27. Darum sprach Gott: Es reuet mich, daß ich die Menschen gemacht habe (Gen 6,6), und erregte die Natur, daß alles Fleisch starb, was im Trocknen lebet bis auf die Wurzel und Stamm, der blieb stehn, und hat hiemit den wilden Baum gedünget und angerichtet, daß derselbe sollte bessere Früchte tragen. Aber als derselbe wieder grünete, brachte er bald wieder gute und böse Früchte bei den Söhnen Noah. Da fanden sich bald wieder Spötter und Verächter Gottes und wuchs kaum ein guter Ast in dem Baum, der heilige, gute Früchte brachte; die andern Äste trugen und brachten die wilden Heiden.

28. Als aber Gott sah, daß der Mensch also in seiner Erkenntnis erstorben war, bewegete er die Natur abermal und zeigete den Menschen, wie in derselben wäre Böses und Gutes, damit sie das Böse fliehen und in dem Guten leben sollten, und ließ Feuer aus der Natur fallen und zündete an Sodom und Gomorrah zum schrecklichen Exempel der Welt.

29. Als aber der Menschen Blindheit überhand nahm und sich Gottes Geist nicht wollten lehren lassen, gab er ihnen Gesetze und Lehre, wie sie sich halten sollten, und bestätigte die mit Wunder und Zeichen, damit nicht erlösche die Erkenntnis des rechten Gottes.

30. Aber das Licht wollte hiemit auch nicht an Tag kommen, denn die Finsternis und Grimmigkeit in der Natur wehrete sich und derselben Fürst regierete gewaltiglich.

31. Als aber der Baum der Natur in sein Mittelalter kam, da hub er an und trug etliche milde, süße Früchte, anzuzeigen, daß er hinfort würde liebliche Früchte tragen. Denn da wurden die heiligen Propheten geboren aus dem süßen Ast des Baumes. Die lehreten und predigten von dem Licht, welches künftig die Grimmigkeit in der Natur überwinden würde.

32. Auch so ging unter den Heiden ein Licht in der Natur auf, daß sie erkenneten die Natur und ihre Wirkung, wiewohl dieses nur ein Licht in der wilden Natur war, und noch nicht das heilige Licht; denn die wilde Natur war noch nicht überwunden und rang Licht und Finsternis so lange miteinander, bis die Sonne aufging und zwang diesen Baum mit ihrer Hitze, daß er liebliche, süße Früchte trug.

33. Das ist, bis da kam der Fürst des Lichts aus dem Herzen Gottes, und ward ein Mensch in der Natur und rang in seinem menschlichen Leibe in Kraft des göttlichen Lichts in der wilden Natur.

34. Derselbe Fürsten− und königliche Zweig wuchs auf in der Natur und wurde ein Baum in der Natur und breitete seine Äste aus von Orient bis in Occident und umfassete die ganze Natur, rang und kämpfte mit der Grimmigkeit, die in der Natur war, und mit derselben Fürsten, bis daß er überwand und triumphierte als ein König der Natur und nahm den Fürsten der Grimmigkeit gefangen in seinem eigenen Hause (Ps 68,19).

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Jakob Böhme: Aurora oder Morgenröte im Aufgang

35. Als dieses geschah, da wuchsen aus dem königlichen Baume, der in der Natur gewachsen war, viel tausend Legionen köstlicher süßer Zweiglein, die hatten alle den Geruch und Geschmack des köstlichen Baums. Und ob gleich auf sie fiel Regen, Schnee, Hagel und Ungewitter, daß manches Zweiglein vom Baum gerissen und geschlagen ward, noch wuchsen immer andere Zweiglein. Denn die Grimmigkeit in der Natur und derselben Fürst erregete groß Ungewitter mit Hageln, Donnern, Blitzen und Regen, daß ja oft viel herrlicher Zweiglein von dem süßen und guten Baum abgerissen wurden. Aber dieselben Zweiglein schmeckten also holdselig, süß und freudenreich, daß keines Menschen noch Engels Zunge aussprechen kann; denn sie hatten große Kraft und Tugend in sich. Sie dieneten zur Gesundheit der wilden Heiden. Welcher Heide von den Zweiglein dieses Baums aß, der ward entlediget von der wilden Art der Natur, darinnen er geboren war, und ward ein süßer Zweig in dem köstlichen Baum und grünete in dem Baum und trug köstliche Früchte wie der königliche Baum.

36. Darum liefen viele Heiden zu dem köstlichen Baum, da die köstlichen Zweiglein lagen, welche der Fürst der Finsternis hatte mit seinen Sturrnwinden abgerissen, und welcher Heide an diese abgerissene Zweiglein roch, der ward gesund von der wilden Grimmigkeit, die ihm von seiner Mutter geboren war.

37.