Rötlich-schwarze Luft zitterte um ihn, sein Kopf war weit in den Nacken gebeugt, wie nach rückwärts abgebrochen.
Schon stockte ihm das Herz. Die Haut des ganzen Körpers war aufgequollen. Da ertönte eine Stimme, schauerlicher als die des Hierophanten bei den Mysterien. War es die eines Gottes, die eines Sterbenden? Das gänzlich erschöpfte Pferd wankte noch einmal nach vorwärts, dann blieb es, als seien die Sehnen seiner Knie zerschnitten, jäh an einen spitzen Felsen gelehnt stehen.
Der blutige Schaum tropfte hörbar aus seinem Maul auf den Boden. Seine Haut erzitterte, dann rührte es sich nicht mehr. Im Stehen verendete es, erstarrte es.
Charmides ließ sich herabgleiten. Er wollte rufen. Indem er den Mund öffnete, bemerkte er mit namenlosem Entsetzen, daß die Luft auf seinen Lippen keinen Klang gab. Er warf seine Arme über den Rücken des Pferdes und legte die Stirn auf die noch dampfende Weiche. Ein letztes Bild sah sein innerlich brechen-des Auge: die rosig goldenen Hügel am Strand von Ambrakia, dort, wo die Heimat war.
Die Dunkelheit der Nacht konnte nicht die qualvollen Verzer-rungen der Gesichter verbergen. Jedem spiegelte sich das eigene Schicksal im Leiden des andern ungemildert. Das Auge der Tiere redete menschlich im Jammer des Untergangs, das der Menschen flackerte tierisch. Die Ordnung des Heeres war aufgelöst, alles taumelte durcheinander, ein wüster Haufen unzertrennlicher Schatten. Die Kräftigeren lechzten nach dem Blut derer, die sich schon mit dem Tod schleppten. Das Flehen der Niedergefallenen ertönte schauerlich; sie lockten die Hyänen an mit ihrem Geschrei. Überall lagen wahnsinnig Gewordene und wühlten die nackten Arme in den Sand. Trotz der vielfachen Sterbenslaute, des Ächzens, Röchelns, des Wehegestöhns der Weiber, Wimmerns der Kinder, des beständigen Schwirrens der Luft herrschte doch eine eigentümliche Stille. Es war, als ob alle diese Töne und Geräusche aus dem Innern der Erde kämen. Noch wurde der Weg für die Zurückgebliebenen, die sich wieder aufraffen konnten, deutlich bezeichnet. Aber einige Stunden, und der Flugsand begrub alles: die Leichname jeden Alters und Geschlechts, die Kadaver von Pferden, Hunden, Kamelen und Mauleseln. Da lagen fortgeworfene Helme, Schilde, Schwerter, Bogen und Speere.
Da lagen goldene Becher, Perlen und Geschmeide; Ohrgehänge aus Elfenbein, zu wunderschönen Figuren geschnitzt; weiße Lederschuhe mit gefärbten Sohlen und hohen Absätzen; Tiger-felle, goldverzierte Kästchen und kleine Schränke, in denen Bartschminke und Salben aufbewahrt wurden; musselinene Unterkleider, Kleider aus Baumwolle, weiß wie Schnee, die den Namen des Besitzers mit Silberfäden eingestickt trugen; Münzen aller Art, silberne Rauchpfannen, kupfernes Kochgeschirr, Käm-me aus Gold, goldene Ringe, goldene Statuetten und goldene Spiegel.
Unberührt von den zerstörenden Mächten der Wüste, ging der Inder Kondanyo mitten in einem Haufen von Söldnern. Ihre Gesichter waren fahl, ihre Augenlider fingerdick geschwollen, ihre Lippen schwarz. Doch wenn Kondanyo sprach, zuckten die Leiber, die erstorbenen Augen schimmerten ein wenig, und sie suchten die Schritte der blutenden Füße leiser zu machen, um kein Wort zu verlieren.
Nikokles, ein Kyprier, der durch seine Grausamkeit berühmt war und der mehr Menschen aus bloßer Lust am Mord umgebracht hatte als andere in der Schlacht, brach vor Kondanyos Augen zusammen.
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