Meine Zeit ist mir nämlich nur sehr sparsam zugemessen.«
Ich zog meine Uhr, zeigte ihnen das Zifferblatt und fügte hinzu:
»Es ist, wie ihr seht, jetzt genau acht Uhr. Ihr könnt also bis Viertel auf neun mit dem Schriftsteller und bis halb neun mit dem Westmann reden; dann ist unsere Zusammenkunft zu Ende.«
»Aber,« warf Sebulon ein, »Ihr habt uns doch geschrieben, daß Ihr zwei volle Stunden für uns haben werdet!«
»Allerdings! Ich hatte da anderthalb Stunden für den ›Freund‹ gerechnet. Da ihr aber nur mit dem ›Schriftsteller‹ und nur vielleicht auch mit dem ›Westmann‹ reden wollt, aus den ›Freund‹ aber gar nicht reflektiert, so bleibt es eben bei der halben Stunde.«
»Wir hoffen aber, daß wir Freunde werden. In diesem Falle dürfen wir auf zwei Stunden rechnen?«
»Sogar auf noch mehr. Also, beginnen wir! Von der ersten Viertelstunde sind bereits drei Minuten vorüber – – –«
»Ihr habt eine eigentümliche Art, Geschäfte zu besprechen!« rief Sebulon ärgerlich.
»Nur dann, wenn ich schon abgelehnt habe und dennoch gezwungen werde, von Neuem Zeit für die erledigte Angelegenheit zu opfern. Also – – bitte – –!«
Da nahm Hariman das Wort:
»Es handelt sich also um Eure drei Bände ›Winnetou‹, die wir Euch abkaufen wollen – – –«
»Um sie drucken zu lassen?« fiel ich ihm in die Rede.
»Kauft man etwa Bücher, um – – –«
»Bitte, keine Verstecke! Kurze Antwort! Ja oder nein! Wollt ihr sie übersetzen und drucken lassen?«
Sie schauten einander verlegen an. Keiner antwortete. Da fuhr ich fort:
»Da ihr schweigt, will ich an eurer Stelle antworten: Ihr wollt sie nicht drucken, sondern verschwinden lassen, und zwar aus Rücksicht auf euern eigentlichen Namen und auf euern toten Vater.«
Da sprangen Beide zu gleicher Zeit von der Bank auf und warfen mir Ausrufungen und Fragen zu, denen ich mit einer energischen Armbewegung ein Ende machte, indem ich rief:
»Still, still! Ich bitte, zu schweigen! Den Schriftsteller könntet ihr vielleicht täuschen, den Westmann aber nicht. Euer Name ist Sander. Ihr seid die Söhne jenes Sander, der mich leider zwang, von ihm so viel nicht Angenehmes zu erzählen. Ich hoffe, daß ich von euch Besseres berichten kann als von ihm!«
Sie standen zunächst unbeweglich, wie Bildsäulen aus Holz. Dann setzten sie sich wieder nieder, Einer nach dem Andern, als ob ihnen die Kraft fehle, stehen zu bleiben. Sie sahen vor sich nieder und sagten nichts.
»Nun?« fragte ich.
Da wendete sich Hariman an Sebulon:
»Ich sagte es dir voraus; du aber glaubtest es nicht. Ihm darf man nicht in dieser Weise kommen! Soll ich reden?«
Sebulon nickte. Da drehte Hariman sich wieder mir zu und fragte:
»Seid Ihr bereit, uns die Erzählungen zu verkaufen, um sie verschwinden zu lassen?«
»Nein.«
»Um keinen Preis?«
»Um keinen, sei er auch noch so hoch! Aber nicht etwa aus Rachsucht oder Halsstarrigkeit, sondern weil ein solcher Kauf Euch überhaupt nichts nützen würde. Was ich geschrieben habe, kann nicht wieder verschwinden. Es sind viele tausend deutsche Exemplare des ›Winnetou‹ hier in den Vereinigten Staaten verbreitet, und nach den hiesigen Gesetzen bin ich als Verfasser ungeschützt. Jedermann hat das Recht, zu übersetzen oder nachzudrucken, so viel ihm nur beliebt. Das weiß jeder Buchhändler, und Ihr habt mir durch Eure Offerte also schon drüben, als Ihr bei mir waret, bewiesen, daß Ihr keiner seid. Ich könnte Euer Geld einstecken und hinter Euch lachen. Wollt Ihr das?«
»Hörst du es?« fragte Hariman seinen Bruder. »Er ist ehrlich!«
Da stand Sebulon von seinem Platze wieder auf und stellte sich gerade vor mich hin. Seine Augen brannten, und seine Lippen bebten.
»Mr. Burton,« sagte er, »zeigt mir Eure Uhr!«
Ich erfüllte ihm diesen Wunsch.
»Nur noch zwei Minuten; dann ist die Viertelstunde zu Ende!« nickte er. »Ihr seht, ich gehe auf die Zeitportionen, die Ihr uns zuteilt, ein. Ich mache es genau so kurz, wie Ihr es wollt. Die Folgen aber kommen dann nicht über uns, sondern über Euch und Euer Gewissen! Ja, wir heißen Sander, und unser Vater war der, den Ihr kennt. Verkauft Ihr uns den Winnetou?«
»Nein!«
»Fertig mit dem Schriftsteller! Die Zeit ist vorüber, genau bis auf die Sekunde. Nun fünfzehn weitere Minuten für den Westmann! Ich frage Euch: Was haben wir Euch dafür zu zahlen, daß Ihr uns Beide nach dem Nugget-tsil und nach dem ›Dunkeln Wasser‹ führt?«
»Ich tue das überhaupt nicht; ich bin kein Fremdenführer.«
»Aber wenn man es gut, sehr gut bezahlt?«
»Auch dann nicht. Ich brauche kein Geld.
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