Aber mehr als dies! Jenes Prinzip ist ein allgemeiner Minotaur265, dem nicht wie dem antiken, von einem, sondern von jedem Lande in Europa, alljährlich eine Anzahl Söhne edeler Häuser zum Tribut266 gebracht werden muss. Daher ist es an der Zeit, dass diesem Popanz einmal kühn zu Leibe gegangen werde, wie hier geschehn. Möchten doch beide Monstra267 der neueren Zeit im 19. Jahrhundert ihr Ende finden. Wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben, dass es mit dem ersteren den Ärzten, mittelst der Prophylaktika268, endlich doch noch gelingen werde. Den Popanz aber abzutun ist Sache des Philosophen, mittelst Berichtigung der Begriffe, da es den Regierungen, mittelst Handhabung der Gesetze, bisher nicht hat gelingen wollen, zudem auch nur auf dem ersteren Wege das Übel an der Wurzel angegriffen wird. Sollte es inzwischen den Regierungen mit der Abstellung des Duellwesens wirklich ernst sein und der geringe Erfolg ihres Bestrebens wirklich nur an ihrem Unvermögen liegen; so will ich ihnen ein Gesetz vorschlagen, für dessen Erfolg ich einstehe, und zwar ohne blutige Operationen, ohne Schafott, oder Galgen, oder lebenswidrige Einsperrungen, zu Hilfe zu nehmen. Vielmehr ist es ein kleines, ganz leichtes, homöopatisches269 Mittelchen: wer einen anderen herausfordert, oder sich stellt, erhält à la Chinoise270, am hellen Tage vor der Hauptwache 12 Stockschläge vom Korporal271, die Kartellträger und Sekundanten272 jeder sechs. Wegen der etwaigen Folgen wirklich vollzogener Duelle bliebe das gewöhnliche kriminelle Verfahren. Vielleicht würde ein ritterlich Gesinnter mir einwenden; dass nach Vollstreckung solcher Strafe mancher »Mann von Ehre« imstande sein könnte, sich totzuschießen; worauf ich antworte: es ist besser, dass so ein Narr sich selber totschießt, als andere. – Im Grunde aber weiß ich sehr wohl, dass es den Regierungen mit der Abstellung der Duelle nicht sehr ernst ist. Die Gehalte der Zivilbeamten, noch viel mehr aber die der Offiziere stehen (von den höchsten Stellen abgesehen) weit unter dem Wert ihrer Leistungen. Zur andern Hälfte werden sie daher mit der Ehre bezahlt. Diese wird zunächst durch Titel und Orden vertreten, im weiteren Sinne durch die Standesehre überhaupt. Für diese Standesehre nun ist das Duell ein brauchbares Handpferd273; daher es auch schon auf den Universitäten seine Vorschule hat. Die Opfer desselben bezahlen demnach mit ihrem Blut das Defizit der Gehalte. –

Der Vervollständigung wegen sei hier noch die Nationalehre erwähnt. Sie ist die Ehre eines ganzen Volkes als Teiles der Völkergemeinschaft. Da es in dieser kein anderes Forum gibt, als das der Gewalt, und demnach jedes Mitglied derselben seine Rechte selbst zu schützen hat; so besteht die Ehre einer Nation nicht allein in der erworbenen Meinung, dass ihr zu trauen sei, sondern auch in der, dass sie zu fürchten sei: daher darf sie Eingriffe in ihre Rechte niemals ungeahndet lassen. Sie vereinigt also den Ehrenpunkt der bürgerlichen mit dem der ritterlichen Ehre. – Zu dem, was einer vorstellt, d. h. in den Augen der Welt ist, war oben in letzter Stelle der Ruhm gezählt worden: diesen hätten wir also noch zu betrachten. – Ruhm und Ehre sind Zwillingsgeschwister; jedoch so, wie die Dioskuren, von denen Pollux unsterblich und Kastor274 sterblich war: der Ruhm ist der unsterbliche Bruder der sterblichen Ehre. Freilich ist dies nur vom Ruhme höchster Gattung, dem eigentlichen und echten Ruhme, zu verstehen: denn es gibt allerdings auch mancherlei ephemeren275 Ruhm. – Die Ehre, nun ferner, betrifft bloß solche Eigenschaften, welche von jedem, der in denselben Verhältnissen steht, gefordert werden; der Ruhm bloß solche, die man von niemanden fordern kann, die Ehre solche, die jeder sich selber öffentlich beilegen darf; der Ruhm solche, die keiner sich selber beilegen darf. Während unsere Ehre so weit reicht, wie die Kunde von uns; so eilt umgekehrt, der Ruhm der Kunde von uns voran und bringt diese so weit er selbst gelangt. Auf Ehre hat jeder Anspruch; auf Ruhm nur die Ausnahmen: denn nur durch außerordentliche Leistungen wird Ruhm verlangt. Diese nun wieder sind entweder Taten, oder Werke, wonach zum Ruhm zwei Wege offen stehen. Zum Wege der Taten befähigt vorzüglich das große Herz; zu dem der Werke der große Kopf.