Wenn es aus ist, so spricht er: was ist’s. – Und Hamlet286: eine schalkhafte Rede schläft im Ohr eines Narren. Und Goethe:
Das glücklichste Wort es wird verhöhnt,
Wenn der Hörer ein Schiefohr ist.
und wieder:
Du wirkest nicht, alles bleibt so stumpf,
Sei guter Dinge!,
Der Stein im Sumpf
Macht keine Ringe.
Und Lichtenberg: »Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl; ist denn das allemal im Buche?« – Und wieder: »Solche Werke sind Spiegel, wenn ein Affe hineinguckt, kann kein Apostel287 heraussehn.« Zu dieser intellektuellen Unfähigkeit der Menschen, infolge welcher das Vortreffliche, wie Goethe sagt, noch seltener erkannt und geschätzt als gefunden wird, gesellt sich nun hier wie überall, auch noch die moralische Schlechtigkeit derselben, und zwar als Neid auftretend. Durch den Ruhm nämlich, den einer erwirbt, wird abermals einer mehr über alle seiner Art erhoben: diese werden also nur ebenso viel herabgesetzt, so dass jedes ausgezeichnete Verdienst seinen Ruhm auf Kosten derer erlangt, die keines haben.
»Wenn wir andern Ehre geben,
Müssen wir uns selbst entadeln.«
Goethe, W. Ö. Divan.
Hieraus erklärt es sich, dass, in welcher Gattung auch immer das Vortreffliche auftreten mag, sogleich die gesamte, so zahlreiche Mittelmäßigkeit verbündet und verschworen ist, es nicht gelten zu lassen, ja, womöglich, es zu ersticken. Ihre heimliche Parole ist: nieder mit dem Verdienste. Aber sogar auch die, welche selbst Verdienste besitzen und bereits den Ruhm desselben erlangt haben, werden nicht gern das Auftreten eines neuen Ruhmes sehen, durch dessen Glanz der des ihrigen umso viel weniger leuchtet. Während also die Ehre, in der Regel, gerechte Richter findet und kein Neid sie anficht, ja sogar sie jedem zum Voraus, auf Kredit verliehen wird, muss der Ruhm, dem Neid zum Trotz, erkämpft werden, und den Lorbeer288 teilt ein Tribunal289 entschieden ungünstiger Richter aus. Denn die Ehre können und wollen wir mit jedem teilen: der Ruhm wird geschmälert oder erschwert, durch jeden, der ihn erlangt. – Nun ferner steht die Schwierigkeit der Erlangung des Ruhmes durch Werke im umgekehrten Verhältnis der Menschenzahl, die das Publikum solcher Werke ausmacht; aus leicht abzusehenden Gründen. Daher ist sie viel größer bei Werken, welche Belehrung, als bei solchen, welche Unterhaltung verheißen. Am größten ist sie bei philosophischen Werken; weil die Belehrung, welche diese versprechen, einerseits ungewiss, und andrerseits ohne materiellen Nutzen ist; wonach denn solche zunächst vor einem Publiko auftreten, das aus lauter Mitbewerbern besteht. – Aus den dargelegten Schwierigkeiten, die der Erlangung des Ruhmes entgegen stehen, erhellt, dass wenn die, welche ruhmwürdige Werke vollenden, es nicht aus Liebe zu diesen selbst und eigener Freude daran täten, sondern der Aufmunterung durch den Ruhm bedürfen, die Menschheit wenige, oder keine, unsterbliche Werke erhalten haben würde. Ja, sogar muss, wer das Gute und Rechte hervorbringen und das Schlechte vermeiden soll, dem Urteile der Menge und ihrer Wortführer Trotz bieten, mithin sie verachten. Hierauf beruht die Richtigkeit der Bemerkung, die besonders Osorius290 hervorhebt; dass der Ruhm vor denen flieht, die ihn suchen, und denen folgt, die ihn vernachlässigen: denn jene bequemen sich dem Geschmack ihrer Zeitgenossen an, diese trotzen ihm. So schwer es demnach ist, den Ruhm zu erlangen, so leicht, ist es ihn zu behalten. Auch hierin steht er im Gegensatz mit der Ehre. Diese wird jedem, sogar auf Kredit, verliehen: denn durch eine einzige nichtswürdige Handlung geht sie unwiederbringlich verloren. Der Ruhm hingegen kann eigentlich nie verloren gehen: denn die Tat, oder das Werk, durch die er erlangt worden, stehen für immer fest und der Ruhm derselben bleibt ihrem Urheber, auch wenn er keinen neuen hinzufügt. Wenn jedoch der Ruhm wirklich verklingt, wenn er überlebt wird; so war er unecht, d. h. unverdient, durch augenblickliche Überschätzung entstanden, wo nicht gar so ein Ruhm, wie Hegel291 ihn hatte und Lichtenberg ihn beschreibt, »ausposaunt von einer freundschaftlichen Kandidatenjunta292 und vom Echo leerer Köpfe widergehallt – – aber die Nachwelt, wie wird sie lächeln, wann sie dereinst an die bunten Wörtergehäuse, die schönen Nester ausgeflogener Mode und die Wohnungen weggestorbener Verabredungen anklopfen und alles, alles leer finden wird, auch nicht den kleinsten Gedanken, der mit Zuversicht sagen könnte: herein!« –
Der Ruhm beruht eigentlich auf dem, was einer im Vergleich mit den übrigen ist. Demnach ist er wesentlich ein Relatives, kann daher auch nur relativen Wert haben. Er fiele ganz weg, wenn die übrigen würden was der Gerühmte ist. Absoluten Wert kann nur das haben, was ihn unter allen Umständen behält, also hier, was einer unmittelbar und für sich selbst ist: folglich muss hierin der Wert und das Glück des großen Herzens und des großen Kopfes liegen. Also nicht der Ruhm, sondern das, wodurch man ihn verdient, ist das Wertvolle. Denn es ist gleichsam die Substanz und der Ruhm nur das Akzidenz der Sache: ja dieser wirkt auf den Gerühmten hauptsächlich als ein äußerliches Symptom, durch welches er die Bestätigung seiner eigenen hohen Meinung von sich selbst erhält; demnach man sagen könnte, dass, wie das Licht gar nicht sichtbar ist, wenn es nicht von einem Körper zurückgeworfen wird; ebenso jede Trefflichkeit erst durch den Ruhm ihrer selbst recht gewiss wird. Allein er ist nicht einmal ein untrügliches Symptom; da es auch Ruhm ohne Verdienst und Verdienst ohne Ruhm gibt, weshalb ein Ausdruck Lessings so artig herauskommt: »einige Leute sind berühmt, und andre verdienen es zu sein.« Auch wäre es eine elende Existenz, deren Wert oder Unwert darauf beruhte, wie sie in den Augen anderer erschiene; eine solche aber wäre das Leben des Helden und des Genies, wenn dessen Wert im Ruhme, d.h. im Beifall anderer, bestände. Vielmehr lebt und existiert ja jegliches Wesen seiner selbst wegen, daher auch zunächst in sich und für sich. – Was einer ist, in welcher Art und Weise es auch sei, das ist er zuvörderst und hauptsächlich für sich selbst: und wenn es hier nicht viel wert ist, so ist es überhaupt nicht viel.
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