An solcher Bestimmung ist an und für sich das Gegenteil ihrer selbst vorhanden, und ohne auf die Natur der Sache zurückzugehen und an diese zu appellieren, ist jene Reflexionsbestimmung an ihr selbst dadurch zu konfundieren, daß sie genommen wird, wie sie sich gibt, und ihr Anderes an ihr selbst aufgezeigt wird. Es würde eine vergebliche Mühe sein, alle Wendungen und Einfälle der Reflexion und ihres Räsonnements gleichsam einfangen zu wollen, um ihr die Auswege und Absprünge, womit sie sich ihren Widerspruch gegen sich selbst verdeckt, zu benehmen und unmöglich zu machen. Darum enthalte ich mich auch, gegen vielfache sich so nennende Einwürfe und Widerlegungen, welche dagegen, daß weder Sein noch Nichts etwas Wahrhaftes, sondern nur das Werden ihre Wahrheit ist, aufgebracht worden sind, Rücksicht zu nehmen; die Gedankenbildung, die dazu gehört, die[97] Nichtigkeit jener Widerlegungen einzusehen oder vielmehr solche Einfälle sich selbst zu vertreiben, wird nur durch die kritische Erkenntnis der Verstandesformen bewirkt; aber die, welche am ergiebigsten an dergleichen Einwürfen sind, fallen sogleich über die ersten Sätze mit ihren Reflexionen her, ohne durch das weitere Studium der Logik sich zum Bewußtsein über die Natur dieser kruden Reflexionen zu verhelfen oder verholfen zu haben.

Es sollen einige der Erscheinungen betrachtet werden, die sich daran ergeben, wenn das Sein und das Nichts voneinander isoliert und eins außer dem Bereiche des anderen gesetzt wird, so daß hiermit das Übergehen negiert ist.

Parmenides hielt das Sein fest und war am konsequentesten, indem er zugleich vom Nichts sagte, daß es gar nicht ist, nur das Sein ist. Das Sein so ganz für sich ist das Unbestimmte, hat also keine Beziehung auf Anderes; es scheint daher, daß von diesem Anfang aus nicht weiter fortgegangen werden könne, nämlich aus ihm selbst, und ein Fortgang nur dadurch geschehen könne, daß von Außen etwas Fremdes daran geknüpft würde. Der Fortgang, daß das Sein dasselbe ist als das Nichts, erscheint somit als ein zweiter, absoluter Anfang, – ein Übergehen, das für sich ist und äußerlich zu dem Sein hinzutrete. Sein wäre überhaupt nicht der absolute Anfang, wenn es eine Bestimmtheit hätte; alsdann hinge es von einem Anderen ab und wäre nicht unmittelbar, nicht der Anfang. Ist es aber unbestimmt und damit wahrer Anfang, so hat es auch nichts, wodurch es sich zu einem Anderen überleitet, es ist zugleich das Ende. Es kann ebensowenig etwas aus demselben hervorbrechen, als etwas in dasselbe einbrechen kann; bei Parmenides wie bei Spinoza soll von dem Sein oder der absoluten Substanz nicht fortgegangen werden zu dem Negativen, Endlichen. Wird nun dennoch fortgegangen, was, wie bemerkt, von dem beziehungs-, hiermit fortgangslosen Sein aus nur auf äußerliche Weise geschehen kann, so ist dieser Fortgang ein zweiter, neuer Anfang. So ist Fichtes absolutester, unbedingter Grundsatz: [98] A = A Setzen; der zweite ist Entgegensetzen; dieser soll zum Teil bedingt, zum Teil unbedingt (somit der Widerspruch in sich) sein. Es ist dies ein Fortgehen der äußeren Reflexion, welches ebensowohl das, womit es als einem Absoluten anfängt, wieder verneint – das Entgegensetzen ist die Negation der ersten Identität –, als es sein zweites Unbedingtes sogleich ausdrücklich zugleich zu einem Bedingten macht. Wenn aber überhaupt eine Berechtigung wäre fortzugehen, d. i. den ersten Anfang aufzuheben, so müßte es in diesem Ersten selbst liegen, daß ein Anderes sich darauf beziehen könnte; es müßte also ein Bestimmtes sein. Allein für ein solches gibt sich das Sein oder auch die absolute Substanz nicht aus; im Gegenteil. Es ist das Unmittelbare, das noch schlechthin Unbestimmte.

