Aber ich kann mich ja an sämtliche Konsulate der Welt und an die Heilsarmee wenden und ihn finden. Hab nur keine Angst. Ich kenne mich schon aus.

Pauline dachte eine Weile darüber nach. Joakim mischte sich nicht ein, er hörte dieses unzuverlässige Geschwätz an sich vorüberziehen. Die Schwester wollte am liebsten das Beste glauben. August wollte jedenfalls gerne helfen, war bereit, etwas zu unternehmen, er war und blieb ein Mann mit Unternehmungsgeist, der sich überall auskannte; vielleicht gelang es ihm, den großen Bruder zu finden.

August traf ein Abkommen mit einem Mann, daß dieser den Kutter zurücksegeln sollte, zusammen mit dem jungen Burschen, mit dem er selber angekommen war. Es war nicht leicht gewesen, jetzt mitten in der Zeit des Heringsfangs einen Mann zu finden, aber Teodor hatte sich anheuern lassen. August hatte kein großes Vertrauen zu Teodor und dem jungen Burschen, aber er mußte es wagen. Er hatte den Kutter für diese Fahrt gemietet und sich verpflichtet, ihn wieder heimzusenden.

Er holte sein Reisegut von Bord, darunter einen

prachtvollen messingbeschlagenen Koffer, und sah dann zu, wie der Kutter aus der Äußeren Bucht hinaussegelte. Der junge Bursche war guten Mutes. Der Sicherheit halber begab sich August zu Pauline und versicherte den Kutter privat auf eigene Rechnung. Dann mietete er sich in der Herberge über dem Cafe ein und blieb dort wohnen. Geld und Kleider hatte er, eine feine Aussteuer, so daß er noch einmal eine Sehenswürdigkeit und ein Mittelpunkt in der Heimat seiner Kindheit wurde. Er ging in der ganzen Gegend umher, begrüßte die Leute und schwätzte und fabulierte und war überall willkommen. Er war nun ziemlich alt und fast kahl geworden.

Es dauerte nicht lange, so begann er sich aus alter Gewohnheit für die Verhältnisse in der Umgebung zu interessieren; er war erfüllt von der neuen Zeit, von neuen Arbeitsmethoden, ausländischen Vorbildern; abends saß er mit Joakim zusammen und machte große Pläne; die Stube war meist ein Versammlungsort für die Nachbarn, die ringsherum saßen, bis es dunkel wurde, und die Leute hörten mit Erstaunen den neuen Plänen zu. Sie fanden alle, daß August ein anderer geworden sei als früher, viel reifer, größer, ein erwachsener Mann. Wenn er seine Gedanken auf eine einzelne Sache richtete, so war ein richtiger Sinn in dem, was er sagte. Glaubt mir doch, sagte er, warum sollte ich hier sitzen und euch etwas vorlügen, was nicht wahr ist? Ich bin ja nicht einmal so gesund wie früher, ich hatte das Pech, mir eine Krankheit zuzuziehen, die zweieinhalb Jahre dauert, und nun habe ich immer noch anderthalb Jahre vor mir, das kann doch einen Mann immerhin etwas nachdenklich und wahrheitsliebend machen.

Was denn das für eine Art von Krankheit sei? wurde gefragt.

August antwortete: Es hat mich eine giftige Fliege gestochen.

Wieso? Wo ihm denn das passiert sei?

Das versteht ihr nicht. Aber wenn ihr auch zehn spanische Fliegen auf einmal nehmt, so ist das noch nichts gegen die Fliege, die mich gestochen hat.

Den Leuten lief es kalt über den Rücken, und sie wurden still. Ein Mann mit zehn spanischen Fliegen in sich, der log wohl nicht. Und wovon hatte er doch vorhin gerade gesprochen?

Ja, nahm August den Faden wieder auf, hier lag die Bucht in Dunkelheit. Abends wurde eine altmodische Petroleumlampe angezündet, man konnte ja darüber lachen und weinen zu gleicher Zeit. Was tat man denn an anderen Orten in der Welt? Da drehte man an einem Knopf an der Wand, und es entstand ein Sonnenschein, daß einem die Augen weh taten.

Die Bewohner der Bucht hatten davon gehört.

Und wie war es mit dem Telefon? Konnten sie etwa hier in der Stube sitzen und mit der Inneren Gemeinde sprechen? Konnten sie etwa den Doktor herbeirufen, wenn es ums Leben ging? Wie viele wußten überhaupt, was ein Telefon war?

Die Bewohner der Bucht hatten davon gehört.

Hahaha, davon gehört, ja, aber nichts unternommen! Nehmt zum Beispiel so eine Sache wie eine Herings- mehlfabrik: die Äußere Bucht ist doch nun seit Jahren zuverlässig eine Heringsbucht, hier gibt es Rohstoff in Mengen, aber wo ist die Fabrik? Wollten sie vielleicht die Gaben des Himmels nicht ausnützen? Es gab doch etwas, das Industrie genannt wurde, das den Reichtum im Lande schuf.

Ja, die Leute nickten bestätigend. Aber dazu brauchte

man doch Geld? Jawohl! sagte August. Aber wie macht man es denn an anderen Orten in der Welt und ringsum auf der ganzen Erdkruste, wo ich bekannt bin: da zeichnet jeder einen Anteil, und das wird zusammengelegt zu einem ungeheuren Haufen Geld. Wenn von eintausend Menschen jeder hundert Kronen hinlegt, so macht das hunderttausend Kronen.

Hunderttausend! riefen die Leute.

Ja, wenn das zuviel ist, so können wir ja sagen, daß von fünfhundert Menschen jeder fünfzig Kronen hinlegt, das gibt fünfundzwanzigtausend. Ich mache mich anheischig, für dieses Geld eine plenty schöne Fabrik zu bauen.

Ja, das wäre zu überlegen, sagten die Leute und wurden schon nachgiebiger. Aber wer von ihnen hatte denn fünfzig Kronen übrig? Es gab wohl in der ganzen Gemeinde keine zehn Männer mit einem solchen Vermögen.

Schweigen.

Nun ja, meint Karolus langsam, der frühere Bürgermeister, der immer noch gern etwas gelten möchte, er sagt langsam: Nun ja, fünfzig Kronen müßten sich doch wohl auftreiben lassen.

Ja, bei dir vielleicht! fielen die anderen ein und erwiesen ihm die Ehre.

August wurde eifrig: Warum sollen hier alle Dinge unmöglich sein! Geld? Wir können doch eine Bank errichten und uns Geld leihen.

He, sagten die Leute, wie geht das zu?

August erklärt: Das soll meine geringste Sorge sein. Sobald wir eine Zeichnungsliste für eine Bank auslegen, kommt Geld herein; ich habe bereits mit den Kapitänen auf den Fischereifahrzeugen in der Äußeren Bucht gesprochen, sie wollen zeichnen; andere Banken hier oben

im Norden würden sicher auch gerne an unserer Bank beteiligt sein, die so gute Aussichten hat. Im übrigen aber - wäre es nicht ein guter Gedanke, wenn die Gemeinde eine Anleihe bei einer Bank machte? Was meinst du, Joakim, als Bürgermeister zu dieser Sache?

Joakim in tiefstem Ernst: Das wäre vielleicht zu überlegen!

Karolus wollte natürlich auch nicht zurückstehen, er erteilte nickend seine Erlaubnis zu dem Plan, daß die Gemeinde eine Anleihe bei einer Bank aufnahm.

Du hast doch immer Ideen, wenn du kommst! sagten die Leute anerkennend zu August.