Margarete, führ mich.

Freundinnen warten meiner in dem Saal.

MARGARETE ängstlich zu Mac-Gregor.

Du, sei nicht bös. Die arme Margarete ist

Nicht immer toll.

MAC-GREGOR.

Geht nur, wir folgen gleich.

 

Maria und Margarete gehen ab.

Mac-Gregor. Douglas.

 

DOUGLAS.

Ich staune, ist Marie so krankhaft reizbar?

Sie ist so ängstlich heute; sie erbleicht

Und zittert bei dem leisesten Geräusch –

MAC-GREGOR.

Douglas! ich will und darf's Euch nicht verhehlen,

Was heut so sehr Mariens Seele ängstigt.

Verzeiht, daß ich's Euch früher nicht eröffnet.

Tollkühn ist Euer Mut, und die Gefahr,

Die ich mit Klugheit von Euch abgewendet,

Hättet Ihr selber rastlos aufgesucht;

Fort hätt es Euch getrieben, ihn zu zücht'gen,

Den Frevler, der Mariens Ruhe störte.

DOUGLAS.

Wer darf Mariens Ruh' gefährden, sprecht?

MAC-GREGOR.

Hört ruhig an die traurige Geschichte.

Sechs Jahre sind es jetzt, da kehrte ein

Bei uns ins Schloß ein fahrender Student

Aus Edinburgh, mit Namen William Ratcliff.

Den Vater hatt ich einst gekannt, recht gut,

Recht gut, recht gut, er hieß Sir Edward Ratcliff.

Gastfreundlich nahm ich also auf den Sohn,

Und gab ihm Speis' und Obdach, vierzehn Tage.

Er sah Marie, und sah ihr in die Augen,

Und sah dort viel zu tief, begann zu seufzen,

Zu schmachten und zu ächzen – bis Maria

Ihm rund erklärte: daß er lästig sei.

Die Liebe packt' er in den Korb und ging. –

 

Zwei Jahre drauf kam Philipp Macdonald,

Der Earl von Ais, warb um Mariens Hand,

Und warb mit gutem Glück, und nach sechs Monden

Stand am Altare, hochzeitlich geschmückt,

Die holde Braut – der Bräut'gam aber fehlte.

Wir suchten überall, in allen Zimmern,

Im Hof, im Stall, im Garten – Ach! da fand man

Am Schwarzenstein den Leichnam Macdonalds.

DOUGLAS.

Wer war der Mörder?

MAC-GREGOR.

Lange war vergeblich

All unser Forschen – da gestand Maria,

Daß sie den Mörder kenne, und erzählte:

In jener Nacht, die auf den Mordtag folgte,

Sei William Ratcliff in ihr Schlafgemach

Plötzlich getreten, habe lachend ihr

Die Hand gezeigt, noch rot vom Blut des Bräut'gams,

Und habe Macdonalds Verlobungsring

Ihr dargereicht mit zierlicher Verbeugung.

DOUGLAS.

Verruchtheit! Welcher Hohn! Was tatet Ihr?

MAC-GREGOR.

Ich ließ den Leichnam Macdonalds beisetzen

In seines eignen Schlosses Ahnengruft,

Und an der Stätte, wo der Mord geschah,

Pflanzt ich ein Kreuz, zum ewigen Gedächtnis.

 

Den Mörder Ratcliff suchte ich vergebens.

Man hatte ihn zuletzt gesehn in London,

Wo er, nach seiner Mutter Tod, sein Erbteil

In Saus und Braus verpraßte, und nachher

Von Spiel und Borg, und gar, wie ein'ge sagen,

Vom ritterlichen Straßenraube lebte.

 

Verstrichen waren seit der Zeit zwei Jahre,

Und Mord und Mörder waren fast vergessen,

Da kam hierher in unser Schloß Lord Duncan,

Hielt bei mir an um meiner Tochter Hand.

