Die Kinder des Kapitän Grant: Zweiter Band (German Edition)

Impressum

Quelle dieser Ausgabe:

Jules Verne

Die Kinder des Kapitän Grant - 2

Übersetzt von
A. Hartleben's Verlag

 

 

Aus: projekt.BookishMall.com.de

Inhalt

 Die Kinder des Kapitän Grant

Reise um die Erde

Zweiter Band

 Erstes Capitel.

 Zweites Capitel

 Drittes Capitel.

 Viertes Capitel.

 Fünftes Kapitel.

 Sechstes Capitel.

 Siebentes Capitel.

 Achtes Capitel.

 Neuntes Capitel.

 Zehntes Capitel.

 Elftes Capitel.

 Zwölftes Capitel.

 Dreizehntes Capitel.

 Vierzehntes Capitel.

 Fünfzehntes Kapitel.

 Sechzehntes Capitel.

 Siebenzehntes Capitel.

 Achtzehntes Capitel.

 Neunzehntes Capitel.

 Zwanzigstes Capitel.

 Einundzwanzigstes Capitel.

 Zweiundzwanzigstes Capitel.

Erstes Capitel.

Die Rückkehr an Bord.

Die ersten Augenblicke wurden dem Glücke des Wiedersehens gewidmet. Lord Glenarvan wollte nicht durch den Mißerfolg der Nachforschungen die Freude in den Herzen seiner Freunde abkühlen. Daher waren auch Folgendes seine ersten Worte:

»Vertrauen, meine Freunde, Vertrauen! Noch ist zwar Kapitän Grant nicht bei uns, doch haben wir die Gewißheit, ihn aufzufinden.«

Es bedurfte auch nichts Geringeres, als einer solchen Versicherung, um die Hoffnung der Passagiere des Duncan wieder zu erwecken.

Wirklich hatten Lady Helena und Mary Grant, wahrend das Boot sich der Yacht wieder näherte, tausend Qualen der Erwartung empfunden. Vom Hinterverdeck herab versuchten sie die an Bord Zurückkehrenden zu zählen. Bald verzweifelte das junge Mädchen, bald glaubte sie im Gegentheil Harry Grant zu sehen. Ihr Herz klopfe; sie vermochte nicht zu sprechen und kaum hielt sie sich aufrecht. Lady Helena umschloß sie mit den Armen. John Mangles, der nahe bei ihr hinausblickte, schwieg still; seine Seemannsaugen, die so gewöhnt waren, ferne Gegenstände zu unterscheiden, entdeckten den Kapitän nicht.

»Er ist da! Er kommt! Mein Vater!« sagte das junge Mädchen.

Als sich aber die Schaluppe nach und nach näherte, wurde jede Täuschung unmöglich. Die Reisenden waren keine hundert Klafter mehr vom Bord entfernt, als nicht nur Lady Helena und John Mangles, sondern auch Mary selbst, deren Augen in Thränen schwammen, jede Hoffnung verloren hatten. Es war hohe Zeit, daß Lord Glenarvan ankam und seine beruhigenden Worte hören ließ.

Nach den ersten Umarmungen wurden Lady Helena, Mary Grant und John Mangles über die Hauptereignisse der Expedition unterrichtet, und vor Allem theilte Glenarvan die neue Auslegung des Documentes mit, die man dem Scharfsinn Jacques Paganel's verdankte. Er pries auch Robert's Lob, auf den Mary mit gutem Rechte stolz sein konnte. Sein Muth, seine Ergebenheit, die Gefahren, die er durchgemacht hatte, Alles wurde von Glenarvan in helles Licht gesetzt, so daß der junge Mensch nicht wußte, wo er sich verbergen sollte, wenn er nicht in den Armen seiner Schwester eine Zuflucht gefunden hatte.

»Da ist Nichts zu erröthen, sagte John Mangles, Du hast Dich eines Sohnes des Kapitän Grant würdig betragen!«

Er streckte seine Arme nach dem Bruder Mary Grant's aus, und preßte ihm seine Lippen auf die Wangen, die noch von den Thränen des jungen Mädchens feucht waren.

