»Vielleicht gewinn' ich dir sie doch«, hatte der Bruder gesagt, »und dann schreib' ich dir's sogleich. Und ist's mit der nichts, so ist sie nicht die einzige auf der Welt. Du bist ein Kerl, ich kann dir's wohl sagen, so hübsch wie einer, und legst du nur dein blödes Wesen ab, kann dir's bei keiner fehlen. Es ist einmal so, die Mädel können nicht um uns werben, und ich möchte die nicht einmal, die sich mir von selbst an den Hals würfe. Und was soll ein rasches Mädel mit einem Träumer anfangen? Der Vetter in Köln soll ein paar schöne Töchter haben. Und nun leb' wohl. Deinen Brief besorg' ich noch heut.«

Damit war der Bruder von ihm geschieden.

»Ja«, sagte Apollonius bei sich, als er ihm nachsah. »Er hat recht. Nicht wegen der Töchter vom Vetter oder sonst einer andern, und wär' sie noch so hübsch. Wär' ich anders gewesen, jetzt müßt' ich vielleicht nicht in die Fremde. War ich's, dem sie die Blume hingelegt hat am Pfingstschießen? Hat sie mir begegnen wollen damals und früher? Wer weiß, wie schwer's ihr geworden ist. Und wie sie das alles umsonst getan, hat sie sich nicht vor sich selber schämen müssen? Oh, sie hat recht, wenn sie nichts mehr von mir wissen will. Ich muß anders werden.«

Und dieser Entschluß war keine taube Blüte gewesen. Das Haus seines Vetters in Köln zeigte sich keiner Art von Träumerei förderlich. Er fand ein ganz anderes Zusammenleben als daheim. Der alte Vetter war so lebenslustig als das jüngste Glied der Familie. Da war keine Vereinsamung möglich. Ein aufgeweckter Sinn für das Lächerliche ließ keine Art von Absonderlichkeit aufkommen. Jeder mußte auf seiner Hut sein; keiner konnte sich gehen lassen. Apollonius hätte ein anderer werden müssen, und wenn er nicht wollte. Auch im Geschäfte ging es anders her als daheim. Der alte Herr im blauen Rock gab seine Befehle wie der Gott der Hebräer aus Wolken und mit der Stimme des Donners, er hätte seinem Ansehen etwas zu vergeben geglaubt durch Aussprechen seiner Gründe, er gab kein Warum, und seine Söhne wagten nicht, nach Warum zu fragen. Und selbst das Verkehrte mußte durchgeführt werden, war der Befehl einmal ausgesprochen. Über Dinge, die das Geschäft nicht betrafen, redete er mit den Söhnen gar nicht. Dagegen war es des Vetters Weise, ehe er selbst seine Ansicht über einen Punkt des Geschäftes aussprach, seine Gehülfen um ihre Meinung zu fragen. Es war dann nicht genug an der Meinung, er wollte auch die Gründe wissen. Dann machte er Einwürfe; war ihre Meinung die richtige, mußten sie dieselbe siegreich durchkämpfen; irrten sie, nötigte er sie, durch eigenes Denken auf das Rechte zu kommen. So erzog er sich Helfer, denen er manches überlassen konnte, die nicht um jede Kleinigkeit ihn fragen mußten. Und so hielt er es auch mit anderen Dingen. Es waren wenig Verhältnisse des bürgerlichen Lebens, die er nicht nach seiner Weise mit seiner Familie – und Apollonius gehörte dazu – durchsprach.