Ich will'gte ein, und mir gelang es auch,

Marias Jawort einem Mann zu schaffen,

Der aus dem Stamm der Schottenkön'ge sproßt.

Doch wehe uns! Bald stand am Hochaltar,

Festlich geschmückt, die heimlich bange Braut –

Und Duncan lag am Schwarzenstein erschlagen!

DOUGLAS.

Entsetzlich!

MAC-GREGOR.

»Auf! Steigt auf zu Roß!« rief ich

Den Knechten, und wir jagten und wir suchten,

In Busch und Feld, in Wäldern und in Klüften,

Drei Tage lang, jedoch umsonst, wir fanden

Die Spur des Mörders nirgends.

Ach! und dennoch,

Dieselbe Nacht von jenem Schreckenstag

Schlich William Ratcliff in Mariens Kammer,

Verhöhnte sie, und gab ihr zierlich grüßend

Des Bräutigams Verlobungsring zurück.

DOUGLAS.

Bei Gott! der Mensch ist kühn! den möcht ich treffen.

MAC-GREGOR.

Er war's gewiß, den Ihr schon habt getroffen

Im Wald bei Invernes. Nur wundr' ich mich,

Daß keiner meiner Späher ihn gesehn; –

Denn, Graf, ich hab dafür gesorgt, daß ich

Nicht Euren Namen auch zu setzen brauche –

Auf das Gedächtniskreuz am Schwarzenstein.

 

Er geht ab.

 

DOUGLAS allein.

Aus Klugheit hat's Mac-Gregor mir verschwiegen

Bis nach der Trauung. Oh, das ist ein Fuchs!

Doch messen möcht ich mich mit jenem Trotzkopf,

Der finster grollend stets Marien ängstigt.

Mir soll er nicht den Ring vom Finger ziehen,

Denn wo mein Finger ist, ist auch die Hand.

Ich liebe nicht Marien, und ich bin

Auch nicht geliebt von ihr. Die Konvenienz

Hat unsern heut'gen Ehebund geschlossen.

Doch herzlich gut bin ich dem sanften Mädchen.

Ich möcht von Dornen ihre Pfade säubern –

 

Lesley, im Mantel gehüllt und sich vorsichtig umsehend, tritt herein.

Douglas. Lesley.

 

LESLEY.

Seid Ihr Graf Douglas?

DOUGLAS.

Ja, ich bin's, was wollt Ihr?

LESLEY er gibt ihm einen Brief.

So ist an Euch dies niedliche Billett.

DOUGLAS er hat den Brief gelesen.

Ja, ja! Sagt ihm, ich komm. Am Schwarzenstein!

 

Beide gehn ab.

 

 

Diebesherberge

Im Hintergrunde liegen schlafende Menschen. Ein Heiligenbild hängt an der Wand. Die Wanduhr pickt. Abenddämmerung. William Ratcliff sitzt brütend in einer Ecke des Zimmers. In der andern Ecke sitzt Tom, der Wirt, und hält sein Söhnchen Willie zwischen den Knien.

 

TOM leise.

Willie, kannst du das Vaterunser sagen?

WILLIE lachend und laut.

Wie 'n Donnerwetter.

TOM.

Sprich nur nicht so laut,

Du weckst mir ja die müden Leute auf.

WILLIE.

Nun, soll's jetzt losgehn?

TOM.

Ja, doch nicht zu rasch.

WILLIE schnell. »Vater unser im Himmel, dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe auf Erden, wie im Himmel. Gib uns unser täglich Brot immerdar. Und vergib uns unsre Sünden; denn auch wir vergeben allen, die uns schuldig sind. Und führe uns nicht – Stottert. – führe uns nicht – führe uns nicht –«

TOM. Siehst du? du stotterst. »Führe uns nicht in Versuchung«; Fang wieder an von vorn.

WILLIE sieht immer nach William Ratcliff und spricht ängstlich und unsicher. »Vater unser im Himmel, dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe auf Erden, wie im Himmel. Gib uns unser täglich Brot immerdar.