Mag das Wahre sonst, in welcher Rücksicht es sei, wieder mit Beschränkung und Endlichkeit vergesellschaftet sein, – dies ist die Seite seiner Negation, seiner Unwahrheit und Unwirklichkeit, eben seines Endes, nicht der Affirmation, welche es als Wahres ist. Gegen die Kahlheit der bloß formellen Kategorien hat der Instinkt der gesunden Vernunft sich endlich so erstarkt gefühlt, daß er ihre Kenntnis mit Verachtung dem Gebiete einer Schullogik und Schulmetaphysik überläßt, zugleich mit der Mißachtung des Wertes, den schon das Bewußtsein dieser Fäden für sich hat, und mit der Bewußtlosigkeit, in dem instinktartigen Tun natürlicher Logik, noch mehr in dem reflektierten Verwerfen der Kenntnis und Erkenntnis der Denkbestimmungen selbst, im Dienste des ungereinigten und damit unfreien Denkens gefangen zu sein. Die einfädle Grundbestimmung oder gemeinschaftliche Formbestimmung der Sammlung solcher Formen ist die Identität, die als Gesetz, als A = A, als Satz des Widerspruchs in der Logik dieser Sammlung behauptet wird. Die gesunde Vernunft hat ihre Ehrerbietung vor der Schule, die im Besitze solcher Gesetze der Wahrheit [ist] und in der sie noch immer so fortgeführt werden, so sehr verloren, daß sie dieselbe darob verlacht und einen Menschen, der nach solchen Gesetzen wahrhaft zu sprechen weiß: »die Pflanze ist eine – Pflanze«, »die Wissenschaft ist – die Wissenschaft« und so fort[28] ins Unendliche, für unerträglich hält. Über die Formeln auch, welche die Regeln des Schließens [angeben], das in der Tat ein Hauptgebrauch des Verstandes ist, hat sich – so ungerecht es ist zu verkennen, daß sie ihr Feld in der Erkenntnis haben, worin sie gelten müssen, und zugleich, daß sie wesentliches Material für das Denken der Vernunft sind – das ebenso gerechte Bewußtsein festgesetzt, daß sie gleichgültige Mittel wenigstens ebensosehr des Irrtums und der Sophisterei sind und, wie man auch sonst die Wahrheit bestimmen mag, für die höhere, z.B. die religiöse Wahrheit unbrauchbar sind, – daß sie überhaupt nur eine Richtigkeit der Erkenntnisse, nicht die Wahrheit betreffen.
Die Unvollständigkeit dieser Weise, das Denken zu betrachten, welche die Wahrheit auf der Seite läßt, ist allein dadurch zu ergänzen, daß nicht bloß das, was zur äußeren Form gerechnet zu werden pflegt, sondern der Inhalt mit in die denkende Betrachtung gezogen wird. Es zeigt sich von selbst bald, daß, was in der nächsten gewöhnlichsten Reflexion als Inhalt von der Form geschieden wird, in der Tat nicht formlos, nicht bestimmungslos in sich sein soll – so wäre er nur das Leere, etwa die Abstraktion des Dings-an-sich –, daß er vielmehr Form in ihm selbst, ja durch sie allein Beseelung und Gehalt hat und daß sie selbst es ist, die nur in den Schein eines Inhalts sowie damit auch in den Schein eines an diesem Scheine Äußerlichen umschlägt. Mit dieser Einführung des Inhalts in die logische Betrachtung sind es nicht die Dinge, sondern die Sache, der Begriff der Dinge, welcher Gegenstand wird. Hierbei kann man aber auch daran erinnert werden, daß es eine Menge Begriffe, eine Menge Sachen gibt. Wodurch aber diese Menge beschränkt wird, ist teils vorhin gesagt worden, daß der Begriff als Gedanke überhaupt, als Allgemeines, die unermeßliche Abbreviatur gegen die Einzelheit der Dinge, wie sie [in] ihre[r] Menge dem unbestimmten Anschauen und Vorstellen vorschweben, ist; teils aber ist ein Begriff sogleich erstens der Begriff an ihm selbst, und dieser ist nur einer[29] und ist die substantielle Grundlage; fürs andere aber ist er wohl ein bestimmter Begriff, welche Bestimmtheit an ihm das ist, was als Inhalt erscheint; die Bestimmtheit des Begriffs aber ist eine Formbestimmung dieser substantiellen Einheit, ein Moment der Form als Totalität, des Begriffes selbst, der die Grundlage der bestimmten Begriffe ist. Dieser wird nicht sinnlich angeschaut oder vorgestellt; er ist nur Gegenstand, Produkt und Inhalt des Denkens und die an und für sich seiende Sache, der Logos, die Vernunft dessen, was ist, die Wahrheit dessen, was den Namen der Dinge führt; am wenigsten ist es der Logos, was außerhalb der logischen Wissenschaft gelassen werden soll. Es muß darum nicht ein Belieben sein, ihn in die Wissenschaft hereinzuziehen oder ihn draußen zu lassen. Wenn die Denkbestimmungen, welche nur äußerliche Formen sind, wahrhaft an ihnen selbst betrachtet werden, kann nur ihre Endlichkeit und die Unwahrheit ihres Für-sich-sein-Sollens und, als ihre Wahrheit, der Begriff hervorgehen. Daher wird die logische Wissenschaft, indem sie die Denkbestimmungen, die überhaupt unseren Geist instinktartig und bewußtlos durchziehen und, selbst indem sie in die Sprache hereintreten, ungegenständlich, unbeachtet bleiben, abhandelt, auch die Rekonstruktion derjenigen sein, welche durch die Reflexion herausgehoben und von ihr als subjektive, an dem Stoff und Gehalt äußere Formen fixiert sind.
