»Erst nachdem beinahe alles Notwendige« sagt Aristoteles, »und was zur Bequemlichkeit und zum Verkehr des Lebens gehört, vorhanden war, hat man angefangen, sich um philosophische Erkenntnis zu bemühen.« »In Ägypten«, hatte er vorher bemerkt, »sind die mathematischen Wissenschaften früh ausgebildet[22] worden, weil daselbst der Priesterstand früh in die Lage versetzt worden, Muße zu haben. « – In der Tat setzt das Bedürfnis, sich mit den reinen Gedanken zu beschäftigen, einen weiten Gang voraus, den der Menschengeist durchgemacht haben muß; es ist, kann man sagen, das Bedürfnis des schon befriedigten Bedürfnisses der Notwendigkeit, der Bedürfnislosigkeit, zu dem er gekommen sein muß, der Abstraktion von dem Stoffe des Anschauens, Einbildens usf., der konkreten Interessen des Begehrens, der Triebe, des Willens, in welchem Stoffe die Denkbestimmungen eingehüllt stecken. In den stillen Räumen des zu sich selbst gekommenen und nur in sich seienden Denkens schweigen die Interessen, welche das Leben der Völker und der Individuen bewegen. »Nach so vielen Seiten«, sagt Aristoteles in demselben Zusammenhange, »ist die Natur des Menschen abhängig; aber diese Wissenschaft, die nicht zu einem Gebrauche gesucht wird, ist allein die an und für sich freie, und sie scheint darum nicht ein menschlicher Besitz zu sein.«- Die Philosophie überhaupt hat es noch mit konkreten Gegenständen, Gott, Natur, Geist, in ihren Gedanken zu tun, aber die Logik beschäftigt sich ganz nur mit diesen für sich in ihrer vollständigen Abstraktion. Diese Logik pflegt darum dem Studium der Jugend zunächst anheimzufallen, als welche noch nicht in die Interessen des konkreten Lebens eingetreten ist, in der Muße in Rücksicht derselben lebt und nur erst für ihren subjektiven Zweck mit der Erwerbung der Mittel und der Möglichkeit, in den Objekten jener Interessen tätig zu werden, sich – und mit diesen selbst noch theoretisch – zu beschäftigen hat. Unter diese Mittel wird im Widerspiele von der angeführten Vorstellung des Aristoteles die logische Wissenschaft gerechnet; die Bemühung mit derselben[23] ist eine vorläufige Arbeit, ihr Ort die Schule, auf welche erst der Ernst des Lebens und die Tätigkeit für die wahrhaften Zwecke folgen soll. Im Leben geht es zum Gebrauch der Kategorien; sie werden von der Ehre, für sich betrachtet zu werden, dazu herabgesetzt, in dem geistigen Betrieb lebendigen Inhalts in dem Erschaffen und Auswechseln der darauf bezüglichen Vorstellungen zu dienen – teils als Abbreviaturen durch ihre Allgemeinheit; denn welche unendliche Menge von Einzelheiten des äußerlichen Daseins und der Tätigkeit faßt die Vorstellung: Schlacht, Krieg, Volk oder Meer, Tier usf. in sich zusammen; wie ist in der Vorstellung: Gott oder Liebe usf. in die Einfachheit solchen Vorstellens eine unendliche Menge von Vorstellungen, Tätigkeit, Zuständen usf. epitomiert!, – teils zur näheren Bestimmung und Findung der gegenständlichen Verhältnisse, wobei aber Gehalt und Zweck, die Richtigkeit und Wahrheit des sich einmischenden Denkens ganz von dem Vorhandenen selbst abhängig gemacht ist und den Denkbestimmungen für sich keine inhaltbestimmende Wirksamkeit zugeschrieben wird. Solcher Gebrauch der Kategorien, der vorhin die natürliche Logik genannt worden ist, ist bewußtlos; und wenn ihnen in wissenschaftlicher Reflexion das Verhältnis, als Mittel zu