Das Bewußtsein ist der Geist als konkretes, und zwar in der Äußerlichkeit befangenes Wissen; aber die Fortbewegung dieses Gegenstandes beruht allein, wie die Entwicklung alles natürlichen und geistigen Lebens, auf der Natur der reinen Wesenheiten, die den Inhalt der Logik ausmachen. Das Bewußtsein, als der erscheinende Geist, welcher sich auf seinem Wege von seiner Unmittelbarkeit und äußerlichen Konkretion befreit, wird zum reinen Wissen, das sich jene reinen Wesenheiten selbst, wie sie an und für sich sind, zum Gegenstand gibt. Sie sind die reinen Gedanken, der sein Wesen denkende Geist. Ihre Selbstbewegung ist ihr geistiges Leben und ist das, wodurch sich die Wissenschaft konstituiert und dessen Darstellung sie ist.[17]
Es ist hiermit die Beziehung der Wissenschaft, die ich Phänomenologie des Geistes nenne, zur Logik angegeben. – Was das äußerliche Verhältnis betrifft, so war dem ersten Teil des Systems der Wissenschaft2, der die Phänomenologie enthält, ein zweiter Teil zu folgen bestimmt, welcher die Logik und die beiden realen Wissenschaften der Philosophie, die Philosophie der Natur und die Philosophie des Geistes, enthalten sollte und das System der Wissenschaft beschlossen haben würde. Aber die notwendige Ausdehnung, welche die Logik für sich erhalten mußte, hat mich veranlaßt, diese besonders ans Licht treten zu lassen; sie macht also in einem erweiterten Plane die erste Folge zur Phänomenologie des Geistes aus. Späterhin werde ich die Bearbeitung der beiden genannten realen Wissenschaften der Philosophie folgen lassen. – Dieser erste Band der Logik aber enthält als erstes Buch die Lehre vom Sein, das zweite Buch, die Lehre vom Wesen, als zweite Abteilung des ersten Bandes; der zweite Band aber wird die subjektive Logik oder die Lehre vom Begriff enthalten.
Nürnberg, den 22. März 1812[18]
Fußnoten
1 Phänomenologie des Geistes, Vorrede zur ersten Ausgabe. – Die eigentliche Ausführung ist die Erkenntnis der Methode und hat ihre Stelle in der Logik selbst.
2 (Bamberg und Würzburg bei Göbhard 1807.) Dieser Titel wird der zweiten Ausgabe, die auf nächste Ostern erscheinen wird, nicht mehr beigegeben werden. – An die Stelle des im folgenden erwähnten Vorhabens eines zweiten Teils, der die sämtlichen anderen philosophischen Wissenschaften enthalten sollte, habe ich seitdem die Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, voriges Jahr in der dritten Ausgabe, ans Licht treten lassen.
Vorrede zur zweiten Ausgabe
An diese neue Bearbeitung der Wissenschaft der Logik, wovon hiermit der erste Band erscheint, bin ich wohl mit dem ganzen Bewußtsein sowohl der Schwierigkeit des Gegenstandes für sich und dann seiner Darstellung als der Unvollkommenheit, welche die Bearbeitung desselben in der ersten Ausgabe an sich trägt, gegangen; sosehr ich nach weiterer vieljähriger Beschäftigung mit dieser Wissenschaft bemüht gewesen, dieser Unvollkommenheit abzuhelfen, so fühle ich, noch Ursache genug zu haben, die Nachsicht des Lesers in Anspruch zu nehmen. Ein Titel solchen Anspruchs aber zunächst darf wohl auf den Umstand gegründet werden, daß sich für den Inhalt vornehmlich nur äußerliches Material in der früheren Metaphysik und Logik vorgefunden hat. So allgemein und häufig dieselben, die letztere noch bis auf unsere Zeiten fort, getrieben worden, sowenig hat solche Bearbeitung die spekulative Seite betroffen; vielmehr ist im Ganzen dasselbe Material wiederholt, abwechselnd bald bis zu trivialer Oberflächlichkeit verdünnt, bald der alte Ballast umfangreicher von neuem hervorgeholt und mitgeschleppt worden, so daß durch solche, häufig ganz nur mechanische Bemühungen dem philosophischen Gehalt kein Gewinn zuwachsen konnte. Das Reich des Gedankens philosophisch, d. i. in seiner eigenen immanenten Tätigkeit oder, was dasselbe ist, in seiner notwendigen Entwicklung darzustellen, mußte deswegen ein neues Unternehmen sein und dabei von vorne angefangen werden; jenes erworbene Material, die bekannten Denkformen, aber ist als eine höchst wichtige Vorlage, ja eine notwendige Bedingung [und] dankbar anzuerkennende Voraussetzung anzusehen, wenn dieselbe auch nur hie und da einen dürren Faden oder die leblosen Knochen eines Skeletts, sogar in Unordnung untereinander geworfen, dargibt.[19]
