Es war, als seien sie schon auf dem Wege zur Bank und zur Heringsmehlfabrik.

August schwoll ordentlich an. Ich bin ja so einigermaßen herumgekommen auf unserer gesegneten Erdkruste, sagte er. Vorläufig aber denke ich vor allem noch an etwas anderes: Warum habt ihr in der Bucht noch kein Postamt?

Nein, sagten die Leute, wir haben kein Postamt.

Nein, ihr habt einen Briefkasten, aber kein Postamt.

Nein, wir haben kein Postamt. Leider haben wir kein Postamt.

Halt ’s Maul, Teodor, rief auf einmal einer, weil ihn dünkte, dieses leere Geschwätz sähe Teodor ähnlich.

Es war ja gar nicht Teodor, erklang die Antwort aus der Dämmerung. Teodor ist doch mit einem Kutter auf dem Weg nach dem Süden!

Hahaha.

Allgemeine Heiterkeit.

Joakim erhob sich, es war jetzt dunkel geworden in der Stube, und die Verhandlungen arteten aus; einige von den jungen Leuten fingen an, einander zu zwicken

und zu kneifen, so daß sie schrien. Langsam leerte sich die Stube.

Karolus blieb zurück. Er sagte: Zu meiner Zeit - damit meinte er die Zeit, da er Bürgermeister war - habe ich einmal mit den besseren Leuten von der Inneren Gemeinde über ein Postamt in der Bucht geredet, aber sie legten keinen Wert darauf, mitzutun. Es waren der Pfarrer, der Lensmann und der Doktor, aber die haben ja das Postamt dicht vor ihrer Haustür.

August dachte darüber nach. Plötzlich hörte man ihn mit den Fingern schnippen und sagen: Wir wollen unser Postamt haben! Was kümmern uns die großen Herren in der Inneren Gemeinde, wir reichen selber einen Antrag ein, der ganze Bezirk, jeder erwachsene Mensch. Joakim, du wirst eine große Urkunde schreiben, und ich werde herumgehen und mir die Namen aller Leute verschaffen. Hab keine Angst! Er hielt inne und wartete auf Joakims Antwort.

Ja, Joakim war wirklich ausnahmsweise einmal hingerissen, der Plan war gut, wenn ein ganzer Bezirk einen Antrag einreichte, würde man sich vielleicht durchsetzen. Er antwortete vorsichtig: Ja, das ist zu überlegen!

August belebt: Das kann nicht fehlschlagen! Lieber Freund, überleg dir’s doch: Hier könnt ihr jedes Jahr bestimmt mit großen Heringsfängen rechnen; sollen die Kapitäne und die Mannschaften der Fangschiffe vielleicht eine Meile weit gehen, um einen Brief zur Post zu bringen? Ich könnte mir die Haare ausraufen, wenn ich mir das vorstelle. Und außerdem der ganze große Bezirk, schreibt hier etwa kein Mensch einen Brief, schreibst du nicht selber an die Obrigkeit und an den König und mußt Rechenschaft über alles ablegen? Gebrauch doch nur deinen Verstand!

 

Ja, Joakim mußte noch einen Schritt weiter gehen und ihm vollkommen recht geben.

Und Pauline soll das Postamt übernehmen, verkündete August und setzte sie ein.

August bekam seinen Willen. Joakim, der Bürgermeister, verfaßte eine Darstellung der Postverhältnisse, und August trabte unverdrossen durch die Gegend und sammelte Unterschriften. Er nahm es nicht so sehr genau und ließ auch einige Minderjährige die Liste unterzeichnen, wenn aber Joakim ihn dabei ertappte, sah August ihn nur mit blauen Augen an und entschuldigte sich damit, daß er so lange Zeit fortgewesen sei und nicht alle kenne. Schlimmer war es allerdings, als er Verstorbene auf der Liste aufführte. Er wäre ja auch zu Josefine von Kleiva gegangen, um auch ihren Namen zu bekommen, aber um zu ihr zu gelangen, hätte er mit dem Boot fahren müssen, und er hatte gerade kein Boot zur Hand. August ging davon aus, daß Josefine keinesfalls auf der Liste übergangen werden wollte, darum setzte er auf eigene Verantwortung ihren Namen ein.