Erwähnen müssen wir auch, welcher Empfang dem Major und dem Geographen zu Theil wurde, und wie ehrenvoll man des edelmüthigen Thalcave gedachte. Lady Helena bedauerte, die Hand des braven Indianers nicht drücken zu können. Mac Nabbs hatte gleich nach den ersten Herzensergießungen seine Cabine aufgesucht, wo er sich mit ruhiger, sicherer Hand rasirte. Paganel flog wie eine Biene von Einem zum Andern, und erntete Ehrenbezeigungen und freundliches Lächeln ein. Er wollte die ganze Gesellschaft des Duncan umarmen, und da seiner Ansicht nach Lady Helena ebenso dazugehörte, wie Mary Grant, so begann er damit bei diesen und hörte endlich bei Mr. Olbinett auf.

Der Steward glaubte eine solche Höflichkeit nicht besser erwidern zu können, als mit der Ankündigung des Frühstücks.

»Das Frühstück! rief Paganel laut.

– Ja, Herr Paganel, erwiderte Mr. Olbinett.

– Ein wirkliches Frühstück, auf einem wirklichen Tische, mit Gedeck und Servietten?

– Ja wohl, Herr Paganel.

– Und wir werden kein Charqui, keine harten Eier und kein Straußfilet zu essen bekommen?

– Oho, mein Herr! entgegnete der Wirthschaftsmeister, der sich in seinem Fache gekränkt fühlte.

– Ich wollte Sie nicht beleidigen, lieber Freund, sagte lächelnd der Gelehrte. Einen Monat lang war das bei uns so das tägliche Brod, und wir speisten, nicht etwa an einem Tische sitzend, sondern auf der Erde liegend, wenn wir nicht gar dabei auf den Aesten eines Baumes ritten. Das Frühstück, welches Sie eben anmeldeten, erschien mir demnach wie ein Traum, eine Einbildung, wie eine Chimäre!

– Nun wohlan denn, Herr Paganel, fiel Lady Helena ein, die sich des Lachens kaum erwehren konnte, wir wollen schnell die Wirklichkeit desselben bestätigen.

– Hier, mein Arm, sagte der galante Geograph.

– Ew. Herrlichkeit haben mir keine Befehle in Betreff des Duncan zu ertheilen? fragte John Mangles.

– Nach dem Frühstücke, lieber John, erwiderte Glenarvan, werden wir das Programm unserer neuen Expedition mit Ruhe besprechen.«

Die Passagiere der Yacht, nebst dem jungen Kapitän derselben, gingen die Treppe hinunter. Dem Maschinenmeister wurde aufgegeben, gespannten Dampf zu halten, um auf das erste Zeichen abfahren zu können. Der Major, der frisch rasirt war, und die Reisenden, welche oberflächlich Toilette gemacht hatten, nahmen an der Tafel Platz.

Man that Mr. Olbinett's Frühstück alle Ehre an. Es wurde für ausgezeichnet und vorzüglicher als die splendidesten Festmahle in den Pampas erklärt. Paganel langte von jeder Schüssel, »aus Zerstreuung«, wie er sagte, zweimal zu.

Dieses unglückselige Wort veranlaßte Lady Glenarvan zu der Frage, ob der liebenswürdige Franzose nicht einige Male in seinen Erbfehler verfallen sei. Der Major und Lord Glenarvan sahen sich lächelnd an. Paganel selbst brach ganz freimüthig in Lachen aus und verpflichtete sich auf Ehrenwort, wahrend der ganzen Reise keine Zerstreutheit mehr zu begehen. Dann erzählte er sehr anziehend von seinem Unglück und von seinen tiefen Studien über Camoen's Meisterwerke.

»Alles in Allem, fügte er zum Schluß hinzu, ist doch jedes Unglück zu Etwas gut, und ich bedaure meinen Irrthum nicht.

– Und warum nicht, mein werther Freund, fragte der Major.

– Weil ich nun nicht allein das Spanische, sondern auch das Portugiesische kenne! Ich spreche zwei Sprachen, statt einer!

– Meiner Treu! Daran hatte ich nicht gedacht, antwortete Mac Nabbs.