Aber sie war eine tüchtige Hausfrau und eine unternehmende Frau für Karolus, der mit den Jahren ein nach innen gewandter, untätiger Mann geworden war. Ane Maria kannte sich auch gut aus mit kleinen Kindern und Geburten und anderen Dingen, die sie in Büchern zusammengelesen hatte, obgleich sie selber keine Kinder besaß - jawohl, in solchen Sachen konnte man Ane Maria fragen, und sie wußte auch Rat. Das mußte man ihr lassen. Aber dabei sollte sie bleiben und nicht höher hinaus streben.

In Paulines Laden kommen viel Leute aus der Umgebung, sowohl Kunden, die wirklich etwas kaufen wollen, ein Pfund Grütze oder ein halbes Pfund Schmierseife, als auch Müßiggänger und Tagediebe, die nur kommen, um andere Leute zu treffen und Neuigkeiten zu erfahren. Der schlimmste aller Tagediebe ist wohl Teodor. Er war früher nichts und hat es auch jetzt zu nichts gebracht, ist nur ein Taugenichts, der stundenlang am Ladentisch lehnt, heute noch wie in früheren Zeiten mit Pauline schwätzt, die beinahe nie eine Antwort gibt, jeden, der hereinkommt, nach Neuigkeiten fragt, nach den Ernteaussichten in der Gegend des andern, nach dem Fischfang. Er fragt wie ein Erwachsener und spuckt manchmal männlich aus, aber er ist kindisch und tölpelhaft, überdies nicht besonders ehrlich. Pauline beobachtet ihn immer heimlich, damit er nicht irgend etwas aus den Fächern erwischt und an sich nimmt. Ein paarmal hatte sie verschiedenes Diebesgut aus seiner Jackentasche hervorgeholt - übrigens zu Teodors eigener größter Verwunderung; er begriff nicht, wie die Sachen dort hingekommen waren, sicher hatte sie ihm einer im Spaß zugesteckt.

Teodor hatte sich mit zunehmendem Alter keineswegs

zu einem wertvollen Menschen entwickelt; das war auch bei Ragna, seiner Frau, nicht der Fall, sie waren beide die am geringsten angesehenen Menschen in der ganzen Bucht. Aber sie hatten drei prächtige Kinder, eigenartige Kinder, einen Jungen und zwei Mädchen. Zwar hatten die Kinder in der Zeit des Heranwachsens viel zuwenig zu essen bekommen, und um ihre Kleider war es sehr kläglich bestellt gewesen, aber das hatte ihnen nichts geschadet; sie waren groß und gesund geworden, der Bub war schneidig und hatte kräftige Fäuste, von Kenntnissen war er nicht geplagt, aber er hatte einen hellen Kopf und viel Unternehmungsgeist; die beiden Schwestern waren hübsch und glichen der Mutter, Schönheiten, fehlerfrei wie Vögel und Blumen, alle beide standen schon in Diensten, obgleich sie kaum erwachsen waren. Oh, sie hatten gearbeitet und waren so frühzeitig entwickelt, diese Schwestern, sie gingen als Dienstmädchen in Stellung, die ältere fing bei Ezra und Hosea an, die andere kam gleich nach der Konfirmation auf den Pfarrhof und half dort im Haushalt, sie bekamen mehr zu essen und hatten es besser in der Fremde, sie verdienten ein wenig Geld für Kleider, sie lachten, arbeiteten und waren glücklich.

Und dies waren Teodors und Ragnas Kinder, eine prächtige Jugend, obgleich sie von geringen Eltern stammten und aus einem ärmlichen Heim kamen. Die Eltern waren aber auch stolz auf ihre Kinder, die sich so gut anließen und es wirklich zu etwas brachten, die Mutter war selbst einmal schön gewesen und war es noch, Teodors arme Frau. O Gott - freilich waren sie schlechte Menschen, dieser Mann und diese Frau, aber so schlecht waren sie doch nicht, daß man sie als Auswurf betrachten mußte; sie waren erschöpft und vom Schicksal unter

drückt, mißhandelt, es ging ihnen schlecht, aber sie wurden nicht gemieden, im Gegenteil. Ragna war immer noch so schön, daß ihr Mann auf sie aufpassen mußte.