Die beredtesten, vielleicht vergessenen Schilderungen über die Unmöglichkeit, von einem Abstrakten zu einem Ferneren und zu einer Vereinigung beider zu kommen, macht Jacobi im Interesse seiner Polemik gegen die Kantische Synthesis des Selbstbewußtseins a priori in seiner Abhandlung Über das Unternehmen des Kritizismus, die Vernunft zu Verstande zu bringen (Werke, III. Bd.). Er stellt (S. 113) die Aufgabe so, daß in einem Reinen, sei es des Bewußtseins, des Raums oder der Zeit, das Entstehen oder Hervorbringen einer Synthesis aufgezeigt werde. »Der Raum sei Eines, die Zeit sei Eines, das Bewußtsein sei Eines. Sagt nur an, wie sich euch eines von diesen drei Einen in ihm selbst rein vermannigfaltigt,... jedes ist nur Eines und kein Anderes; eine Einerleiheit, eine Der-Die-Das-Selbigkeit! ohne Derheit, Dieheit, Dasheit; denn diese schlummern mit den Der, Die, Das noch im unendlichen = 0 des Unbestimmten, woraus alles und jedes Bestimmte auch erst hervorgehen soll! Was bringt... in jene drei Unendlichkeiten... Endlichkeit; was befruchtet Raum und Zeit a priori mit Zahl und Maß und verwandelt sie in ein reines Mannigfaltiges; was bringt die reine Spontaneität (Ich) zur Oszillation...? Wie kommt sein reiner Vokal zum Mitlauter,[99] oder vielmehr wie setzt sein lautloses ununterbrochenes Blasen, sich selbst unterbrechend, ab, um wenigstens eine Art von Selbstlaut, einen Akzent zu gewinnen? « – Man sieht, Jakobi hat sehr bestimmt das Unwesen der Abstraktion, es sei nun sogenannter absoluter, d. i. nur abstrakter Raum oder ebensolche Zeit oder ebensolches reines Bewußtsein, Ich, erkannt; er beharrt darin zu dem Behuf, die Unmöglichkeit eines Fortganges zu Anderem, der Bedingung einer Synthesis, und zur Synthesis selbst zu behaupten. Die Synthesis, welche das Interesse ausmacht, muß nicht als eine Verknüpfung von äußerlich schon vorhandenen Bestimmungen genommen werden, – teils ist es selbst um die Erzeugung eines Zweiten zu einem Ersten, eines Bestimmten zum unbestimmten Anfänglichen zu tun, teils aber um die immanente Synthesis, Synthesis a priori, – an und für sich seiende Einheit der Unterschiedenen. Werden ist diese immanente Synthesis des Seins und Nichts; aber weil der Synthesis der Sinn von einem äußerlichen Zusammenbringen äußerlich gegeneinander Vorhandener am nächsten liegt, ist mit Recht der Name Synthesis, synthetische Einheit außer Gebrauch gesetzt worden. – Jacobi fragt, wie kommt der reine Vokal des Ich zum Mitlauter, was bringt Bestimmtheit in die Unbestimmtheit? Das Was? wäre leicht beantwortet, und von Kant ist diese Frage auf seine Weise beantwortet worden; aber die Frage nach dem Wie? heißt: auf welche Art und Weise, nach welchem Verhältnis und dergleichen, und verlangt so die Angabe einer besonderen Kategorie; aber von Art und Weise, Verstandeskategorien kann hierbei nicht die Rede sein. Die Frage nach dem Wie? gehört selbst zu den üblen Manieren der Reflexion, welche nach der Begreiflichkeit fragt, aber dabei ihre festen Kategorien voraussetzt und damit zum voraus gegen die Beantwortung dessen, nach was sie fragt, sich gewaffnet weiß.