Mit Leib und Seel' gehör ich Euch.

RATCLIFF.

Mein neuer Freund, verlaßt jetzt diesen Platz; –

 

Lachend. –

 

Es seie denn, daß Ihr Graf Douglas hießet.

DOUGLAS befremdet.

Bei Gott, so heiß ich.

RATCLIFF.

Was? Ihr heißt Graf Douglas?

 

Lachend.

 

Oh, das ist schlimm, so ist es ja schon aus

Mit unsrer hübschen, neugebacknen Freundschaft;

Denn wißt, Herr Graf, ich heiße – William Ratcliff.

DOUGLAS wild und das Schwert ziehend.

Du bist der Mörder Macdonalds und Duncans?

RATCLIFF zieht sein Schwert.

Ich bin's, und um das Kleeblatt vollzumachen,

Hab ich auch Euch, Herr Graf, hierher beschieden.

DOUGLAS stürzt auf ihn ein.

Verruchter Mörder, wehr dich deiner Haut.

 

Gefecht.

 

RATCLIFF.

Ha! ha! ich schlag, so gut ich kann. Ha! ha!

DOUGLAS.

Lach nicht so gräßlich auf.

RATCLIFF lachend.

Ich lache nicht,

Das tun die bleichen Nebelmenschen dort –

DOUGLAS.

Lach, wie du willst. Ihr, Schatten Macdonalds

Und Duncans, steht mir bei!

RATCLIFF.

Teufel und Hölle!

Der tote Duncan fängt die Quarten auf.

Misch dich nicht ein, verfluchter toter Fechter!

DOUGLAS.

Ha! ha! der Hieb, der saß!

RATCLIFF.

Tod und Verrat!

Jetzt kommt der Macdonald noch obendrein –

Das ist zuviel – Drei gegen einen –

 

Er weicht zurück und stolpert über das Piedestal des Monuments.

 

Ha!

Fluch und Verdammnis! Ratcliff liegt am Boden –

Stoßt zu, stoßt zu! ich bin Eu'r größter Feind.

DOUGLAS kalt.

Ihr habt jetzund des Douglas Schwert erprobt.

Vielleicht verdankte ich Euch jüngst das Leben.

Jetzt sollt Ihr's mir verdanken. Wir sind quitt.

Ich denk, Ihr kennt mich jetzt, und die Lektion

Hat Euch vielleicht das böse Herz gebessert.

 

Er geht stolz ab.

Ratcliff liegt regungslos am Fuße des Monuments. Der Wind heult wilder. Die zwei Nebelgestalten erscheinen, nahen sich mit ausgestreckten Armen, fahren wieder auseinander und verschwinden.

 

RATCLIFF er steht langsam und betäubt auf.

War's eine Menschenstimme? War's der Wind?

Ein wahnsinnschwangres Wort summt mir im Ohr.

War es ein toller Traum? Wo bin ich denn?

Was ist das für ein Kreuz, und was steht drauf?

 

Er liest die Inschrift des Monuments.

 

»Graf Duncan und Lord Macdonald sind hier

Von gottverfluchter Hand ermordet worden.«

 

Auffahrend.

 

Es ist kein Traum. Ich bin am Schwarzenstein,

Und bin besiegt, verspottet und verachtet!

Boshafte Winde kichern mir ins Ohr:

»Hier steht der Mann, der starke Riesengeist,

Der Großbritanniens Menschen und Gesetze

Verhöhnt, der trotzig mit dem Himmel rechtet –

Nun kann er's nicht verhindern, daß Graf Douglas

Heut nacht in seines Liebchens Armen liegt,

Und lachend ihr erzählet, wie der Wurm,

Der William Ratcliff heißt, am Schwarzenstein

Sich krümmte, jämmerlich am Boden krümmte,

Und wie des Douglas Fuß ihn nicht zertreten,

Um sich nicht zu besudeln« –

 

In Wut ausbrechend. –

 

Oh, verfluchte,

Verdammte Hexen, lacht nicht so entsetzlich,

Reibt nicht verhöhnend eure Zeigefinger!

Ich werfe Felsen auf eu'r scheußlich Haupt,

Ich reiße Schottlands Tannenwälder aus,

Und geißle euch damit den gelben Rücken,

Und mit dem Fuß stampf ich das schwarze Gift

Aus euren dürren, gottverhaßten Leibern!

Nordwind, zerzause und zerreiß die Welt!

Brich, Himmelsdecke, und zermalme mich!