Am Abend jedoch bekam er zu hören, daß Josefine von Kleiva gestorben war.

Ach wirklich, ist sie tot? sagte August. Woran ist sie denn gestorben?

Das weiß ich nicht, antwortete Joakim, aber sie muß gestrichen werden.

August: Ich will es mir überlegen. Sie war so ein tüchtiger Mensch und hätte sicher auf mein erstes Wort hin unterschrieben.

Joakim ging die Liste durch und fand mehrere Fehler darin; abgesehen von Verstorbenen, waren auch die Namen von Leuten aufgeführt, die vor vielen Jahren

ausgewandert waren, Leute, die August früher einmal gekannt hatte und die er jetzt frei aus dem Gedächtnis aufschrieb; auf diese Weise kam auch der große Bruder Edevart mit herein sowie seine Frau Lovise Magrete.

Es ist nicht recht, daß du die beiden aufgeführt hast, sagte der Bürgermeister.

Wieso? In ein paar Wochen sind sie vielleicht hier, ich erwarte jetzt die Antwort von zehn Konsulaten in ganz Amerika. Gib mir doch die Liste! sagte August und wollte den andern am Weiterlesen hindern.

Plötzlich zuckt Joakim zusammen und bricht aus: Mein Vater!

Jawohl, auch sein toter Vater war mit aufgeführt. August sah unschuldiger drein denn jemals, ja, sündenfrei und ohne Makel. Ich mußte doch auch den Vater des Bürgermeisters dabei haben, meinte er, das ist doch wirklich nicht zuviel.

Joakim war sprachlos.

August fährt einschmeichelnd fort: Ich kannte deinen Vater als einen ehrlichen und gottesfürchtigen Mann, er wäre auf das erste Wort hin einverstanden gewesen.

Jetzt aber wurde Joakim, jähzornig wie er war, auf einmal blaß; dieser verrückte Mensch, dieser ruchlose Kerl August scheute ja vor nichts zurück, er würde mit seinen Fälschungen noch'das ganze Unternehmen zum Scheitern bringen. Dieses Aufgebot an Toten und Abwesenden würde sogar mit der letzten Volkszählung in der Gemeinde in Konflikt geraten.

Joakim sah sich hilflos nach Tinte und Feder um. Ja, das Tintenfaß stand allerdings noch da, aber die Feder war bereits zu einem früheren Zeitpunkt in Augusts Tasche verschwunden.

Wo ist die Feder hingekommen? donnerte Joakim.

Die Feder? fragte August und suchte hilfsbereit. Dann schlug er einen andern Ton an und tat so, als fühle er sich sehr ins Unrecht gesetzt: So, du willst deinen Vater ausstreichen? Du willst deinem Vater keinen Frieden im Grab gönnen?

Joakim gab in seinem Jähzorn die ganze Sache auf; er hätte ja die Liste zerreißen und dadurch vernichten können, aber er war zu sehr gereizt und konnte nicht mehr denken. Er feuerte August die Liste ins Gesicht und ging wortlos zur Tür hinaus.

August aber war nicht nur ein Schelm, der falsche Vorwände gebrauchte und sich damit zufriedengab; es steckte doch mehr in ihm. So tat er zum Beispiel etwas sehr Verständiges und Nützliches, als er sich an die Schiffer in der Äußeren Bucht wandte und sie ihm eine eindringliche Klageschrift über die Postverhältnisse in der Bucht, vom Geschäftsstandpunkt aus betrachtet, aufsetzten. Diese Klage, unterschrieben von allen Schiffern und Mannschaften und sogar noch von einigen, die bereits weggesegelt waren, war sehr wirksam und mußte die Darstellung des Bürgermeisters aufs beste unterstützen. August stellte selbst die ganze Sache zusammen, wanderte mit dem schweren Brief in die Innere Gemeinde und gab ihn dort zur Post.

Dieser August - er hatte etwas ausgerichtet.