dienen, im Geiste angewiesen wird, so wird das Denken überhaupt zu etwas den anderen geistigen Bestimmungen Untergeordnetem gemacht. Von unseren Empfindungen, Trieben, Interessen sagen wir nicht wohl, daß sie uns dienen, sondern sie gelten als selbständige Kräfte und Mächte, so daß wir dies selbst sind, so zu empfinden, dies zu begehren und zu wollen, in dies unser Interesse zu legen. Aber wieder kann es vielmehr unser Bewußtsein werden, daß wir im Dienste unserer Gefühle, Triebe, Leidenschaften, Interessen, ohnehin von Gewohnheiten stehen, als daß wir sie im Besitz haben, noch weniger, daß sie bei unserer innigen Einheit mit ihnen uns als Mittel dienen. Dergleichen Bestimmungen des Gemüts und Geistes zeigen sich uns bald als besondere im Gegensatze gegen die Allgemeinheit, als die wir uns bewußt[24] werden, in der wir unsere Freiheit haben, und [wir] halten dafür, in diesen Besonderheiten vielmehr befangen zu sein, von ihnen beherrscht zu werden. Sonach können wir dann viel weniger dafür halten, daß die Denkformen, die sich durch alle unsere Vorstellungen – diese seien bloß theoretisch oder enthalten einen Stoff, der der Empfindung, dem Triebe, dem Willen angehört – hindurchziehen, uns dienen, daß wir sie und sie nicht vielmehr uns im Besitz haben; was ist uns übrig gegen sie, wie sollen wir, ich mich als das Allgemeinere über sie hinausstellen, sie, die selbst das Allgemeine als solches sind? Wenn wir uns in eine Empfindung, Zweck, Interesse legen und uns darin beschränkt, unfrei fühlen, so ist der Ort, in den wir [uns] daraus heraus- und in die Freiheit zurückzuziehen vermögen, dieser Ort der Gewißheit seiner selbst, der reinen Abstraktion, des Denkens. Oder ebenso, wenn wir von den Dingen sprechen wollen, so nennen wir die Natur oder das Wesen derselben ihren Begriff, und dieser ist nur für das Denken; von den Begriffen der Dinge aber werden wir noch viel weniger sagen, daß wir sie beherrschen oder daß die Denkbestimmungen, von denen sie der Komplex sind, uns dienen; im Gegenteil muß sich unser Denken nach ihnen beschränken, und unsere Willkür oder Freiheit soll sie nicht nach sich zurichten wollen. Insofern also das subjektive Denken unser eigenstes, innerlichstes Tun ist und der objektive Begriff der Dinge die Sache selbst ausmacht, so können wir aus jenem Tun nicht heraus sein, nicht über demselben stehen, und ebensowenig können wir über die Natur der Dinge hinaus. Von der letzteren Bestimmung jedoch können wir absehen; sie fällt mit der ersteren insofern zusammen, da sie eine Beziehung unserer Gedanken auf die Sache, aber nur etwas Leeres ergäbe, weil die Sache damit als Regel für unsere Begriffe aufgestellt werden würde, aber eben die Sache für uns nichts anderes als unsere Begriffe von ihr sein kann. Wenn die kritische Philosophie das Verhältnis dieser drei terminorum so versteht, daß wir die Gedanken zwischen [25] uns und die Sachen als Mitte stellen in dem Sinne, daß diese Mitte uns von den Sachen vielmehr abschließt, statt uns mit denselben zusammenzuschließen, so ist dieser Ansicht die einfache Bemerkung entgegenzusetzen, daß eben diese Sachen, die jenseits unserer und jenseits der sich auf sie beziehenden Gedanken auf dem anderen Extreme stehen sollen, selbst Gedankendinge und, als ganz unbestimmte, nur ein Gedankending, – das sogenannte Ding-an-sich der leeren Abstraktion selbst sind.

