Den höheren Sinn einer Frage nach der Notwendigkeit der Synthese hat sie bei Jacobi auch nicht, denn er bleibt, wie gesagt, fest in den Abstraktionen beharren, für die Behauptung der Unmöglichkeit der Synthese.[100] Insbesondere anschaulich beschreibt er (S. 147) die Prozedur, zur Abstraktion des Raumes zu gelangen, »Ich muß... für solange rein zu vergessen suchen, daß ich je irgend etwas sah, hörte, rührte und berührte, mich selbst ausdrücklich nicht ausgenommen. Rein, rein, rein vergessen muß ich alle Bewegung und mir gerade dies Vergessen, weil es das Schwerste ist, am angelegentlichsten sein lassen. Alles überhaupt muß ich, so wie ich es weggedacht habe, auch ganz und vollkommen weggeschafft sein lassen und gar nichts übrigbehalten als die mit Gewalt stehengebliebene Anschauung allein des unendlichen unveränderlichen Raums. Ich darf mich daher auch nicht selbst als etwas von ihm Unterschiedenes und gleichwohl mit ihm Verbundenes wieder in ihn hineindenken; ich darf mich nicht von ihm bloß umgeben und durchdringen lassen, sondern ich muß ganz übergehen in ihn, eins mit ihm werden, mich in ihn verwandeln; ich muß von mir selbst nichts übriglassen als diese meine Anschauung selbst, um sie als eine wahrhaft selbständige, unabhängige, einig und alleinige Vorstellung zu betrachten.«
Bei dieser ganz abstrakten Reinheit der Kontinuität, d. i. Unbestimmtheit und Leerheit des Vorstellens ist es gleichgültig, diese Abstraktion Raum zu nennen oder reines Anschauen, reines Denken; – es ist Alles dasselbe, was der Inder – wenn er äußerlich bewegungslos und ebenso in Empfindung, Vorstellung Phantasie, Begierde usf. regungslos jahrelang nur auf die Spitze seiner Nase sieht, nur Om, Om, Om innerlich in sich oder gar nichts spricht – Brahma nennt. Dieses dumpfe, leere Bewußtsein ist, als Bewußtsein aufgefaßt, das Sein.
In diesem Leeren, sagt nun Jacobi weiter, widerfahre ihm das Gegenteil von dem, was Kantischer Versicherung gemäß ihm widerfahren sollte; er finde sich nicht als ein Vieles und Mannigfaltiges, vielmehr als Eines ohne alle Vielheit und Mannigfaltigkeit; ja, »ich bin die Unmöglichkeit selbst, bin die Vernichtung alles Mannigfaltigen und Vielen,... kann aus meinem reinen, schlechterdings einfachen, unveränderlichen[101] Wesen auch nicht das mindeste von jenem wiederherstellen oder in mich hineingespenstern... So offenbart sich (in dieser Reinheit)... alles Außer- und Nebeneinandersein, alle auf diesem Außer- und Nebeneinandersein allein beruhende Mannigfaltigkeit und Vielheit als ein rein Unmögliches.«
Diese Unmöglichkeit heißt nichts anderes als die Tautologie: ich halte an der abstrakten Einheit fest und schließe alle Vielheit und Mannigfaltigkeit aus, halte mich im Unterschiedslosen und Unbestimmten und sehe weg von allem Unterschiedenen und Bestimmten. Die Kantische Synthesis a priori des Selbstbewußtseins, d. i. die Tätigkeit dieser Einheit, sich zu dirimieren und in dieser Diremtion sich selbst zu erhalten, verdünnt sich Jacobi zu derselben Abstraktion. Jene »Synthesis an sich«, das »ursprüngliche Urteilen«, macht er einseitig zu »der Kopula an sich, – ein Ist, Ist, Ist, ohne Anfang und Ende und ohne Was, Wer und Welche. Dieses ins Unendliche fortgehende Wiederholen der Wiederholung ist die alleinige Geschäftigkeit, Funktion und Produktion der allerreinsten Synthesis; sie selbst ist das bloße, reine, absolute Wiederholen selbst«. Oder in der Tat, da kein Absatz, d. i. keine Negation, Unterscheiden darin ist, so sie nicht ein Wiederholen, sondern nur das ununterschiedene einfache Sein. – Aber ist dies denn noch Synthesis, wenn Jacobi gerade das wegläßt, wodurch die Einheit synthetische Einheit ist?
Zunächst, wenn Jacobi sich so in dem absoluten, d.h. abstrakten Raum, Zeit, auch Bewußtsein festsetzt, ist zu sagen, daß er sich auf diese Weise in etwas empirisch Falsches versetzt und festhält; es gibt, d.h. empirisch vorhanden ist kein Raum und Zeit, die ein unbegrenztes Räumliches und Zeitliches wären, nicht in ihrer Kontinuität von mannigfaltig begrenztem Dasein und Veränderung erfüllt wären, so daß diese Grenzen und Veränderungen ungetrennt und untrennbar der Räumlichkeit und Zeitlichkeit angehören; ebenso ist das Bewußtsein mit bestimmtem Empfinden, Vorstellen,[102] Begehren usf. erfüllt; es existiert nicht getrennt von irgendeinem besonderen Inhalt. – Das empirische Übergehen versteht sich ohnehin von selbst; das Bewußtsein kann sich wohl den leeren Raum, leere Zeit und das leere Bewußtsein selbst oder das reine Sein zum Gegenstand und Inhalt machen; aber es bleibt nicht dabei, sondern geht nicht nur, sondern drängt sich aus solcher Leerheit hinaus zu einem besseren, d. i. auf irgendeine Weise konkreteren Inhalt, und so schlecht ein Inhalt sonst sei, so ist er insofern besser und wahrer; eben ein solcher Inhalt ist ein synthetischer überhaupt; synthetisch in allgemeinerem Sinne genommen. So bekommt Parmenides mit dem Scheine und der Meinung, dem Gegenteil des Seins und der Wahrheit, zu tun; so Spinoza mit den Attributen, den Modis, der Ausdehnung, Bewegung, dem Verstande, Willen usf. Die Synthesis enthält und zeigt die Unwahrheit jener Abstraktionen; in ihr sind sie in Einheit mit ihrem Anderen, also nicht als für sich bestehende, nicht als absolute, sondern schlechthin als relative.
Das Aufzeigen der empirischen Nichtigkeit des leeren Raums usf.
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