich an, mit einem Blick, der sagte: »Ich habe das Leben dennoch vor mir, das Leben, weisst Du das – –?!«
Ich wusste es.
Ein Freund von mir hatte den Thyphus. Er war Junggeselle, reich und bewohnte die See-Villa.
Als ich ihn besuchte, machte eine junge Dame, mit hellblonden seidenen Haaren, die Eisumschläge. Ihre zarten Hände waren ganz aufgerissen vom Eiswasser. Sie blickte mich an: »Das ist das Leben – –! Ich habe Ihn lieb – –! Weil das das Leben ist – –!«
Als er genesen war, überliess er die Dame einem anderen reichen jungen Manne – – –.
Er trat sie einfach ab, ganz einfach – – –.
Das war im Sommer.
Später überfiel ihn die Sehnsucht – – im Herbst. Sie hatte ihn gepflegt, sich an ihn angeschmiegt mit ihrem süssen Gazellenleibe – – –.
Er schrieb ihr: »Komm' zu mir – – –!«
Eines Abends im Oktober, sah ich sie mit ihm in den wunderschönen Hausflur treten, in dem acht Säulen aus rothem Mamor schimmerten.
Ich grüsste sie.
Sie blickte mich an: »Das Leben liegt hinter mir, das Leben – –! Weisst Du das?!«
Ich wusste es.
Ich kam zu dem ersten Friseur der Residenz.
Es roch noch immer nach Eau de Cologne, nach frisch gewaschenen Leinenmänteln und zartem Cigarrettenrauch – – Sultan flor, Cigarrettes des Princesses –.
An der Kassa sass wieder ein Junges Mädchen, mit braunen welligen Haaren.
Sie blickte mich an mit dem grossen Triumphblick der Jugend – – – profectio Divae Augustae Victricis – – –: »Wer Du auch seist. Einer unter Tausenden, ich sage Dir, das Leben liegt vor mir, das Leben – – –! Weisst Du das?!«
Ich wusste es.
»Ah«, dachte ich, »ein Graf wird Dich verführen – – – es kann aber auch ein Fürst sein!«
Die Natur
Er trug auf dem Spaziergang ihre Jacke. Diese war aussen hellbraun, innen lila Seide. Der Duft der Seide berauschte ihn, wiegte ihn ein – – –.
Er athmete diesen Duft ein, der von ihrem süssen warmen ambrafarbigen Leib in die weiche Seide geflossen war, extrait fleure d'Anita – – –.
»Warum haben Sie die Jacke getragen?!« fragte Frau v.E., »macht Ihnen das Vergnügen?! Wozu – –?!«
»Aus Höflichkeit – –«, sagte er, »es ist eine Jacke wie eine andere, man muss das thun – – –«.
Bei dem kleinen Gasthofe am See-Ufer, auf der Wiese mit den Birnbäumen war eine Schaukel.
»Schaukeln Sie mich – – –« sagte das Fräulein.
Wenn sie an ihn heranschwebte, hatte er die Empfindung einer ungeheuren Nähe, manchmal berührte er ihr Kleid, einmal sogar – – –.
»Warum haben Sie das Fräulein geschaukelt –?!« fragte Frau v.E., »es ist kindisch, so etwas gibt es in den Bilderbüchern, ich habe es von Erwachsenen nie gesehen – – –.«
Er schwieg.
»Er ist ein Gymnasiast – –« dachte Frau E.
Als er oben am Hügel mit dem jungen Mädchen auf dem kurzen trockenen warmen Grase lag, in der Abendsonne, berührte er leise ihre Hand. Der Wind wehte lau. Ein Vogel machte »hi hi hi hi hia – – –.« Dann versank die Sonne. Der Wind wehte kalt.
»Wie war es – – –?! fragte Frau E. den Herrn. »O schön – – –. Es ist warm und trocken, dann sinkt das Thermometer, die Abendsonne funkelt herüber, der See hat kupferrothe und flaschengrüne Streifen; plötzlich wird er bleigrau, das Thermometer sinkt und die Wiesen beginnen zu duften und feucht zu werden – – –.«
»Poët – – –« sagte Frau E.
Am nächsten Abende ruderte Frau E. allein in einem kleinen Boote – – –.
Sie fuhr langsam das Ufer entlang – – –.
Da kam die dunkelgrüne dicke Linie der Kastanienbäume an den grauen cyclopischen Quai-Mauern, dann eine kleine hölzerne Villa, in der ein sterbender Dichter lag, dann eine grosse aus Stein mit schmiedeeisernen Kandelabern, in der eine sterbende Ehe lag und zwei blühende Kinder, dann kam der Garten der Herzogin, die einen Sohn verloren hatte, den sie nie besessen hatte. Da hingen schwarze Haselstauden in's Wasser. Dann kamen Wiesen mit feinen Sumpfgräsern und goldenem Löwenzahn, dann kam Schilf mit hellbraunen Federbüschen, das raschelte. Der Märchendichter würde sagen: »Und es raunte sich Geschichten zu, Geschichten – – –!«
Dann kamen Wiesen, die ganz still dalagen – – –.
Frau v.E. sass, ein bischen gebückt, in ihrem kleinen Boote und genoss den Abendfrieden – – –.
P.A. und T.K
P.A. lehnte an einer gelben glänzenden Marmorsäule des Tanzsälchens und betrachtete die jungen Mädchen.
Er dachte: »Diese gemachte Lustigkeit – – –! Wie kann ein Mädchen lustig sein, sich amüsiren, wenn sie nicht schön, fast tadellos ist – –?! Wie kann sie froh sein, wenn sie nicht fühlt: »ah, ich gefalle, ich bin sehr hübsch, ich bin ein kleiner Mittelpunkt, ich halte Cercle wie eine Prinzessin – – –«?!«
»Herr v.S., bitte, wer ist diese junge Dame?!« sagte er.
»Teresa K. – – soll ich Sie vorstellen?!«
»Danke – – –.«
Später sah er sie in einem Haine von Orangenbäumchen sitzen. Sie hielt Cercle wie eine Prinzessin –
Als sie »Sir Roger« tanzte, lehnte er wieder an einer gelben glänzenden Marmorsäule.
Er dachte: »Diese gemachte Lustigkeit – – –!« Und dennoch war sie schön, fast tadellos – – –.
Er dachte: »Teresa K., mit deiner müden Gracie, ritardando, in dieser »Circus-Frechheit« des Sir Roger – Teresa K.!«
Plötzlich glitt sie aus, fiel nieder – – –.
Ihr süsses wunderbares Antlitz nahm den Schmerzenszug der Madonnen an. Es war wie wenn sie sagen würde: »O, ich passe nicht hierher, ich weiss es – –. Aber wohin passe ich denn, bitte?! Vielleicht bin ich doch nur für das Vergnügen geschaffen und kann ihm nur nicht Stand halten – – –.«
Bald lächelte sie wieder, flog hin, duckte sich auf die Kniee, klatschte in die Hände, freudig und erhitzt – – –. Ihr Antlitz schimmerte feucht, aber es blieb bleich – – –.
P.A.
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