Doch dies mag für den Gesichtspunkt genügen, aus welchem das Verhältnis verschwindet, nach welchem die Denkbestimmungen nur als zum Gebrauch und als Mittel genommen werden; wichtiger ist das weiter damit Zusammenhängende, nach welchem sie als äußere Formen gefaßt zu werden pflegen. – Die uns alle Vorstellungen, Zwecke, Interessen und Handlungen durchwirkende Tätigkeit des Denkens ist, wie gesagt, bewußtlos geschäftig (die natürliche Logik); was unser Bewußtsein vor sich hat, ist der Inhalt, die Gegenstände der Vorstellungen, das, womit das Interesse erfüllt ist; die Denkbestimmungen gelten nach diesem Verhältnis als Formen, die nur an dem Gehalt, nicht der Gehalt selbst seien. Wenn es aber an dem ist, was vorhin angegeben worden und was sonst im allgemeinen zugestanden wird, daß die Natur, das eigentümliche Wesen, das wahrhaft Bleibende und Substantielle bei der Mannigfaltigkeit und Zufälligkeit des Erscheinens und der vorübergehenden Äußerung der Begriff der Sache, das in ihr selbst Allgemeine ist, wie jedes menschliche Individuum, [ob]zwar ein unendlich eigentümliches, das Prius aller seiner Eigentümlichkeit darin, Mensch zu sein, in sich hat, wie jedes einzelne Tier das Prius, Tier zu sein, so wäre nicht zu sagen, was, wenn diese Grundlage aus dem mit noch so vielfachen sonstigen Prädikaten Ausgerüsteten weggenommen würde, ob sie gleich wie die anderen ein Prädikat genannt werden kann, – was so ein Individuum noch sein sollte. Die unerläßliche Grundlage, der Begriff, das Allgemeine, das der Gedanke, insofern man[26] nur von der Vorstellung bei dem Worte »Gedanke« abstrahieren kann, selbst ist, kann nicht nur als eine gleichgültige Form, die an einem Inhalte sei, angesehen werden. Aber diese Gedanken aller natürlichen und geistigen Dinge, selbst der substantielle Inhalt, sind noch ein solcher, der vielfache Bestimmtheiten enthält und noch den Unterschied einer Seele und eines Leibes, des Begriffs und einer relativen Realität an ihm hat; die tiefere Grundlage ist die Seele für sich, der reine Begriff, der das Innerste der Gegenstände, ihr einfacher Lebenspuls, wie selbst des subjektiven Denkens derselben ist. Diese logische Natur, die den Geist beseelt, in ihm treibt und wirkt, zum Bewußtsein zu bringen, dies ist die Aufgabe. Das instinktartige Tun unterscheidet sich von dem intelligenten und freien Tun dadurch überhaupt, daß dieses mit Bewußtsein geschieht; indem der Inhalt des Treibenden heraus aus der unmittelbaren Einheit mit dem Subjekte zur Gegenständlichkeit vor dieses gebracht ist, beginnt die Freiheit des Geistes, der in dem instinktweisen Wirken des Denkens, befangen in den Banden seiner Kategorien, in einen unendlich mannigfachen Stoff zersplittert ist. In diesem Netze schürzen sich hin und wieder festere Knoten, welche die Anhalts- und Richtungspunkte seines Lebens und Bewußtseins sind, sie verdanken ihre Festigkeit und Macht eben dem, daß sie, vor das Bewußtsein gebracht, an und für sich seiende Begriffe seiner Wesenheit sind. Der wichtigste Punkt für die Natur des Geistes ist das Verhältnis nicht nur dessen, was er an sich ist, zu dem, was er wirklich ist, sondern dessen, als was er sich weiß, dieses Sichwissen ist darum, weil er wesentlich Bewußtsein [ist]. Grundbestimmung seiner Wirklichkeit. Diese Kategorien, die nur instinktmäßig als Triebe wirksam sind und zunächst vereinzelt, damit veränderlich und sich verwirrend in das Bewußtsein des Geistes gebracht [sind] und ihm so eine vereinzelte und unsichere Wirklichkeit gewähren, zu reinigen und ihn damit in ihnen zur Freiheit und Wahrheit zu erheben, dies ist also das höhere logische Geschäft.[27]

Was wir als Anfang der Wissenschaft, dessen hoher Wert für sich und zugleich als Bedingung der wahrhaften Erkenntnis vorhin anerkannt worden ist, angaben, die Begriffe und die Momente des Begriffs überhaupt, die Denkbestimmungen zunächst als Formen, die von dem Stoffe verschieden und nur an ihm seien, zu behandeln, dies gibt sich sogleich an sich selbst als ein zur Wahrheit, die als Gegenstand und Zweck der Logik angegeben wird, unangemessenes Verhalten kund. Denn so als bloße Formen, als verschieden von dem Inhalte, werden sie in einer Bestimmung stehend angenommen, die sie zu endlichen stempelt und die Wahrheit, die in sich unendlich ist, zu fassen unfähig macht.