Erde, vernachte und verschlinge mich!

 

Halb wild, halb ängstlich, und in einen geheimnisvollen Ton übergehend.

 

Verdammter Doppelgänger, Nebelmensch,

Anglotze mich nicht mit den stieren Augen –

Mit deinen Augen saugst du aus mein Blut,

Erstarren machst du mich, Eiswasser gießt du

In meine glühnden Adern, machst mich selbst

Zum toten Nachtgespenst – du zeigst dorthin?

Mit langem Nebelarm zeigst du dorthin?

Soll ich? Marie? Die weiße Taube? Blut?

Soll ich? Holla, wer spricht? Das war kein Wind.

Maria soll ich mit mir nehmen? Nickst du?

Es sei, es sei, mein Wille ist von Eisen,

Und ist allmächt'ger noch als Gott und Teufel.

 

Er stürzt fort.

 

 

Mac-Gregors Schloß

Erleuchtetes Zimmer mit einem verhängten Kabinette in der Mitte. Man hört verhallende Tanzmusik und Mädchengekicher. Maria, festlich geschmückt, und Margarete treten eben herein.

 

MARIA.

Ach Gott! mir ist so ängstlich –

MARGARETE.

's tut der Schnürleib.

Komm her, ich will dich ausziehn, liebes Püppchen.

 

Sie hilft Marien beim Auskleiden.

 

MARIA.

Das Herz ist mir beklommen.

MARGARETE.

Ei, mein Püppchen,

Graf Douglas ist ein hübscher Mann.

MARIA heiter lachend.

Das ist er!

Und lustig, und verträglich, und ein Mann!

MARGARETE.

Ist Püppchen auch verliebt?

MARIA.

Verliebt? verliebt?

Oh, das ist dumm. Man muß sich leiden können.

MARGARETE.

Man sprach nicht immer so. Als William Ratcliff –

MARIA hält ihr ängstlich den Mund zu.

Oh, bitte, bitte, bitte, sprich nicht aus

Den bösen Namen, es ist Nacht und spät –

MARGARETE.

Mein Püppchen war verliebt.

MARIA.

Ach nein! Im Anfang,

Da schien er lämmchensanft, und sein Gesicht,

Das schien mir so bekannt, und seine Stimme

Klang mir so weich, und auch sein Odem

Tat meiner Wange heimlich wohl, sein Auge,

Das schaute gar zu spaßhaft lieb und fromm –

 

Zusammenschauernd.

 

Doch plötzlich sah er aus wie ein Gespenst,

So blaß, so starr und wild verzerrt und blutig,

Und drohend grimm, als wollt er mich ermorden –

Er sah fast ähnlich jenem Nebelmann,

Der oft im Traum die Arme nach mir ausstreckt,

Und mich so lang entsetzlich zärtlich anschaut,

Bis daß ich selbst ein luft'ges Bildnis werde,

Und neblicht selbst ausbreite meine Arme.

MARGARETE.

Du bist doch just wie deine sel'ge Mutter;

Sie tat so bös, und doch wie eine Katz'

War sie verliebt in Ratcliff –

MARIA.

Wie, in Ratcliff?

MARGARETE.

In Edward Ratcliff, William Ratcliffs Vater –

Oh, deine Mutter war so hübsch, so hübsch!

Sie hieß Schön-Betty. Locken hatte sie

Wie pures Gold, und Händ' wie Marmelstein,

Und Augen – Oh, die kannte Edward Ratcliff!

Der sah den ganzen Tag hinein, und hat

Sich fast die eignen Augen ausgeguckt –

Und singen konnt sie wie die Nachtigall;

Und wenn sie an dem Herde saß und sang:

 

Sie singt.

 

»Was ist von Blut dein Schwert so rot, Edward? Edward?«

So blieb die Köchin stillstehn, und der Braten

Verbrannte jedesmal – Ach Gott! ich wollte,

Ich hätt ihr nie das böse Lied gelehrt. –

 

Sie weint.

 

MARIA.

Oh, liebe Margarete, o erzähl mir das.

MARGARETE.

Schön-Betty, deine Mutter, saß allein

Und sang: –

 

Sie singt.

 

»Wie ist von Blut dein Schwert so rot,

Edward? Edward?« –

Da sprang ins Zimmer plötzlich Edward Ratcliff,

Und sang im selben Tone trotzig weiter: –

 

Sie singt.

