Er besteht in zwei Dreiecken, aus festen Bohlen zusammengezimmert. Der Neigungswinkel des Daches hat das Verhältnis seiner Seiten bestimmt. Denn unten liegt er strohumwunden in ganzer Breite auf der Dachfläche auf, während er oben die quer übergelegten Bretter wagrecht emporhält. Darauf steht oder kniet der hämmernde Schieferdecker; neben ihm handrecht hängt der Kasten für Nägel und Schieferplatten, mit seiner Hakenspitze in die Verschalung eingetrieben.

Apollonius überließ dem Bruder die Überweisung der Arbeit. Fritz Nettenmair tat erst wunderlich, indem er zu verstehen gab, er meine, Apollonius sei gekommen, hier den Herrn zu spielen und nicht den Diener. Es lag in der argwöhnischen Richtung, die sein Denken einmal angenommen, allem, was der Bruder tun mochte, eine Absicht, eine planmäßige Berechnung unterzulegen. Er vermutete deshalb, Apollonius wünsche die Arbeit auf dem Kirchendach zu übernehmen. Wer hier schaffte, konnte zu jeder Zeit sehen, ob das Fahrzeug am Turmdach besetzt war oder ledig an der fliegenden Rüstung hing. Er tat arglos, er nehme an, Apollonius sei lieber bei der Umdeckung des Turmdaches beschäftigt, die er ja selber vorgeschlagen habe. Apollonius weigerte sich nicht. Fritz meinte, er willige ein, obgleich es ihm unangenehm sei, was er aber nicht merken lasse; Fritz hatte die Empfindung eines Menschen, dem es gelungen, einen Widersacher zu überlisten. Eine Empfindung, die sich erneute, so oft er von seiner Arbeit auf dem Dachstuhle hinaufsah nach dem Fahrzeug und der fliegenden Rüstung am Turm, mit der Gewißheit, der Bruder könne das Fahrzeug nicht verlassen und heimgehen, ohne daß er es sehe und ihm zuvorkommen könne. Dann war ihm Apollonius der Träumer, und er selbst war der, der die Welt kannte. Im andern Augenblick vielleicht sah er wieder den Arglistigen im Bruder und fand es wohltuend, sich dagegen als den Arglosen zu bemitleiden, dem jener Schlingen lege, um nur den Bruder hassen zu dürfen, der ihn hasse. Ihm fehlte das Klarheitsbedürfnis Apollonius', das diesem den Widerspruch gezeigt und den erkannten zu tilgen gezwungen hätte. Vielleicht hatte er ein Gefühl von dem Widerspruch und unterdrückte es absichtlich. So setzte sein Schuldbewußtsein den Haß als wirklich voraus, den es verdient zu haben sich vorwerfen mußte.

Bald merkte Apollonius, hier war nicht die Ordnung, das rasche und genau berechnete Ineinandergreifen, an das er in Köln sich gewöhnt, ja nur, wie es der Vater früher hier gehandhabt. Der Decker mußte viertelstundenlang und länger auf die Schieferplatten warten; die Handlanger leierten und hatten in der Unordnung und Trägheit der Behauer und Sortierer eine gute Entschuldigung.

Der Bruder lachte halb mitleidig über Apollonius' Klage. Eine solche Ordnung, wie der sie verlangte, existierte nirgends und war auch nicht möglich. Bei sich verspottete er wieder den Träumer, der so unpraktisch war. Und wäre die Ordnung möglich gewesen, die Arbeit war im Taglohn verdungen. Die verlorene Zeit wurde bezahlt wie die angewandte. Und als Apollonius selbst dazu tat, den Schlendrian abzustellen, da war er dem Bruder wiederum der Wohldiener des Bauherrn und des Rates, er selber sich der schlichte Mann, der solche Kunstgriffe verschmäht. Da wollte ihn jener nur vollends aus dem Sattel heben und hatte noch Schlimmeres im Sinn, was ihm aber nicht gelingen sollte mit aller seiner Arglist; da war Apollonius eigens darum heimgekommen. Und doch meinte er, der Träumer werde sich die Hörner ablaufen, wenn er ins Werk setzen wollte, was ihm selbst, der die Welt kannte, nicht gelang. Ihm, der schärfer auf dem Zeuge war, als selbst der im blauen Rock zu seiner Zeit gewesen.

Fritz Nettenmair meinte den alten Herrn noch zu übertreffen, wenn er noch schriller auf dem Finger pfiff, noch grimmiger hustete und noch entschiedener ausspuckte. Was an dem alten Herrn das wirklich Respektgebietende war, die Folgerichtigkeit, die auch, wo sie in Eigensinn ausartet, Achtung wirkt, die ruhige, in sich gefaßte Würde einer tüchtigen Persönlichkeit, das übersah er. Wie er es selbst nicht besaß, fehlte ihm auch der Sinn, es an andern wahrzunehmen. Stand seine Gestalt überhaupt im Widerspruch mit der Haltung des alten Herrn, die er ihr aufkünstelte, so widersprach ihr seine Unruhe und innere Haltlosigkeit jeden Augenblick. Die diplomatische Art zu reden schien er dem alten Herrn nur abgeborgt zu haben, um seine eigene Oberflächlichkeit und Gehaltlosigkeit zu verspotten.