Du wirst kommen, und ich werde kommen. Meine Seele freut sich auf die Deinige. Ich zähle die Tage, Stunden und Minuten, bis ich Dich sehen werde!
Dein roter Bruder
Schahko Matto,
Häuptling der Osagen.«
Auch dieser Brief war englisch geschrieben, und zwar von seinem Sohne, dessen Handschrift ich kannte, weil ich im Briefwechsel mit ihm stehe. Zudem hatte Schahko Matto sein ledernes Totem beigelegt, wie er immer tat, wenn es sich um etwas Wichtiges handelte. Ich konnte also die Vermutung einer Fopperei fallen lassen. Die Sache war Wirklichkeit, war Ernst. Der Gedanke, hinüberzugehen, begann, mich lebhaft zu beschäftigen. Freilich aber war es, um diesen Gedanken zum Entschlusse zu bringen, nötig, vorher erst noch Näheres und Bestimmteres zu erfahren. Und das ließ nicht lange auf sich warten. Ich erhielt einen großbogigen, wie amtlich zusammengelegten Schreibebrief, welcher den Zweck hatte, eine Einladung zu sein, aber seines Tones wegen war er schon richtiger als eine »Zufertigung« zu bezeichnen. Ich gebe ihn in deutscher Uebersetzung, die Ueberschrift abgerechnet:
»Dear Sir,
In den vorjährigen Versammlungen der Häuptlinge wurde einmütig beschlossen, den hierzu geeignetsten Berg des Felsengebirges forthin mit dem Namen Winnetous, des berühmtesten Häuptlings aller Nationen, zu bezeichnen. Es wurde hierzu die höchstwahrscheinlich auch Ihnen wenigstens geographisch bekannte Kulmination gewählt, auf welche der geheimnisvolle Medizinmann Tatellah-Tatah (Thousand-jears) sich zurückgezogen hat. Am Fuße resp. auf den Stufen dieses Berges sollen um die Mitte des heurigen September folgende Versammlungen abgehalten werden:
1. Das Campmeeting der alten Häuptlinge.
2. Das Campmeeting der jungen Häuptlinge.
3. Das Campmeeting der Häuptlingsfrauen.
4. Das Campmeeting aller außerdem berühmten roten Männer und roten Frauen.
5. Das Schlußmeeting unter der Leitung des hier unterzeichneten Komitees.
Es wird in Ihr Belieben gestellt, sich hierzu persönlich einzufinden und bei dem Vorsitzenden oder dessen Stellvertreter zu melden, wobei Ihnen der Gegenstand aller dieser Beratungen bekannt gegeben wird. Zugleich werden Sie darauf aufmerksam gemacht, daß diese Meetings ebenso wie sämtliche Vorbereitungen zu ihnen vor den Angehörigen anderer Rassen vollständig geheim zu halten sind. Wir verpflichten Sie hiermit zur strengsten Diskretion und fühlen uns berechtigt, anzunehmen, daß wir Ihre ehrenwörtliche Versicherung, zu schweigen, bereits bekommen haben. Nummermarken für die bei unsern Zusammenkünften Ihnen anzuweisenden Plätze haben Sie sich bei dem unterzeichneten Schriftführer persönlich abzuholen. Sämtliche Reden zum Beratungsgegenstande sind des bessern Verständnisses wegen in englischer Sprache zu halten.
Hochachtungsvoll
Das Komitee.
Gezeichnet:
Simon Bell (Tscho-lo-let),
Professor der Philosophie, als Vorsitzender.
Edward Summer (Ti-iskama),
Professor der Klassikal-Philologie,
als Stellvertreter des Vorsitzenden.
William Evening (Pe-widah),
Agent, als Schriftführer.
Antonius Paper (Okih-tschin-tscha),
Bankier, als Kassierer.
Old Surehand,
Partikulier, als Direktor.«
Ganz unten am Rande dieses Schriftstückes stand die von dem letzteren selbst geschriebene Privatbemerkung:
»Ich hoffe, das Du auf alle Fälle kommst. Betrachte mein Haus als das Deinige, auch wenn wir nicht daheim sind. Ich bin als Direktor jetzt leider stets unterwegs. Es gibt für Dich eine ungeheuer freudige Ueberraschung. Du wirst entzückt sein über die Leistung unserer beiden Jungens.
Dein alter, treuer Old Surehand.«
Ich füge zu diesem langen Briefe gleich den folgenden, kürzeren, der bei mir eintraf. Er lautete:
»Mein Bruder!
Ich weiß, daß Du eingeladen bist. Versäume ja nicht, Dich einzustellen! Ich freue mich unbeschreiblich auf Dich. Die beiden Boys werden Dir noch besonders schreiben.
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