Im Gärtchen fand er Beschäftigung; er konnte sich neue machen, wenn ihm nicht genügte, was die Pflege des Gärtchens bis jetzt seinen Besorgern von selbst abgefordert. Er konnte das Alte entfernen, Neues ersinnen und wieder Neuerem Platz machen lassen, und er tat es. Unumschränkt herrschend in dem kleinen grünen Reiche, in dem von nun an kein Warum mehr laut werden durfte, wo neben dem Gesetze der Natur nur noch ein einziges wartete, sein Wille, vergaß oder schien er zu vergessen, daß er früher einen mächtigeren Zepter geführt.

Mehr aber als von dem Geschäfte und dem wunderlichen alten Herrn schrieb der Bruder in seinen folgenden Briefen von den Festlichkeiten der Schützengesellschaft der Vaterstadt und einem Bürgervereine, der zusammengetreten war, sein Ergötzen von dem der niedriger stehenden Schichten der Bevölkerung abzusondern. Aus allen den Beschreibungen von Vogel- und Scheibenschießen, Konzerten und Bällen, als deren Mittelpunkt er und seine junge Frau dastanden, lachte die höchste Befriedigung der Eitelkeit des Briefstellers. Nur in einer Nachschrift war in dem letzten Briefe des ernsteren Umstandes leicht Erwähnung getan, die Stadt wolle eine Reparatur des Turm-und Kirchendaches zu Sankt Georg vornehmen lassen und habe ihn mit der Ausführung derselben betraut. Der im blauen Rocke dringe in ihn, Apollonius aufzufordern, in die Vaterstadt und das Geschäft zurückzukehren. Der Bruder war der Meinung, Apollonius werde die ihm liebgewordenen Verhältnisse in Köln nicht um einer so geringfügigen Ursache willen verlassen mögen. Die Reparatur werde mit den vorhandenen Arbeitskräften in kurzer Zeit zu vollenden sein. Der schadhaften Stellen an Turm- und Kirchendach seien nur wenige. Überdies, sehe er auch ab von dem Widerwillen seiner Frau gegen Apollonius, den er seither so vergebens bekämpft, würde es diesem eine unnütze Quälerei sein, alles das sich wieder aufzufrischen, was er froh sein müsse, vergessen zu haben. Er werde leicht einen Vorwand finden, dem Gehorsam gegen einen Befehl, den nur Wunderlichkeit eingegeben, auszuweichen. Den Schluß des Briefes machte eine neckende Anspielung auf ein Verhältnis unseres Helden mit der jüngsten Tochter des Vetters, von dem die Vaterstadt voll sei. Der Bruder ließ sich ihr als seiner künftigen Schwägerin empfehlen.

Wenn auch ein solches Verhältnis nicht bestand, Apollonius konnte sich sagen, es lag nur an ihm, es in das Leben zu rufen. Der Vetter hatte schon manchen Wink fallen lassen, der dahin zielte, und das Mädchen, von dem die Rede war, hätte sich nicht gesträubt. Unser Apollonius war ein Bursche geworden, den so leicht keine ausgeschlagen hätte, deren Herz und Hand noch zu ihrer Verfügung stand. Die Gewohnheit, nach seinem eigenen Ermessen zu handeln und über die Tätigkeit einer Anzahl tüchtiger Arbeiter selbständig zu verfügen, hatte seinem Äußern Haltung, seinem Benehmen Sicherheit gegeben. Und was von seiner frühern Schüchternheit gegen Frauen und der Neigung, sich träumend in sich selbst zu versenken, noch übriggeblieben war, erhöhte noch die sichere Männlichkeit, deren Ausdruck es milderte.

Ja, er wußte, daß er des Vetters Schwiegersohn werden konnte, wenn er wollte. Das Mädchen war hübsch, brav und ihm zugetan wie eine Schwester. Aber nur als eine Schwester sah er sie an; es war ihm nie der Wunsch gekommen, sie möchte ihm mehr sein. Die Neigung zu Christianen meinte er besiegt zu haben; er wußte nicht, daß doch nur sie es war, die zwischen ihm und des Vetters Tochter stand und zwischen ihm und jeder andern gestanden hätte. Als er erfuhr, Christiane liebte seinen Bruder, hatte er die kleine Blechkapsel mit der Blume von der Brust genommen, wo er sie seit jenem Abende trug, da er sie irrend als für ihn hingelegt aufgehoben. Als Christiane seines Bruders Weib geworden war, packte er die Kapsel mit der Blume ein und schickte sie dem Bruder. Wegwerfen konnte er nicht, was ihm einmal teuer gewesen, aber besitzen durfte er die Blume nicht mehr. Besitzen durfte sie nur der, für den sie bestimmt gewesen, dem die Hand gehörte, die sie gegeben hatte.

Der Vater rief ihn zurück; er mußte gehorchen. Aber es war mehr als der bloße Gehorsam in ihm lebendig. Er ging nicht nur; er ging gern. Des Vaters Wort war ihm mehr Erlaubnis als Befehl. Wenn die Frühlingssonne in ein Gemach dringt, das den Winter über unbewohnt und verschlossen stand, dann sieht man, es war schlafendes Leben, was wie vertrocknete Leichen auf der Diele lag. Nun regt es sich und dehnt sich und wird zur summenden Wolke und braust jubelnd hinein in den goldenen Strahl. Nicht der Vater allein, jedes Haus der Vaterstadt, jeder Hügel, jeder Garten darum, jeder Baum darin rief ihn.