MEHRERE.

Was sieht er? Sieht er Häscher?

LESLEY.

Nein! just das Gegenteil, denn Geister sieht er.

 

Alle lachen.

 

ROBIN verdrießlich.

God damn! Man hat auch keine Ruh' am Tag.

RATCLIFF.

Es dunkelt; ich will gehn.

LESLEY.

Ich gehe mit.

RATCLIFF.

Das leid ich nicht.

LESLEY.

Nur bis zum Schwarzenstein;

Vielleicht stehn Wachen dort.

RATCLIFF.

Die Angst treibt sie

Schon weg; dort ist es nicht geheu'r des Nachts.

LESLEY.

Lebt wohl, ihr Herrn!

RATCLIFF.

Lebt wohl!

ALLE.

Gott segne euch!

 

Ratcliff und Lesley gehn ab.

Die Vorigen ohne Ratcliff und Lesley.

 

ROBIN.

God damn! der ist besoffen oder toll.

DICK.

So war er immer, denn ich kenn ihn noch

Von London her. In Rascal-Tavern hab ich

Ihn oft gesehn. Er pflegte stundenlang

Mit krauser Stirn zu sitzen in der Ecke

Und immer still und stumm ins Licht zu starr'n.

Oft saß er zwischen uns vergnügt und lachend –

Nur lacht' er gar zu hell – erzählte Späße –

Nur gar zu wilde Späße – und er war

Vergnügt und lachte – Oh, da zuckte plötzlich

Und gräßlich spöttisch seine Oberlippe,

Ein Ton des Schmerzes pfiff aus seiner Brust,

Und wütend sprang er auf: »Johann, mein Pferd!« –

Und ritt zum Teufel, und er kam nach ein'gen

Monaten erst zurück. Nach Schottland, sagt man,

Pflegt er alsdann zu reiten, Tag und Nacht.

ROBIN.

Oh, der ist krank.

DICK.

Was kümmert's mich? Lebt wohl.

 

Geht ab.

 

BILL.

Es ist schon Zeit, daß man zur Arbeit geht.

 

Betend vor dem Heiligenbilde.

 

Beschütz mich in Gefahr und gib mir Segen!

 

Er und mehrere gehn ab.

 

ROBIN hält sich seine Faust vorm Gesicht.

Mein Schutzpatron, beschütz mich in Gefahr.

 

Geht ab.

Zwei Gauner bleiben schlafend liegen. Tom, der Wirt, schleicht herein und stiehlt ihnen das Geld aus der Tasche.

 

TOM mit schlauer Miene.

Sie dürfen mich nicht vor Gericht verklagen.

 

Er geht ab.

John und Taddie wachen auf.

 

JOHN gähnend.

Der Schlaf ist doch die köstlichste Erfindung!

TADDIE gähnend.

Komm, John, zum Frühstück.

JOHN.

Frühstück! Was gibt's Neues?

TADDIE.

Gewiß hat man Freund Riffel heut gehängt.

JOHN.

Das Hängen ist die schlechteste Erfindung.

 

Trollen beide fort.

 

 

Wilde Gegend am Schwarzenstein. Nacht

Links abenteuerliche Felsenmassen und Baumstämme. Rechts ein Denkmal in der Form eines Kreuzes. Der Wind braust. Man sieht zwei weiße Nebelgestalten, die sehnsüchtig die Arme gegeneinander ausstrecken, sich nahen, immer wieder auseinanderfahren und endlich verschwinden. Ratcliff tritt auf.

 

RATCLIFF allein.

Hui, wie das pfeift! Die Hölle hat all ihre

Querpfeifer ausgesandt. Die spielen auf.

Der Mond hüllt sich in seinen weiten Plaid,

Und schüttelt nur ein sparsam Licht herab.

 

Ha! ha! meinthalb kann er sich ganz verhüllen.

Denn wie's auch dunkel sei, die Schneelawine

Bedarf nicht der Laterne, um zu schaun,

Wohin sie rollen soll; es wird das Eisen

Den Weg zu dem Magnet von selber finden;

Und ohne Meilenzeiger findet Ratcliffs

Erprobtes Schwert den Weg zu Douglas' Brust.

Ob auch das Gräflein kömmt? Ob nicht der Sturm,

Die Furcht vor Schnupfen, Husten und Erkältung

Es gar zurückhält? Und es denkt vielleicht:

Ich will's auf morgen nacht verschieben.

Ha! ha! –

Und just um diese Nacht ist's mir zu tun.

Kömmt er nicht her, so komme ich zu ihm

Ins Schloß. –

 

An sein Schwert schlagend. –

 

Der Schlüssel paßt für alle Zimmer;

Und diese Freunde –

 

Legt die Hand an die Pistolen im Gürtel. –

 

decken mir den Rücken.

 

Nimmt eine Pistole heraus und betrachtet sie.

 

Der sieht mich an so ehrlich; gerne möcht ich

Auf seinen Mund festdrücken meinen Mund,

Und drücken –

Ach, nach solchem Feuerkusse,

Da wär mir wohl, und wich' mein wildes Weh!

 

Sinnend.

 

Vielleicht im selben Augenblick drückt Douglas

Gleichfalls den Mund fest auf Mariens Mund –

 

Ha! ha! das ist's. Deshalb darf ich nicht sterben.

Ich müßt allnächtlich aus dem Grabe steigen,

Und als ohnmächt'ger Schatten knirschend zusehn:

Wie 'n Gimpel, mit dem lüstern' Mopsgesicht,

Beschnüffelt und begafft Mariens Reize.

Ich darf nicht sterben. Kam ich in den Himmel

Und schaute, durch den Ritz der Himmelsdecke,

Zufällig in Graf Douglas' Schlafgemach –

Ich würde fluchen, daß den frommen Englein

Erblassen würden ihre roten Backen,

Und ängstlich in der Kehle steckenbliebe

Das lange, wässerige Halleluja.

Und bin ich mal verdammt zur ew'gen Hölle,

Wohlan, so will ich auch ein Teufel sein,

Und nicht ein jämmerlicher, armer Sünder.

 

Ratcliff. Douglas.

 

RATCLIFF.

Horch, horch, ich höre Tritte! –

 

Ruft laut. –

 

Holla! holla! –

Wer bist du, der sich dorten naht? Gib Antwort!

DOUGLAS.

Die Stimm' ist mir bekannt. Es ist die Stimme

Des edlen Reiters, der mich jüngst gerettet

Aus Räuberklaun im Wald bei Invernes.

 

Nähert sich ihm.

 

Ja, ja, Ihr seid's, jetzt könnt Ihr nicht entrinnen.

Ich muß Euch danken für die edle Tat.

RATCLIFF.

Oh, spart den Dank. Es war nur eine Grille,

Daß ich Euch half. Drei lagen über Euch.

Das war zuviel. Wär's einer nur gewesen,

Bei Gott! ich wäre still vorbeigeritten.

DOUGLAS.

Seid nicht so grämlich. Laßt uns Freunde werden.

RATCLIFF.

Wohlan, es sei. Doch als Beweis der Freundschaft

Müßt Ihr mir eine Bitte gleich gewähren.

DOUGLAS.

Sprecht nur.