Wann wäre er je ratlos gewesen und hätte nicht aus noch ein gewußt!
Er verwendete nun einige Tage darauf, um Joakim herumzuschwänzeln und ihn wieder freundlich zu stimmen. Pauline stellte er eine leuchtende Zukunft durch das Postamt in Aussicht, guten Verdienst und eine abwechslungsreiche Arbeit: Sie würde nun immer wissen, wer in der Gegend einander Briefe schrieb, und daraus
gar manchen Schluß ziehen können; ja, in Zweifelsfällen könnte sie auch die Briefe gegen das Licht halten und auf die Weise verschiedene Dinge herausfinden.
Er fand einen Anlaß, auf die Neusiedlung zu Ezra und Hosea zu gehen, und setzte die beiden davon in Kenntnis, daß er ihre Namen und die Namen ihrer Kinder in einer Urkunde an den König verwendet habe, um die Errichtung eines Postamts in der Bucht durchzusetzen.
Du meine Güte, an den König! sagte Hosea, denn für sie und ihresgleichen war dies doch wirklich zuviel. Wieso? erwiderte August. Ich wüßte keinen anständigeren Mann als den König. Die großen Leute in der Inneren Gemeinde können sich neben ihm überhaupt nicht sehen lassen.
Er betrachtete die Nebengebäude auf der Neusiedlung, sah, daß Stall und Scheune bereits zu klein geworden waren und hatten erweitert werden müssen. August nickte. Was hatte er gesagt, was hatte er prophezeit? Hatte er nicht damals mit eigener Hand die Steine der Grundmauern für den Stall weggenommen und sie in doppelter Breite und doppelter Länge neu ausgelegt? Hatte Ezra das vergessen? - Nein, Ezra hatte nicht vergessen, daß August ihm sehr nützlich gewesen war und den Grundstein zu seinem Wohlstand und seiner Macht gelegt hatte. Ich wollte, ich könnte es dir vergelten! sagte er. - Das habe ich nicht nötig! erwiderte August.
Sie gingen zu den Feldern hinaus, zu dem großen, weiten Moor, das jetzt nichts weiter war als Acker und Wiese, schwarze Erde, fruchtbare Erde. August nickte. Ezra zeigte ihm den gewaltigen offenen Mittelgraben, der das Wasser aus allen schrägen Gräben aufnahm und
es zu einem starken Bach vereinigte. Sommer und Winter hindurch strömte dieser Bach und wurde nicht kleiner, ausgenommen in den trockensten Sommern; die Kinder auf der Neusiedlung hatten jetzt an dem ganzen Bach entlang ihre Mühlen und kleinen Sägewerke errichtet, und das war wiederum etwas, wozu August anerkennend nicken mußte - er, der doch sämtliche Anlagen der Welt vom Ausland her kannte.
Und ihr hört kein Jammern und Schreien mehr vom Moor her? fragte er. Ezra sah zu Boden und antwortete: Nein, es ist still.
Oh, diese beiden Spitzbuben! Sie hatten sich ja seinerzeit darauf geeinigt, daß Ezra selber diese Gespensterrufe aus dem Moor hervorbringen sollte, um sich die freiwillige und unentgeltliche Hilfe der Nachbarn für den großen Mittelgraben zu sichern. Dieser unvergleichliche Streich war vollkommen geglückt: Die Leiche eines Schiffers, der sich im Moor verirrt hatte, kam ans Tageslicht, ebenso der Kadaver von Martinus Halskars Kuh; nichts stand dem Frieden und der Ruhe in der Landschaft mehr im Wege. Und Ezra hatte seinen Graben.
3
Neue Tätigkeit.
Die Bewohner der Bucht lebten in der Vorfreude auf das Postamt, das nun schon einige Zeit auf sich warten ließ; manche fingen an, an dem Gelingen des Planes zu zweifeln, und je mehr Zeit verging, desto mehr verlor August an Ansehen; er sank in den Augen der Leute zu einem gewöhnlichen Menschen herab. Er konnte schwätzen, aber was kam schließlich dabei heraus?
Ahnungslose Menschen hier in der Bucht! Sie kannten seine Kräfte nicht!
