Oben in der großen Säulenhalle des Palastes lagerte ein Teil der königlichen Edelscharen. Faul und wohlgelaunt waren sie zu Hunderten auf Felle, Mäntel und gestickte Decken hingestreckt, und die gewaltige Halle erbrauste von ihren Gesprächen.

Die Lanzen standen in Gestellen um die Säulen; die Erzhelme, blitzend wie Glas in der hereinfallenden Abendröte, lagen ohne Ordnung auf den marmornen Fliesen zwischen Trinkschalen, Amphoren, persischen Emailgefäßen und mit Früchten und Kuchen beladenen Dreifüßen. Unter dem Zederholzgebälk des Daches herrschte schon tiefes Dunkel, und es war, als ob sich der Abend von dort aus herniedersenkte über die wunderlichen Säulenkapitelle aus doppelten, großgehörnten Stierköpfen und herabglitte über die zarten Lotosornamente der Seitenmauern, über das Bild Auramazdas im geflügelten Ring und die halberha-bene Steinfigur eines Königs. Geisterhaft belebt war diese Figur; im engen medischen Gewand, die Tiara auf dem Haupt, in der rechten Hand das Zepter, in der linken Hand eine Blüte, schien sie sich langsam und traurig aus der Schar der Fremdlinge zu entfernen.

Die Siesta der Truppe wurde durch einen tumultartigen Lärm gestört, der von der Terrasse heraufdrang. Fünfzehn bis zwanzig Makedonier drängten sich um einen einzelnen Menschen und zerrten ihn unter Drohungen und Verwünschungen die Treppe empor. Von einer lagernden Gruppe erhob sich der Tetrarch Phason und ging auf den Knäuel zu. Mit schallender Stimme gebot er Ruhe. Ein Söldner berichtete atemlos, sie hätten drüben in den Höfen einen Menschen aufgegriffen, einen Makedonier aus der Schar der Gezeichneten, namens Promachos. Er gebe vor, aus Ekbatana zu kommen, und erzähle, dreißigtausend junge Perser seien unterwegs, in makedonische Rüstung eingekleidet und in allen Übungen der Phalanx geschult.

»An dieser Lüge sollen seine ungeborenen Kinder ersticken!«

schrie Phason wütend. »Zeigt mir den Kerl.«

Der Ring der Söldner öffnete sich murrend. Phason gewahrte einen jungen Menschen mit verstörten Zügen, dessen Oberkleid von gewalttätigen Händen zerfetzt war. »Nun, Promachos,«

höhnte Phason, »hat man dich vielleicht unter die Gezeichneten gegeben, weil du immer die Wahrheit geliebt hast? Oder hast du deine Zunge schon früher in den Kot gesteckt?«

»Es ist, wie ich sage«, stammelte Promachos und erhob beschwörend den Arm. Unter dem glühenden Blick Phasons schlug er trotzig die Augen nieder, wich gegen eine Säule zurück, an die er, um sich zu decken, mit dem Rücken lehnte, und rief laut:

»Dreißigtausend Perser, ganz wie ihr und ich gerüstet, haben vor fünf Tagen Ekbatana verlassen! Das ist so wahr, wie dort das Hundsgestirn zu leuchten anfängt!« Er deutete gegen den Himmel hinauf und wandte sich dann zu Phason. »Hüte dich, Pelläer«, sagte er finster. »Auch dir wird man Honig ins Gesicht schmieren und dich in die Sonne legen, wenn man deiner Dienste überdrüssig ist. Jetzt gilt Barbarensitte. Nur wer den Boden geküßt hat, darf aufrecht stehen.«

Mit der Wohlgelauntheit war es aus. Murmelnd hatten sich die Söldner erhoben. Ungeduld, Angst und Haß übten ihr schweigendes Spiel auf den weinerhitzten Gesichtern. Wollte Alexander sie den Barbaren preisgeben? Vertraute er ihnen nicht oder standen Dinge bevor, bei denen er sie zu fürchten hatte? Manche hängten schon mit drohenden Mienen das Schwert um die Schulter. Sie standen in der dunkelnden Röte des Abends wie mit Blut übergossen.

Phason erkannte die Größe der Gefahr. Er hatte schon manchmal dies dumpfe Grollen des Aufruhrs vernommen. Mit Worten war wenig auszurichten. »Glaubt ihr denn,« rief er mit seiner weittönenden Stimme, die in vielen Schlachten das Zittern der Feinde verursacht hatte, »daß Alexander den Verrat seines schlechtesten Soldaten abgewartet hätte, wenn er selbst Verrat begehen wollte? Eher wird das erythräische Meer nach Susa kommen, als daß Alexander uns verrät.«

»Und es ist doch Wahrheit«, entgegnete Promachos schreiend, bleich bis in die Augensterne.

Mit rasender Geschwindigkeit riß Phason das Schwert aus der gebuckelten Scheide und stieß es dem Promachos mit solcher Gewalt durch den Hals, daß die Spitze, neben dem Nackenwir-bel herausfahrend, in der Marmorkanellierung der Säule schrill klirrend abbrach. Ein dicker Blutstrahl schoß im Bogen empor und bespritzte die Umstehenden.