lehnte an der gelben glänzenden Marmorsäule: »Mit Dir, Edle, Wunderbare, in einer lieben häuslichen Stube zu sitzen und über die Enttäuschungen des Lebens zu sprechen, über den Sommer und über den Herbst, über Kinderseelen und Dichterseelen – –! In stiller sanfter Begeisterung zu sagen: Ich liebe die Japanische Kunst und ihre Vögel, ihre Blumen, ihre Farben, ich liebe die Buchenwälder im Oktober, die christliche Begeisterung des Léo Tolstoi und die »Musik-Gedanken« des Parsifal – – –!

Aber da stehst Du in der Circus-Frechheit des Sir Roger – – –!«

Er lehnte unbeweglich an der gelben glänzenden Marmorsäule, bis der Ball zu Ende war und die elektrischen Glühlichter verlöschten.

Zwei Jahre lang sagte er: »Mein Ideal ist Teresa K. – – –.«

Das kam ihr zu Ohren.

»Warum lässt er sich nicht vorstellen?! Fürchtet er sich vor mir??«

Im dritten Jahre, im Sommer, auf dem blaugrauen See, unter der weissen sonnenheissen Plache des Salondampfers, wurde er ihr vorgestellt.

»P.A. – Teresa K.!«

Sie sprachen mit einander.

Sie sagte: »Ich liebe den See nicht, ich liebe das Lawn-tennies – – –. Ich kann es Stunden lang spielen, Tage lang – – –.«

Er erwiderte: »Ich liebe das Lawn-tennies nicht, ich liebe den See – –. Ich kann ihn Stunden lang betrachten, Tage lang – –.«

»Da passen Wir zusammen« sagte sie lächelnd, »Wir ergänzen Uns – –!«

Eines Abends sass er bei ihr, in ihrem Zimmer.

Draussen regnete es und der See brauste an die Ufer – – –.

Er sprach über die Enttäuschungen des Lebens, über den Sommer und über den Herbst, über Kinderseelen und Dichterseelen – – –. Er sprach über Japanische Kunst, über die Buchenwälder im Oktober und die Musik-Gedanken des Parsifal.

Sie dachte: »Wir ergänzen Uns – – –. Ich denke Nichts und Du denkst Alles – – –.«

Draussen regnete es und der See brauste an die Ufer – – –.

Sie sass an ihrem kleinen Tische und stützte den Kopf in die Hände.

Was war sie, was – – –?!

Sie spielte gern Lawn-tennies und tanzte gern Sir Roger. Es war eine Sehnsucht in ihr nach naturgemässer mechanischer Bewegung, die das Blut an die Oberfläche treibt und diese rosig macht und die müden Nerven in eine Art von stürmischen äusseren Rausch versetzt.

Hie und da träumte sie: »O, ein schwarzes seidenes, rund ausgeschnittenes Kleid mit entblössten Schultern und einem breiten, riesig breiten Gürtel aus Reihen von milchblauen durchscheinenden Glasperlen – – –! Oder ein heliotropefarbiges seidenes mit einem Gürtel aus Wachsperlen oder ein weissblaues mit Bronzeperlen, oder gar ein schneeweisses mit granatrothen Perlen!«

Das waren die »Traum-Phantasieen« – – –.

Oft dachte sie: »Bin ich schön oder hübsch, schön oder hübsch – –?! Diese Männer lügen! Sie könnten es so sagen, dass es den Zweifel tödten würde. Sie müssten es schweigend sagen. Aber Sie flüstern es mit einer affektirten vibrirenden süsslichen Stimme: »ah, Fräulein – – –.««

Einmal ging sie mit diesem jungen Herren da spazieren. Es war ein kühler Abend und Nebel. »Oh, ein Monsieur wird sich verkühlen« sagte sie und band ihm ihr weisses seidenes Tuch um den Hals.

»Sie sind so gut, so aufmerksam« sagte der junge Mann, der die geliebte Hand an seinem Halse vorbeistreifen fühlte.

»Das ist doch das Wenigste, was wir für Die thun müssen, die zu uns halten. Wenn Sie krank werden und sterben, können Sie mir nicht mehr den Hof machen« sagte sie lächelnd.

Aber gleich setzte sie hinzu: »Sehen Sie, so Eine bin ich – –! Nein, es ist ein dummer Scherz, es ist unanständig von mir – – –. Bitte verzeihen Sie mir!«

Ihr Leben zog an ihr vorüber, dieses Leben, das die Seele in kleine Stücke zersplitterte und auseinander warf, statt alles Gute und Weiche zusammenzuhalten für – – –, für was, das wusste sie nicht.

Sie sass da und sann – – –.

Er aber blickte hin und seine Seele dichtete: »Guiccioli Teresa – – –!«

Wie im Künstlergeiste brannte eine Welt in ihm voll Liebe und Begeisterung, entzündet und genährt an eigenem Feuer – – –.

Und was war sie?!

Sein eigenes, das aus seiner Fülle selbst in die Welt hinausgestellte »Lebendige-Natürliche« in ihm, sein eig'ner Theil, der, losgelöst von ihm und seiner Denk-Last, in reiner Kraft nun in die Sterne zog – –.

Sie aber sass da und stützte die Ellbogen auf die Tischplatte und die edle weisse Stirne in die Hände und horchte in die leere Welt hinaus – – –.

Und wie sie so dasass und hinaushorchte in die leere Welt, ohne zu suchen, ohne zu finden – – da verstand er sie.

Es war des Lebens Noth, der Drang des Sein's – –.

Und da erkannte er: »Nicht was Ihr seid, seid Ihr! Doch was Wir dichten, dichtet Ihr in Uns! So seid Ihr uns're Dichter, uns're Dichtung, der Lieder Sänger und das Lied zugleich!

