Blitz der schwarze Hengst



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im Auftrag hergestellte Sonderausgabe

Lizenzausgabe mit freundlicher Genehmigung des

Albert Müller Verlages, AG, Rüschlikon – Zürich

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag und Illustration von Kajo Bierl

Originaltitel “The Black Stallion”

© by Walter Farley, Venice, USA, und Tosa Verlag, Wien

Printed in Austria


ERSTES KAPITEL

Heimwärts

 

Der Frachtdampfer »Drake« stach von der Küste Indiens in See und kehrte den stumpfen Bug dem Arabischen Meer zu, um heimzufahren. Langsam fuhr er westwärts nach dem Golf von Aden. Der Laderaum enthielt Kaffee, Reis, Tee, Ölsamen und indischen Flachs. Schwarzer Rauch stieg aus dem einzigen Schornstein und verdunkelte den wolkenlosen Himmel. Alexander Ramsay, den seine Freunde zu Hause in New York Alec nannten, lehnte an der Reling und sah zu, wie das Wasser unter dem Schiff wegglitt. Alecs rotes Haar flammte in der heißen Sonne; seine gebräunten Arme lagen auf der Reling, während er das sommersprossige Gesicht der immer mehr zurückweichenden Küste zuwandte.

Die zwei Monate in Indien waren schön gewesen. Er wußte, daß er sich nach Onkel Ralph zurücksehnen würde, nach den Tagen, die sie zusammen im Urwald verbracht hatten, sogar nach dem Gebrüll der Panther und den vielen gespenstischen Lauten der Urwaldnacht. Alec betrachtete stolz seine kräftigen Armmuskeln. Onkel Ralph hatte ihn reiten gelehrt und ihm damit den glühendsten Wunsch erfüllt.

Doch damit war es nun zu Ende. Zu Hause gab es wenig Gelegenheit zum Reiten.

Er steckte die Hand in die Tasche und holte ein Taschenmesser mit Perlmutterschalen hervor, das er liebevoll beschaute. Es trug eine goldene Inschrift: Für Alec zum Geburtstag, Bombay, Indien. Er dachte an die Worte seines Onkels: Trag es immer bei dir. Ein Messer kann manchmal sehr nützlich sein, Alec.

Plötzlich legte sich eine große Hand auf seine Schulter. »Na, mein Junge, nun bist du also auf der Heimfahrt«, sagte eine rauhe Stimme mit ausgeprägtem englischem Tonfall.

Alec blickte in das verrunzelte, wettergebräunte Gesicht des Kapitäns. »Ja, Herr Kapitän«, antwortete er. »Allerdings wird die Heimreise lange dauern. Zuerst mit Ihnen nach England und dann mit der >Majestic< nach New York.«

»Alles in allem ungefähr vier Wochen; aber du siehst nach einem recht guten Seefahrer aus.«

»Das bin ich auch, Herr Kapitän. Auf der Hinreise wurde ich überhaupt nicht seekrank, obwohl wir in einen Sturm gerieten«, sagte Alec stolz. »Wann bist du denn nach Indien gekommen?« fragte Kapitän Watson. »Im Juni mit einigen Freunden meines Vaters, die mich nach Bombay zu meinem Onkel brachten. Sie kennen doch Onkel Ralph, nicht wahr? Er kam mit mir an Bord und sprach mit Ihnen.«

»Ja, ich kenne deinen Onkel schon viele Jahre. Ein prächtiger Mensch. Und jetzt fährst du allein nach Hause?«

»Ja, Herr Kapitän. Nächsten Monat fängt die Schule wieder an, und dann muß ich dort sein.«

Der Kapitän lächelte und nahm Alec am Arm. »Komm mit, Junge«, sagte er. »Ich will dir zeigen, wie man das Schiff steuert; du kannst es selbst einmal versuchen.«

Der Kapitän, die Matrosen, überhaupt jeder an Bord war freundlich zu Alec; aber die Tage vergingen trotzdem recht eintönig für den heimfahrenden Knaben, während sich die »Drake« durch den Golf von Aden pflügte und dann ins Rote Meer. Die tropische Sonne schien erbarmungslos auf die Köpfe der wenigen Passagiere, die den Frachtdampfer benützten.

Im Roten Meer hielt sich die »Drake« nahe bei der Küste Arabiens — meilenweit erstreckte sich das unfruchtbare Wüstengestade. Aber Alecs Gedanken weilten nicht bei dem glühenden Sand. Er sah in Arabien das Land, aus dem die schönsten und edelsten Pferde der Welt stammten! Ob andere Menschen wohl auch wie er von Pferden träumten? Für ihn war ein Pferd das herrlichste Tier, das es gab.

Dann steuerte die »Drake« eines Tages einen kleinen arabischen Hafen an. Als sie sich dem Landekai näherte, sah Alec eine Eingeborenenschar in großer Aufregung herumspringen. Offenbar legte hier nicht oft ein Schiff an.

Doch als die Laufbrücke mit einem Bums hinunterging, merkte Alec, daß es gar nicht der Dampfer war, der solche Aufmerksamkeit erregte. Die Eingeborenen drängten sich in der Mitte des Landungsplatzes. Er hörte ein schrilles, lautes Wiehern — etwas Ähnliches hatte er noch nie vernommen. Er gewahrte einen mächtigen Rappen, der sich bäumte und mit den Vorderbeinen in die Luft schlug.