Die Darstellung keines Gegenstandes wäre an und für sich fähig, so streng ganz immanent plastisch zu sein als die der Entwicklung des Denkens in seiner Notwendigkeit; keiner führte so sehr diese Forderung mit sich; seine Wissenschaft müßte darin auch die Mathematik übertreffen, denn kein Gegenstand hat in ihm selbst diese Freiheit und Unabhängigkeit. Solcher Vortrag erforderte, wie dies in seiner Art in dem Gange der mathematischen Konsequenz, vorhanden ist,[30] daß bei keiner Stufe der Entwicklung eine Denkbestimmung und Reflexion vorkäme, die nicht in dieser Stufe unmittelbar hervorgeht und aus den vorhergehenden in sie herübergekommen ist. Allein auf solche abstrakte Vollkommenheit der Darstellung muß freilich im allgemeinen Verzicht getan werden; schon indem die Wissenschaft mit dem rein Einfachen, hiermit dem Allgemeinsten und Leersten anfangen muß, ließe der Vortrag nur eben diese selbst ganz einfachen Ausdrücke des Einfachen ohne allen weiteren Zusatz irgendeines Wortes zu; – was der Sache nach stattfinden dürfte, wären negierende Reflexionen, die das abzuhalten und zu entfernen sich bemühten, was sonst die Vorstellung oder ein ungeregeltes Denken einmischen könnte. Solche Einfälle in den einfachen immanenten Gang der Entwicklung sind jedoch für sich zu fällig, und die Bemühung, sie abzuwehren, wird somit selbst mit dieser Zufälligkeit behaftet; ohnehin ist es vergeblich, allen solchen Einfällen, eben weil sie außer der Sache liegen, begegnen zu wollen, und wenigstens wäre Unvollständigkeit das, was hierbei für die systematische Befriedigung verlangt würde. Aber die eigentümliche Unruhe und Zerstreuung unseres modernen Bewußtseins läßt es nicht anders zu, als gleichfalls mehr oder weniger auf naheliegende Reflexionen und Einfälle Rücksicht zu nehmen. Ein plastischer Vortrag erfordert dann auch einen plastischen Sinn des Aufnehmens und Verstehens; aber solche plastische Jünglinge und Männer, so ruhig mit der Selbstverleugnung eigener Reflexionen und Einfälle, womit das Selbstdenken sich zu erweisen ungeduldig ist, nur der Sache folgende Zuhörer, wie sie Platon dichtet, würden in einem modernen Dialoge nicht aufgestellt werden können; noch weniger dürfte auf solche Leser gezählt werden. Im Gegenteil haben sich mir zu häufig und zu heftig solche Gegner gezeigt, welche nicht die einfache Reflexion machen mochten, daß ihre Einfälle und Einwürfe Kategorien enthalten, welche Voraussetzungen sind und selbst erst der Kritik bedürfen, ehe sie gebraucht werden. Die Bewußtlosigkeit hierüber geht[31] unglaublich weit; sie macht das Grundmißverständnis, das üble, d.h. ungebildete Benehmen, bei einer Kategorie, die betrachtet wird, etwas Anderes zu denken und nicht diese Kategorie selbst. Diese Bewußtlosigkeit ist um so weniger zu rechtfertigen, als solches Anderes andere Denkbestimmungen und Begriffe sind, in einem Systeme der Logik aber eben diese anderen Kategorien gleichfalls ihre Stelle müssen gefunden haben und daselbst für sich der Betrachtung werden unterworfen sein. Am auffallendsten ist dies in der überwiegenden Menge von Einwürfen und Angriffen auf die ersten Begriffe oder Sätze der Logik, das Sein und Nichts und das Werden, als welches, selbst eine einfache Bestimmung, wohl unbestritten – die einfachste Analyse zeigt dies – jene beiden Bestimmungen als Momente enthält. Die Gründlichkeit scheint zu erfordern, den Anfang als den Grund, worauf alles gebaut sei, allem voraus zu untersuchen, ja nicht weiterzugehen, als bis er sich fest erwiesen hat, im Gegenteil vielmehr, wenn dies nicht der Fall ist, alles noch Folgende zu verwerfen. Diese Gründlichkeit hat zugleich den Vorteil, die größte Erleichterung für das Denkgeschäft zu gewähren; sie hat die ganze Entwicklung in diesen Keim eingeschlossen vor sich und hält sich für mit allem fertig, wenn sie mit diesem fertig ist, der das Leichteste zum Abtun ist, denn er ist das Einfachste, das Einfädle selbst; es ist die geringe Arbeit, die erforderlich ist, wodurch sich diese so selbstzufriedene Gründlichkeit wesentlich empfiehlt. Diese Beschränkung auf das Einfache läßt der Willkür des Denkens, das für sich nicht einfach bleiben will, sondern seine Reflexionen darüber anbringt, freien Spielraum. Mit dem guten Rechte, sich zuerst nur mit dem Prinzip zu beschäftigen und damit sich auf das Weitere nicht einzulassen, tut diese Gründlichkeit in ihrem Geschäfte selbst das Gegenteil hiervon, vielmehr das Weitere, d. i. andere Kategorien, als[32] nur das Prinzip ist, andere Voraussetzungen und Vorurteile herbeizubringen.
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