Die Denkformen sind zunächst in der Sprache des Menschen herausgesetzt und niedergelegt; es kann in unseren Tagen nicht oft genug daran erinnert werden, daß das, wodurch sich der Mensch vom Tiere unterscheidet, das Denken ist. In alles, was ihm zu einem Innerlichen, zur Vorstellung überhaupt wird, was er zu dem Seinigen macht, hat sich die Sprache eingedrängt, und was er zur Sprache macht und in ihr äußert, enthält eingehüllter, vermischter oder herausgearbeitet eine Kategorie; so sehr natürlich ist ihm das Logische, oder vielmehr: dasselbige ist seine eigentümliche Natur selbst. Stellt man aber die Natur überhaupt, als das Physikalische, dem Geistigen gegenüber, so müßte man sagen, daß das Logische vielmehr das Übernatürliche ist, welches sich in alles Naturver halten des Menschen, in sein Empfinden, Anschauen, Begehren, Bedürfnis, Trieb eindrängt und es dadurch überhaupt zu einem Menschlichen, wenn auch nur formell, zu Vorstellungen und Zwecken macht. Es ist der Vorteil einer Sprache, wenn sie einen Reichtum an logischen Ausdrücken, nämlich eigentümlichen und abgesonderten, für die Denkbestimmungen selbst besitzt; von den Präpositionen, Artikeln gehören schon viele solchen Verhältnissen an, die auf dem Denken beruhen; die chinesische Sprache soll es in ihrer Ausbildung gar nicht oder nur dürftig bis dahin gebracht haben; aber diese Partikeln treten ganz dienend, nur etwas weniges abgelöster als die Augmente, Flexionszeichen u. dgl. auf. Viel wichtiger ist es, daß in einer Sprache die Denkbestimmungen zu Substantiven und Verben herausgestellt und so zur gegenständlichen Form gestempelt sind; die deutsche Sprache hat darin viele Vorzüge vor den anderen modernen Sprachen; sogar sind manche ihrer Wörter von der weiteren Eigenheit, verschiedene Bedeutungen nicht nur, sondern entgegengesetzte zu haben, so daß darin selbst ein spekulativer Geist der Sprache nicht zu verkennen ist; es kann dem Denken eine Freude gewähren, auf solche Wörter zu stoßen und die Vereinigung Entgegengesetzter, welches Resultat der Spekulation für den Verstand aber widersinnig[20] ist, auf naive Weise schon lexikalisch als ein Wort von den entgegengesetzten Bedeutungen vorzufinden. Die Philosophie bedarf daher überhaupt keiner besonderen Terminologie; es sind wohl aus fremden Sprachen einige Wörter aufzunehmen, welche jedoch durch den Gebrauch bereits das Bürgerrecht in ihr erhalten haben, – ein affektierter Purismus würde da, wo es am entschiedensten auf die Sache ankommt, am wenigsten am Platze sein. – Das Fortschreiten der Bildung überhaupt und insbesondere der Wissenschaften, selbst der empirischen und sinnlichen, indem sie im allgemeinen sich in den gewöhnlichsten Kategorien (z.B. eines Ganzen und der Teile, eines Dinges und seiner Eigenschaften und dergleichen) bewegen, fördert nach und nach auch höhere Denkverhältnisse zutage oder hebt sie wenigstens zu größerer Allgemeinheit und damit zu näherer Aufmerksamkeit hervor. Wenn z.B. in der Physik die Denkbestimmung der Kraft vorherrschend geworden ist, so spielt in neuerer Zeit die Kategorie der Polarität, die übrigens zu sehr à tort et à travers in alles, selbst in das Licht eingedrängt wird, die bedeutendste Rolle, – die Bestimmung von einem Unterschiede, in welchem die Unterschiedenen untrennbar verbunden sind; daß auf solche Weise von der Form der Abstraktion, der Identität, durch welche eine Bestimmtheit z.B. als Kraft eine Selbständigkeit erhält, fortgegangen [wird] und die Form des Bestimmens, des Unterschiedes, welcher zugleich als ein Untrennbares in der Identität bleibt, herausgehoben und eine geläufige Vorstellung geworden [ist], ist von unendlicher Wichtigkeit. Die Naturbetrachtung bringt durch die Realität, in welcher ihre Gegenstände sich festhalten, dieses Zwingende mit sich, die Kategorien, die in ihr nicht länger ignoriert werden können, wenn auch mit der größten Inkonsequenz gegen andere, die auch geltend gelassen werden, zu fixieren und es nicht zu gestatten, daß, wie im Geistigen leichter geschieht, zu Abstraktionen von dem Gegensatze und zu Allgemeinheiten übergegangen wird.[21]
Aber indem so die logischen Gegenstände wie deren Ausdrücke etwa in der Bildung Allbekanntes sind, so ist, wie ich anderwärts gesagt, was bekannt ist, darum nicht erkannt; und es kann selbst die Ungeduld erregen, sich noch mit Bekanntem beschäftigen zu sollen, – und was ist bekannter als eben die Denkbestimmungen, von denen wir allenthalben Gebrauch machen, die uns in jedem Satze, den wir sprechen, zum Munde herausgehen. Über den Gang des Erkennens von diesem Bekannten aus, über das Verhältnis des wissenschaftlichen Denkens zu diesem natürlichen Denken die allgemeinen Momente anzugeben, soll dieses Vorwort bestimmt sein; so viel, zusammengenommen mit dem, was die frühere Einleitung enthält, wird hinreichend sein, um eine allgemeine Vorstellung, wie man eine solche von einer Wissenschaft zum voraus, vor derselben, welche die Sache selbst ist, zu erhalten fordert, von dem Sinne des logischen Erkennens zu geben.
Zunächst ist es als ein unendlicher Fortschritt anzusehen, daß die Formen des Denkens von dem Stoffe, in welchen sie im selbstbewußten Anschauen, Vorstellen wie in unserem Begehren und Wollen oder vielmehr auch in dem vorstellenden Begehren und Wollen (und es ist kein menschliches Begehren oder Wollen ohne Vorstellen) versenkt sind, befreit, diese Allgemeinheiten für sich herausgehoben und, wie Platon, dann aber Aristoteles vornehmlich getan, zum Gegenstande der Betrachtung für sich gemacht worden [sind]; dies gibt den Anfang des Erkennens derselben.
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