a. m. im Alter, ja, schon in den sechziger Jahren, geistig stumpf und unfähig geworden, ja, zur Imbezillität423 herabgesunken sind, ist ohne Zweifel daraus zu erklären, dass sie sämtlich, vom hohen Honorar verlockt, die Schriftstellerei als Gewerbe getrieben, also des Geldes wegen geschrieben haben. Dies verführt zu widernatürlicher Anstrengung und wer seinen Pegasus ins Joch spannt und seine Muse mit der Peitsche antreibt, wird es auf analoge Weise büßen, wie der, welcher der Venus424 Zwangsdienste geleistet hat. Ich argwöhne, dass auch Kant425, in seinen späteren Jahren, nachdem er endlich berühmt geworden war, sich überarbeitet und dadurch die zweite Kindheit seiner vier letzten Jahre veranlasst hat. – Jeder Monat des Jahres hat einen eigentümlichen und unmittelbaren, d. h. vom Wetter abhängigen, Einfluss auf unsere Gesundheit, unsere körperlichen Zustände überhaupt, ja, auch auf die geistigen.
C Unser Verhalten gegen andere betreffend.
21. Um durch die Welt zu kommen, ist es zweckmäßig, einen großen Vorrat von Vorsicht und Nachsicht mitzunehmen: durch erstere wird man vor Schaden und Verlust, durch letztere vor Streit und Händel geschützt.
Wer unter Menschen zu leben hat, darf keine Individualität, sofern sie doch einmal von der Natur gesetzt und gegeben ist, unbedingt verwerfen; auch nicht die schlechteste, erbärmlichste oder lächerlichste. Er hat sie vielmehr zu nehmen, als ein Unabänderliches, welches, infolge eines ewigen und metaphysischen Prinzips, so sein muss, wie es ist, und in den argen Fällen soll er denken: »es muss auch solche Käuze geben«. Hält er es anders, so tut er unrecht und fordert den andern heraus, zum Kriege auf Tod und Leben. Denn seine eigentliche Individualität, d. h. seinen moralischen Charakter, seine Erkenntniskräfte, sein Temperament, seine Physiognomie426 usf. kann keiner ändern. Verdammen wir nun sein Wesen ganz und gar, so bleibt ihm nichts übrig, als in uns einen Todfeind zu bekämpfen: denn wir wollen ihm das Recht, zu existieren, nur unter der Bedingung zugestehen, dass er ein anderer werde, als er unabänderlich ist. Darum also müssen wir, um unter Menschen leben zu können, jeden mit seiner gegebenen Individualität, wie immer sie auch ausgefallen sein mag, bestehen und gelten lassen, und dürfen bloß darauf bedacht sein, sie so, wie ihre Art und Beschaffenheit es zulässt, zu benutzen; aber Weder auf ihre Änderung hoffen, noch sie, so wie sie ist, schlechthin verdammen. Bei Menschen ist am klügsten zu denken: »ändern werde ich ihn nicht: also will ich ihn benutzen.« Dies ist der wahre Sinn des Spruches: »Leben und leben lassen.« Die Aufgabe ist indessen nicht so leicht, wie sie gerecht ist; und glücklich ist zu schätzen, wer gar manche Individualitäten auf immer meiden darf. – Inzwischen übe man, um Menschen ertragen zu lernen, seine Geduld an leblosen Gegenständen, welche, vermöge mechanischer, oder sonst physischer Notwendigkeit, unserm Tun sich hartnäckig widersetzen; wozu täglich Gelegenheit ist. Die dadurch erlangte Geduld lernt man nachher auf Menschen übertragen, indem man sich gewöhnt, zu denken, dass auch sie, wo immer sie uns hinderlich sind, dies vermöge einer ebenso strengen, aus ihrer Natur hervorgehenden Notwendigkeit, sein müssen, wie die, mit welcher die leblosen Dinge wirken; daher es eben so töricht ist, über ihr Tun sich zu entrüsten; wie über einen Stein, der uns in den Weg rollt.
22. Es ist zum Erstaunen, wie leicht und schnell Homogenität, oder Heterogenität des Geistes und Gemüts zwischen Menschen sich im Gespräche kundgibt: an jeder Kleinigkeit wird sie fühlbar. Betreffe das Gespräch auch die fremdartigsten, gleichgültigsten Dinge; so wird, zwischen wesentlich Heterogenen, fast jeder Satz des einen dem andern mehr oder minder missfallen, mancher gar ihm ärgerlich sein. Homogene hingegen fühlen sogleich und in allem eine gewisse Übereinstimmung, die, bei großer Homogenität, bald zur vollkommenen Harmonie, ja, zum Unisono427 zusammenfließt. Hieraus erklärt sich zuförderst, warum die ganz Gewöhnlichen so gesellig sind und überall so leicht recht gute Gesellschaft finden – so rechte, liebe, wackere Leute. Bei den Ungewöhnlichen fällt es umgekehrt aus, und desto mehr, je ausgezeichneter sie sind; so dass sie, in ihrer Abgesondertheit, zu Zeiten sich ordentlich freuen können, in einem andern nur irgendeine ihnen selbst homogene Fiber428 herausgefunden zu haben, und wäre sie noch so klein! Denn jeder kann dem andern nur so viel sein, wie dieser ihm ist. Die eigentlichen großen Geister horsten429, wie die Adler, in der Höhe allein. – Zweitens aber wird hieraus verständlich, wie die Gleichgesinnten sich so schnell zusammenfinden, gleich als ob sie magnetisch zueinander gezogen würden: – verwandte Seelen grüßen sich von ferne. Am häufigsten freilich wird man dies an niedrig Gesinnten, oder schlecht Begabten, zu beobachten Gelegenheit haben, oder nur weil diese legionenweise430 existieren, die besseren und vorzüglichen Naturen hingegen die seltenen sind und heißen. Demnach nun werden z. B. in einer großen, auf praktische Zwecke gerichteten Gemeinschaft zwei rechte Schurken sich so schnell erkennen, als trügen sie ein Feldzeichen, und werden alsbald zusammen treten, um Missbrauch oder Verrat zu schmieden.
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