Eines Abends saßen sie alle in Joakims, des Bürgermeisters, Stube beisammen, eine Menge Menschen bei lebhafter Unterhaltung. Wie gewöhnlich führte August mehrere Male das Wort, und die Zuhörer neckten ihn manchmal mit seinen Erzählungen, denn sie hatten sich nach und nach schon daran gewöhnt. Alles in allem war August ja kein Erfinder, er strebte, war von früh bis spät tätig, war nicht faul, aber was bekam er dafür, war er etwa reich geworden? Ein vornehmer Koffer war alles, was sie von seinem Wohlstand sahen. Er besaß weder goldene Ringe noch edle Steine, seine Meerschaumpfeife war nicht kostbarer als andere solche Pfeifen, allerdings trug er eine Menge Schlüssel in der Tasche, aber Gott mochte wissen, wozu die gehörten, ob es nicht nur Prahlerei war. August hatte stets viele Schlüssel bei sich getragen, unter anderem acht Schlüssel zu seinen Kisten in Hinterindien. Vielleicht hatte er wirklich acht Kisten dort, aber was war darin, oder waren sie leer? Die Leute wußten nichts Bestimmtes.
Andernteils war es wiederum nicht nur lauter Prahl- sucht und Spiegelfechterei; er konnte sehr wohl zugeben, daß er bisweilen richtig auf den Knien gelegen und ein Hundeleben geführt hatte, gleichgültig, welchen Eindruck er damit auf die andern machte! Ein Mann, der wegen Schulden aus der Herberge ausziehen und auf eine andere Insel in der Südsee fliehen mußte, um nicht gefressen zu werden! Aber erzähle immerhin, August, erzähle! Wir wissen nicht, was Wahrheit oder Lüge ist, du weißt es vielleicht selber nicht immer genau, aber du bist jedenfalls eine lebende Zeitung, und noch mehr. Du bist Nahrung für unser Traumleben, wir hören dir zu, wenn
du deine guten Stunden hast, und wenn du uns manchmal langweilst, so ziehen wir dich auf und machen dich schlecht...
Sie sitzen den ganzen Abend in Bürgermeister Joakims Stube, plaudern miteinander, und August hält sich nicht zurück. Er hatte vieles auszupacken seit dem letztenmal, die Erlebnisse von zwanzig Jahren, Hunderte von Abenteuern. Hier daheim hatte er die Erde bebaut und Fischfang getrieben, das war allen bekannt, aber in der Welt draußen hatte er in einer Zündholzfabrik gearbeitet, in einer Cholerabaracke gelegen, hatte zu Leuten gehört, die Bomben werfen, war Missionar gewesen ...
Missionar? Du mußt ja gut dazu gepaßt haben! sagt eine Stimme spottend.
Was weißt du denn darüber? fragt August.
Nein, ich weiß nichts. Hast du viele getauft?
Ja, viele.
Haha. So, du warst also Missionar? Aber warum hast du wieder auf gehört?
Petra unterbricht: Ihr sollt nicht mit heiligen Dingen Spott treiben!
Ich bin siebenundvierzig Jahre lang über die Erdkruste gewandert, sagt August. Das will etwas heißen.
Jawohl, aber niemand weiß, worauf er hinauswill. Schließlich gibt es ja Menschen, die doppelt so lange über die Erdkruste gewandert sind.
Ich habe viel erlebt, sagt er.
Damit hatte er sicher recht, und einige von den jungen Leuten rufen ihm aufmunternd zu: Hast du denn viele bekehrt, solange du Missionar warst?
August nickte: Das ist doch klar!
Aber warum hast du damit aufgehört?
August: Das will ich dir sagen: mir sind die Patronen ausgegangen.
He! Hast du denn geschossen?
Ja, auf ein paar von den Widerspenstigen. Aber das verstehst du nicht.
Sei still, August! sagt Petra.
Eine Weile saß er wie in Erinnerungen versunken da und erzählte dann wieder: Ein paar von ihnen waren wirklich nette Leute. Mit einem Häuptling schloß ich Freundschaft und taufte ihn sofort; ihm habe ich also nichts getan.
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