Gespeist wurde wieder auf dem See.

Am Nachmittage gelangten wir in eine ödere Gegend des Wassers. Das Land stieg sanfter aber auch unfruchtbarer gegen den Spiegel herab. Wo der See seichter gegen die Ufer auslief, lagen viele große Steine in der Gestalt von Knollen und Platten in ihm. Am Gestade stand ein graues Haus, und über ihm am Rande der Landschaft, waren, wie überall, die Felsen.

Wir fragten in dem Hause, ohne eine Auskunft zu erhalten. Vielleicht, sagte man, wüßten die Fischer etwas, die weiter unten am Strande seien.

Da wir ein Weilchen gefahren waren, kamen uns die besagten Fischer zu Gesichte. Mehrere Männer standen mit hochaufgeschürzten Beinkleidern in dem seichten Wasser, und wuschen Schmutz und schwarzes Gras aus den Netzen, die sie stükweise aus den Fahrzeugen wikelten. Wir lenkten den Schiffsschnabel gegen sie, und fragten um Franz Rikar. Aber sie sahen uns sprachlos an, als ob sie sich auf eine Antwort besännen. Als ich, wie gewöhnlich, eine kleine Beschreibung von dem Manne gab, rief seitwärts eine feine knabenhafte Stimme: »Da kann ich vielleicht eine Antwort ertheilen.«

Wir sahen dahin, woher die Stimme gekommen war, und sahen einen Knaben auf einem der aus dem Wasser hervorragenden Steine stehen. Er gehörte nicht zu den Fischern, sondern hatte ihnen nur zugeschaut. Um das sehr schöne aber sehr braune Angesichtchen mit den großen italienischen Augen waren äußerst verwirrte und verwilderte Haare, der Hals und die Oberbrust waren nakt, dann hatte er ein rauhes Ziegenfell um die Schultern, zu einer Art Ueberkleid geheftet, aus dem die nakten Arme hervor ragten, deren einer einen oben gekrümmten unten mit der Spitze in das Wasser gestemmten Stab hielt. Die Beinkleider endeten mit zerrissenen Fetzen gleich unter dem Knie, von wo die nakten braunen Füsse bis zum grauen Steine nieder gingen. An einer Schnur hatte er eine runde hölzerne Flasche umhängen. Die Erscheinung war, wie ein kleiner Johannes in der Wüste.

»Nun, wenn du Auskunft geben kannst, redete ich, so sprich.«

Wir wendeten während dem unser Schiffchen etwas näher gegen ihn.

»Sagt, ist der Mann, den ihr suchet, alt?« fragte er mit seiner feinen klaren Stimme.

»So ziemlich alt,« antwortete ich.

»Nein, er ist sehr alt, sagte er; - und hat er immer, wie ihr sprecht, ein blasses Angesicht und ein schwarzes Kleid?«

»Ja,« erwiederte ich.

»Dann ist er es schon, sagte der Knabe, der ist es, der so wunderbar geigt, und auf den Anhöhen wohnt.«

»Er geigt?« fragte ich.

»Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie herzergreifend er geigt,« erwiederte der Knabe.

»Das ist ja nicht möglich, sagte ich, hast du ihn geigen gesehen?«

»Ich bin nicht bei ihm gestanden, da er geigte, antwortete der Knabe, aber ich habe ihn oft in der Ferne gehört. So geht er.«

Bei diesen Worten beugte sich der Knabe mit dem Oberleibe vor, und fing an, auf seinem Steine hin und her zu gehen. Ich erkannte augenblicklich in dieser Nachahmung den Gang meines Reisefreundes. Ich hatte ihn oft so gehen gesehen, ohne es mir besonders klar zu machen; der Knabe hatte es jetzt genau dargestellt.

»Ja, ja, der ist es schon, rief ich, der ist es schon. Ist er wohl sehr abgetragen und zerrissen?«

Der Knabe blikte mich stumm an, so daß ich sah, daß die Vorstellung von Ganz oder Zerrissen nicht in seinem Haupte sei.

»Nein, sagte er endlich, ich glaube nicht, daß sein Gewand zerrissen sei.«

»Nun, so weise uns nur an, wie wir zu ihm kommen,« sagte ich.

»Da müßt ihr noch um das Höllwasser fahren, antwortete er, seht, wo dort die Steine liegen. Ich werde auch hinüber gehen, und wenn wir drüben sind, werde ich euch schon hinauf weisen.«

Er zeigte hiebei dem Ufer entlang in der Richtung, in der wir zu fahren hatten. Es lag da ein großes Geröllwerk, wie es gerne entsteht, wo Gießwasser in den See gehen, Sand und Steine mitschleppen, und diese Dinge wie einen Wall an der Mündung liegen lassen, der von Ferne, wie ein blendendes Dreiek, aussieht. Während der Knabe auf diese Steine zeigte, beschrieb er zugleich mit seinem Arme sehr lebhaft einen Bogen, um anzudeuten, daß wir sie umfahren sollten.

Wir begannen die Fahrt, und zu gleicher Zeit hüpfte er am Ufer auf den Steinen neben uns her. Wir bemerkten dabei, daß der lange Stab, den er in der Hand hielt, eine starke eiserne Spitze habe, und daß er sich mit Hülfe desselben von Stein auf Stein schwang. Er that dies sehr behende und sicher, daß wir sahen, daß das Ding oft in einsamen Stunden seine Lieblingsunterhaltung gewesen sein mochte. Weil der Sandhügel ziemlich hoch und lang war, mußten wir zu seiner Umschiffung bedeutend weit in den See hinaus fahren, und sahen den Knaben nun von Ferne und ganz klein, wie ein graues Hüpfmännchen, in den grauen Steinen sich bewegen.

Als wir die Mündung umschifft hatten, stand er schon auf dem Rasen und wartete auf uns. Zugleich sahen wir mehrere Ziegen auf dem Grasgrunde, die zwischen den Steinen und dem wenigen Gestrippe kletterten, und zu denen er gehören mochte.

Da wir nahe genug waren, sagte er: »Da müßt ihr nun hinauf steigen, bis ihr in den Felsen, seht dort oben, in die Furche kommt, welche die Tiefspalte heißt - ihr könnt da wo immer empor steigen; denn alle Ziegenpfade des Grases führen in die Tiefspalte hinauf. In derselben müßt ihr fortgehen, bis ihr zu dem Häuschen des alten Hieronimus kommt. Es steht nur ganz allein in der Spalte. Da fragt wieder an, und der alte Hieronimus wird euch ganz gewiß zu dem Manne leiten, den ihr sucht.«

Da ich ihn fragte, ob er mich nicht selber durch die Schlucht, die er die Tiefspalte heiße, hinauf führen, und mir manches von dem Manne, den ich suche, erzählen könnte, antwortete er: »ich kann euch ja nicht hinauf führen, weil da die Ziegen sind, und von dem Mann kann ich nichts sagen, als daß er es schon ist, den ihr suchet.«

Da nun die Sonne noch sehr hoch stand, und ein bedeutender Rest des Tages übrig war, so beschloß ich nach der Weisung des Knaben das Abentheuer zu wagen, um entweder meinen Mann selber zu finden, oder doch etwas Näheres von ihm zu erfahren. Deßhalb wendete ich mich zu meinem Fährmanne und sagte: »Gerardo, die Flaschen, die da in dem Korbe stecken, sind Weinflaschen. Jede, wie du siehst, hat auf dem Halse ein Petschaft, welches auf dem Korke so angedrückt ist, daß man ihn nicht heraus nehmen kann, ohne die Buchstaben und die Zierden um dieselben zu verletzen.