Nein, durchaus nicht, ich finde es nur unedel, die Vorteile einer augenblicklichen Situation in dieser Weise auszunützen.
MAX. Nun, das ist sicher vornehm gedacht. Aber ich will dir aus der Verlegenheit helfen.
ANATOL. –?
MAX. Du fragst sie, wie folgt: Cora, seit du mich liebst ... bist du mir treu?
ANATOL. Das klingt zwar sehr klar.
MAX. ... Nun?
ANATOL. Ist es aber durchaus nicht.
MAX. Oh!
ANATOL. Treu! Wie heißt das eigentlich: Treu? Denke dir ... sie ist gestern in einem Eisenbahnwaggon gefahren, und ein gegenübersitzender Herr berührte mit seinem Fuße die Spitze des ihren. Jetzt mit diesem eigentümlichen, durch den Schlafzustand ins Unendliche gesteigerten Auffassungsvermögen, in dieser verfeinerten Empfindungsfähigkeit, wie sie ein Medium zweifellos in der Hypnose besitzt, ist es gar nicht ausgeschlossen, daß sie auch das schon als einen Treubruch ansieht.
MAX. Na höre!
ANATOL. Um so mehr, als sie in unseren Gesprächen über dieses[37] Thema, wie wir sie manchmal zu führen pflegten, meine vielleicht etwas übertriebenen Ansichten kennen lernte. Ich selbst habe ihr gesagt: Cora, auch wenn du einen andern Mann einfach anschaust, ist es schon eine Untreue gegen mich!
MAX. Und sie?
ANATOL. Und sie, sie lachte mich aus und sagte, wie ich nur glauben könne, daß sie einen andern anschaue.
MAX. Und doch glaubst du –?
ANATOL. Es gibt Zufälle – denke dir, ein Zudringlicher geht ihr abends nach und drückt ihr einen Kuß auf den Hals.
MAX. Nun – das ...
ANATOL. Nun – das ist doch nicht ganz unmöglich!
MAX. Also du willst sie nicht fragen.
ANATOL. Oh doch ... aber ...
MAX. Alles, was du vorgebracht hast, ist ein Unsinn. Glaube mir, die Weiber mißverstehen uns nicht, wenn wir sie um ihre Treue fragen. Wenn du ihr jetzt zuflüsterst mit zärtlicher, verliebter Stimme: Bist du mir treu ... so wird sie an keines Herrn Fußspitzen und keines Zudringlichen Kuß auf den Nacken denken – sondern nur an das, was wir gemeiniglich unter Untreue verstehen, wobei du noch immer den Vorteil hast, bei ungenügenden Antworten weitere Fragen stellen zu können, die alles aufklären müssen.
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