 

»Ich habe geschlagen mein Liebchen tot –

Mein Liebchen war so schön, oh!«

Da hat Schön-Betty sich so sehr entsetzt,

Daß sie den armen, wilden Edward nimmer

Wollt wiedersehn; und um ihn noch zu ärgern,

Heiratete sie deinen Vater. Edward Ratcliff,

Der wurde toll vor Wut, und um zu zeigen,

Daß er Schön-Betty leicht entbehren könne,

Nahm er zur Frau, ganz aus Verzweiflungstrotz,

Lord Campbels Jenny, und der William Ratcliff,

Das ist der Sohn aus dieser tollen Ehe.

MARIA.

Die arme Mutter!

MARGARETE.

Ei, Schön-Betty war

Ein eigensinnig Ding. Ein ganzes Jahr lang

Hat sie den Namen Ratcliff nie genannt.

Doch wie zum zweitenmal Oktober kam –

Ich glaub, es war just Ratcliffs Namenstag –,

Da frug sie, wie von ungefähr: »Margarete,

Hast du von Edward nichts gehört?« – »Oh«, sagt ich,

»Der hat die Jenny Campbel sich zur Frau

Genommen.« – »Campbels Jenny?« rief Schön-Betty,

Und wurde blaß und rot, und bitterlich

Fing sie zu weinen an – dich hielt ich just

Im Schoß, Marie, drei Monat' warst du alt –

Und du fingst auch zu weinen an – und ich,

Um nur Schön-Bettys Tränen fortzuschwatzen,

Erzählte ihr: der Edward könne doch nicht

Ablassen von Schön-Betty, Tag und Nacht

Säh man ihn schleichen hier ums Schloß, man sähe,

Wie er die Arme nach Schön-Bettys Fenster

Sehnsüchtig ausstreckt. – »Oh, das wußt ich längst!«

Rief jetzt Schön-Betty lachend; hastig flog sie

Ans Fenster, streckte aus die Arm' nach Edward –

Oh, das war schlimm, Mac-Gregor sah das just,

Dein eifersücht'ger Vater –

 

Hält erschrocken ein.

 

MARIA.

Nun, und da? Erzähl doch weiter.

MARGARETE.

Nun, und da ist's aus.

MARIA.

Erzähl doch weiter.

MARGARETE ängstlich.

Nun, am andern Morgen

Lag, bei der alten Schloßmau'r, tot und blutig

Der Edward Ratcliff –

MARIA.

Und die arme Mutter?

MARGARETE.

Je nun, die starb, vor Schreck, drei Tage drauf.

MARIA.

O das ist gräßlich!

MARGARETE im kalten, höhnischen Wahnsinntone.

Hättest du erst selbst

Gesehn mit deinen kleinen Augen, Püppchen,

Wie an der Schloßmau'r Edward Ratcliff lag –

Hu, hu, das blut'ge Bild klebt mir im Kopf!

Und weil ich weiß, wer ihn erschlagen hat,

Und weil ich das niemanden sagen darf,

Und weil ich toll bin – hu! kann ich nicht schlafen,

Und überall seh ich den Edward Ratcliff,

Den bleichen, blutigen, mit seinen starren,

Dolchspitzen Augen, mit dem Zeigefinger

Gespenstisch aufgehoben, langsam schreitend –

 

William Ratcliff, bleich, verstört und blutig, tritt herein.

Die Vorigen.

 

MARGARETE wild aufschreiend.

Jesus Marie, der tote Edward Ratcliff!

 

Sie kauert nieder in einer Ecke des Zimmers und bleibt dort starr und regungslos sitzen.

 

MARIA aufschreiend.

Entsetzlicher! Bringst du mir Douglas' Ring?

RATCLIFF bitter lachend.

Das Karussell, das Ringestechen, ist

Jetzt aus. Zwei Ringe stach ich, doch der dritte

Wollt sich nicht stechen lassen, und ich stürzte

Hinunter von dem Holzpferd.

MARIA plötzlich im vertraulich ängstlichen Tone.

William! William!

Du blutest ja. Komm her, ich will die Wunde

Verbinden. –

 

Sie zerreißt ihren weißen Hochzeitschleier. –

 

Gott! Wo bin ich? Böser William –

Nein, du bist Edward, ich, ich bin Schön-Betty –

Dein armer Kopf ist blutig, und der mein'ge

Ist so verwirrt – Ich weiß nicht, was ich tu –

Komm her; wenn du mich liebhast, kniee nieder –

 

Sie will ihm die Kopfwunde verbinden.

 

RATCLIFF stürzt zu ihren Füßen.