Teresa K., fremd bleibst Du mir und fern – – und doch mein Lied!

Nicht was Ihr seid, seid Ihr – – –!

In Uns allein feiert Ihr ewig euer heiliges Fest der Wiederauferstehung aus des Lebens Noth!

Aus unsern weissen Flammen steigt Ihr auf – –! In unsern Seelen werdet Ihr geboren!«

So sann er – – –.

Da schaute sie auf, weil es so still geworden war und sie sah – – – einen Menschen!

Leise, leise fühlte sie die göttliche Kraft, die von ihr ausströmte in tausend weissen Strahlen und die in geheimnisvoller Zeugung den »Gott Mann«, wenn auch für Augenblicke in Ihm schuf – – –. Und da empfand sie: »Nicht was Ihr seid, seid Ihr!

Durch Uns allein feiert Ihr ewig euer heiliges Fest der Wiederauferstehung aus des Lebens Noth!«

Sie sass da, gerade, aufrecht, mit ihrem schönen edlen Haupte und streckte die Arme auf der Tischplatte aus und spreizte die schneeweissen Finger aus und lächelte – –.

Sie war Weib-Königin geworden!

Draussen regnete es und der See brauste an die Ufer – – –.

 

No age

 

Der Herr trug immer eine breite weisse Flanellhose, ein weites weisses Flanellhemd und eine offene hellgraue Flanelljacke.

Er sah aus wie ein Akrobat, gehüllt in Noblesse. Einmal tanzte er im Cursaal »Sirr Roger« mit der schönsten Dame von der Welt. Er bewegte sich wie ein Clown. Aber Alles war gleichsam gedämpft und zurückgedrängt durch die Nähe der schönen Frau.

Und doch sah man einen edlen Körper aus Stahl-Muskeln, in geölten Stahl-Scharnieren, gelenkt von Witz und Grazie – – –.

Es war die »Idee« des Tanzes: »Spielende Kraft.« Es ist wie das Schachspiel – –! Dort die That des Geistes im Zwecklosen, hier die des Bewegungssystem's.

Es ist der herrliche Überfluss der Kraft – – –!

Wie wenn eine edle Dampfmaschine ein Ventil öffnet und weissen Dampf ausströmt – – –.

Vormittags fuhr er immer in einem kleinen Canoe am See, mit seinen drei braunlockigen Töchtern: 4 Jahre, 5 Jahre, 6 Jahre – – –; Evelyn, Mildred and Dorothy – – –.

Sie sassen am Boden des gedeckten Bootes.

Alle hatten doppelte Ruder und legten im Takte ein – – –.

Der Herr sagte »stop« und »go«. Die Kinder gehorchten wie die kaiserlichen Fusstruppen.

Man sah nur die lieblichen Köpfchen, die Schultern, die Ellbogen, die Händchen und die weissen Ruder.

Stop, go – – stop, go – – stop!

Die jungen Damen gehorchten wie die kaiserlichen Fusstruppen – –; sie hätten auch rufen können: »Es lebe unser gutes gerechtes Väterchen – –!« Aber dazu waren sie zu wohlerzogen; es war bei ihnen nur so ein innerer Jubel – – –.

Eines Abends trug er miss Dorothy mit ihren nackten rosigen Beinen rittlings auf seinen Schultern und galoppirte über die Esplanade, vor allen Leuten – – –.

»O, mister Bigloff, was ist das – –?« sagte eine wunderschöne Dame.

»Das ist das feinste Pferd von der Welt, missis Bigloff – – –! Sie können darauf wetten – – es schlägt Alle – – –.«

Er liess das Fräulein absitzen und küsste der wunderschönen Dame die Hand.

Ein bleiches junges Mädchen mit einem heiligen Antlitz sagte: »Die Welt ist leer – – –. Ich habe einen Mann gesehen, einen Menschen, einen wirklichen Menschen – – –! A real man! Er hat eine edle Frau und drei Engerln – – –. Aber es giebt nur einen Amerikaner und so viele Mädchen, die ihn träumen – – –!

Ah, missis Bigloff – – –!«

 

Fünfundzwanzig

 

Jeden Nachmittag um 5 Uhr erschien sie auf der Esplanade.

Die Musik spielte in einem gelben Holz-Pavillon und die Damen trugen wunderschöne Kleider und Hüte.

An den meisten Tischen auf dem in den See rund vorspringenden Plateau schimmerte es weiss und lila oder weiss und grün. Das waren die Modefarben. Aber es gab auf dieser weiten Fläche von feinen Stoffen, gelbem Stroh, französischen Blumen, Eulen- und Straussfedern, auch rostrothe und stahlblaue seidene Flecken und ganz hellbraune aus Rohseide wie Milchkaffee, mit matten schottischen Bändern – – –.

Die junge Frau, die täglich um fünf Uhr auf der Esplanade erschien, war wunderbar schön und trug wunderbare Kleider. Zum Beispiel eines aus braunrosa Seide mit weisser und hellgrüner Stickerei.

Aber ihr schönster Schmuck war das Kind, das mit der Bonne an ihrer Seite ging.

L'enfant russe, Katja.

Das ist Schönheit, Gracie, süsse Heiterkeit und weisses leuchtendes bezauberndes Licht. Das ist der Mensch, wie ihn die Ideale träumende Natur ersehnt. Das ist die Dichtung der alten Mutter Erde – – –.

Reiche elegante Herren sassen bei der jungen Dame – – –, aber nie zusammen. Zum Beispiel der Herr Graf T. und dann später der Herr von A. und dann der Rittmeister Baron; – – oder auch umgekehrt. Die Reihenfolge wurde nicht eingehalten.

Manche blickten auch nur hin, ohne zu grüssen und lächelten.