– Nichts ist somit dieselbe Bestimmung oder vielmehr Bestimmungslosigkeit und damit überhaupt dasselbe, was das reine Sein ist.

 

C. Werden

a. Einheit des Seins und Nichts

Das reine Sein und das reine Nichts ist also dasselbe. Was die Wahrheit ist, ist weder das Sein noch das Nichts, sondern daß das Sein in Nichts und das Nichts in Sein – nicht übergeht, sondern übergegangen ist. Aber ebensosehr ist die Wahrheit nicht ihre Ununterschiedenheit, sondern daß sie nicht dasselbe, daß sie absolut unterschieden, aber ebenso ungetrennt und untrennbar sind und unmittelbar jedes in seinem Gegenteil verschwindet. Ihre Wahrheit ist also diese Bewegung des unmittelbaren Verschwindens des einen in dem anderen: das Werden; eine Bewegung, worin beide unterschieden sind, aber durch einen Unterschied, der sich ebenso unmittelbar aufgelöst hat.[83]

 

Anmerkung 1

Nichts pflegt dem Etwas entgegengesetzt zu werden; Etwas aber ist schon ein bestimmtes Seiendes, das sich von anderem Etwas unterscheidet; so ist also auch das dem Etwas entgegengesetzte Nichts, das Nichts von irgend Etwas, ein bestimmtes Nichts. Hier aber ist das Nichts in seiner unbestimmten Einfachheit zu nehmen. – Wollte man es für richtiger halten, daß statt des Nichts dem Sein das Nichtsein entgegengesetzt würde, so wäre in Rücksicht auf das Resultat nichts dawider zu haben, denn im Nichtsein ist die Beziehung auf das Sein enthalten; es ist beides, Sein und die Negation desselben, in einem ausgesprochen, das Nichts, wie es im Werden ist. Aber es ist zunächst nicht um die Form der Entgegensetzung, d. i. zugleich der Beziehung zu tun, sondern um die abstrakte, unmittelbare Negation, das Nichts rein für sich, die beziehungslose Verneinung, – was man, wenn man will, auch durch das bloße Nicht ausdrücken könnte.

Den einfachen Gedanken des reinen Seins haben die Eleaten zuerst, vorzüglich Parmenides als das Absolute und als einzige Wahrheit, und, in den übergebliebenen Fragmenten von ihm, mit der reinen Begeisterung des Denkens, das zum ersten Male sich in seiner absoluten Abstraktion erfaßt, ausgesprochen: nur das Sein ist, und das Nichts ist gar nicht. – In orientalischen Systemen, wesentlich im Buddhismus, ist bekanntlich das Nichts, das Leere, das absolute Prinzip. – Der tiefsinnige Heraklit hob gegen jene einfache und einseitige Abstraktion den höheren totalen Begriff des Werdens hervor und sagte: das Sein ist sowenig als das Nichts, oder auch: Alles fließt, das heißt: Alles ist Werden. – Die populären, besonders orientalischen Sprüche, daß alles, was ist, den Keim seines Vergehens in seiner Geburt selbst habe, der Tod umgekehrt der Eingang in neues Leben sei, drüben im Grunde dieselbe Einigung des Seins und Nichts aus. Aber diese Ausdrücke haben ein Substrat, an dem der Übergang[84] geschieht; Sein und Nichts werden in der Zeit auseinandergehalten, als in ihr abwechselnd vorgestellt, nicht aber in ihrer Abstraktion gedacht, und daher auch nicht so, daß sie an und für sich dasselbe sind.

»Ex nihilo nihil fit« ist einer der Sätze, denen in der Metaphysik große Bedeutung zugeschrieben wurde. Es ist darin entweder nur die gehaltlose Tautologie zu sehen: Nichts ist Nichts; oder wenn das Werden wirkliche Bedeutung darin haben sollte, so ist vielmehr, indem nur Nichts aus Nichts wird, in der Tat kein Werden darin vorhanden, denn Nichts bleibt darin Nichts. Das Werden enthält, daß Nichts nicht Nichts bleibe, sondern in sein Anderes, in das Sein übergehe. – Wenn die spätere, vornehmlich christliche Metaphysik den Satz, aus Nichts werde Nichts, verwarf, so behauptete sie einen Übergang von Nichts in Sein; so synthetisch oder bloß vorstellend sie auch diesen Satz nahm, so ist doch auch in der unvollkommensten Vereinigung ein Punkt enthalten, worin Sein und Nichts zusammentreffen und ihre Unterschiedenheit verschwindet. – Seine eigentliche Wichtigkeit hat der Satz »Aus Nichts wird Nichts, Nichts ist eben Nichts« durch seinen Gegensatz gegen das Werden überhaupt und damit auch gegen die Erschaffung der Welt aus Nichts. Diejenigen, welche den Satz »Nichts ist eben Nichts«, sogar sich dafür ereifernd, behaupten, sind bewußtlos darüber, daß sie damit dem abstrakten Pantheismus der Eleaten, der Sache nach auch dem spinozistischen, beipflichten. Die philosophische Ansicht, welcher »Sein ist nur Sein, Nichts ist nur Nichts« als Prinzip gilt, verdient den Namen Identitätssystem; diese abstrakte Identität ist das Wesen des Pantheismus.

Wenn das Resultat, daß Sein und Nichts dasselbe ist, für sich auffällt oder paradox scheint, so ist hierauf nicht weiter zu achten; es wäre sich vielmehr über jene Verwunderung zu verwundern, die sich so neu in der Philosophie zeigt und vergißt, daß in dieser Wissenschaft ganz andere Bestimmungen vorkommen als im gewöhnlichen Bewußtsein und im[85] sogenannten gemeinen Menschenverstande, der nicht gerade der gesunde, sondern auch der zu Abstraktionen und zu dem Glauben oder vielmehr Aberglauben an Abstraktionen heraufgebildete Verstand ist. Es wäre nicht schwer, diese Einheit von Sein und Nichts in jedem Beispiele, in jedem Wirklichen oder Gedanken aufzuzeigen. Es muß dasselbe, was oben von der Unmittelbarkeit und Vermittlung (welche letztere eine Beziehung aufeinander, damit Negation enthält), vom Sein und Nichts gesagt werden, daß es nirgend im Himmel und auf Erden etwas gebe, was nicht beides. Sein und Nichts, in sich enthielte. Freilich, da hierbei von einem irgend Etwas und Wirklichem die Rede wird, so sind darin jene Bestimmungen nicht mehr in der vollkommenen Unwahrheit, in der sie als Sein und Nichts sind, vorhanden, sondern in einer weiteren Bestimmung, und werden z.B. als Positives und Negatives aufgefaßt, jenes das gesetzte, reflektierte Sein, dieses das gesetzte, reflektierte Nichts; aber Positives und Negatives enthalten jenes das Sein, dieses das Nichts als ihre abstrakte Grundlage. – So in Gott selbst enthält die Qualität, Tätigkeit, Schöpfung, Macht usf. wesentlich die Bestimmung des Negativen, – sie sind ein Hervorbringen eines Anderen. Aber eine empirische Erläuterung von jener Behauptung durch Beispiele wäre hier ganz und gar überflüssig. Da nunmehr diese Einheit von Sein und Nichts als erste Wahrheit ein für allemal zugrunde liegt und das Element von allem Folgenden ausmacht, so sind außer dem Werden selbst alle ferneren logischen Bestimmungen: Dasein, Qualität, überhaupt alle Begriffe der Philosophie, Beispiele dieser Einheit.