Karolus kommt. Er ist schwerfällig und grüblerisch geworden und lebt still zwischen den Nachbarn dahin. Er ist noch ein geachteter Mann, teils weil er einmal Bürgermeister war und teils weil sein Wohnhaus das größte in der Gegend ist und der Weihnachtstanz deshalb jedes Jahr bei ihm abgehalten werden muß. Karolus ist nicht mehr der gleiche wie früher, er hat seine Tüchtigkeit verloren und ist nachlässig geworden, er fährt immer noch auf den Lofotfischfang und ist Bootsführer wie früher, aber sein Wagemut ist dahin, er fürchtet sich auf dem Meer und fühlt sich am wohlsten, wenn sie an Land liegen müssen. Das Leben ist für Karolus wohl in Unordnung geraten, er kennt keinen Ehrgeiz mehr, hat nur noch gerade so viel Arbeitseifer, wie nötig ist, um sich und seine Frau durchzubringen. Weshalb soll er fleißiger sein als notwendig? Er hat keine Kinder, er und Ane Maria bilden die ganze Familie. Bei einem Mann wie Ezra auf der Neusiedlung war das etwas ganz anderes, der war wild versessen auf neues Land und plagte sich von früh bis spät auf seinen Äckern und Wiesen, er hatte aber auch jemand, dem er alles hinterlassen konnte, Kinder im Überfluß, Erben! Nein, Ane Maria hatte in ihrer Jugend keine Kinder und bekam sie auch nicht nach ihrer Rückkehr aus Drontheim. Merkwürdig, sie war geschaffen wie die andern und gut geschaffen, aber trotzdem. Sie war während ihrer Abwesenheit auch nicht zur alten Jungfer geworden, im Gegenteil, sie war aufgelegt wie früher, und ihr Mann hatte ordentlich Mühe, sie sich vom Leibe zu halten. Im übrigen aber war Ane Maria eine ausgezeichnete Frau, sie packte oft dort an, wo

Karolus versagte, und ließ nichts verfallen. Ohne sie hätte er sich sicherlich daheim hingelegt und wäre nicht einmal auf Winterfischfang gegangen, und womit hätten sie dann die Steuern und Abgaben und die notwendigen Waren aus dem Laden bezahlen sollen? Ja, man darf ruhig sagen, daß Ane Maria ihre Religiosität und Frömmigkeit aus dem Gefängnis nicht so merkwürdig schnell aufgegeben hätte, hätte sie nicht für den Mann und das Haus und alle diese weltlichen Dinge sorgen müssen.

Karolus macht keine großen Einkäufe, er will nur ein wenig Schreibpapier. Er tut so, als habe er immer noch irgend etwas Amtliches zu tun, obgleich er nicht mehr Bürgermeister ist, sondern nur Schulaufseher, und im übrigen nie hat schreiben können. - Gib mir das steifste Papier, das du hast, sagt er zu Pauline, bei dem dünnen Zeug, das du mir das letztemal gabst, habe ich jedesmal mit der Feder durchgestochen! - Er sieht Ragna unter den Kunden und will nach alter Gewohnheit aus der Zeit, als er Bürgermeister war, freundlich und väterlich gegen die Leute sein, auch gegen die kleine magere Ragna, das ist auch eine Art Hoffart bei ihm. Er sagt:

Ist dein Teodor daheim, Ragna?

Ja, Teodor ist daheim. Warum?

Sag ihm doch, daß ich ihn gerne an den Siilstrand* mitnehmen möchte.

Ragna erfreut: Das werde ich ihm sagen. Wann willst du fahren?

So bald wie möglich.