Demnach hing der Strick noch an dem Halfter des Pferdes. Ohne sich mit Überlegungen aufzuhalten, griff Alec nach dem Strick und hielt sich fest. Daraufhin wurde er durchs Wasser gezogen, hinaus in die offene See.

Die Wellen gingen immer noch hoch; aber die Schwimmweste hielt Alec oben. Er war außerstande, sich über sein Tun Rechenschaft abzulegen. Er wußte nur, daß er die Wahl hatte, allein im Wasser zu bleiben oder sich von dem Pferd ziehen zu lassen. Wenn er sterben mußte, wollte er lieber mit dem kraftvollen Hengst sterben als allein. Als er noch einmal zurückblickte, war die »Drake« verschwunden.

Stundenlang kämpfte Alec gegen die Wellen an. Den Strick hatte er sicher und fest an seiner Schwimmweste verknüpft. Aber er konnte den Kopf kaum über dem Wasser halten. Auf einmal fühlte er, daß der Strick erschlaffte. Der Rappe schwamm nicht mehr! Alec wartete gespannt; wenn er in die Dunkelheit spähte, erkannte er gerade noch den Kopf des Pferdes. Das Wiehern des Rappen durchschnitt die Luft. Nach einer Weile straffte sich der Strick wieder. Das Pferd hatte eine andere Richtung eingeschlagen. Abermals verging eine Stunde; dann ebbte der Sturm zu hochrollenden Dünungen ab. Am Horizont erschienen die ersten hellen Streifen der Morgendämmerung.

Viermal hatte der Rappe während der Nacht haltgemacht, und jedesmal hatte er den Kurs geändert. Alec fragte sich, ob ihn der ungebrochene Instinkt des Pferdes wohl ans Land führen würde. Die Sonne ging auf und schien hell auf den Kopf des Knaben. Das Salzwasser, das er während der Nacht geschluckt hatte, machte ihn vor Durst beinahe wahnsinnig. Doch wenn er es nicht länger auszuhalten glaubte, blickte er auf das Pferd, das immer noch unermüdlich mit den Wellen kämpfte, und neuer Mut erfüllte ihn.

Auf einmal merkte er, daß sie mit den Wellen schwammen, nicht mehr gegen sie. Er schüttelte den Kopf, um Klarheit in sein Denken zu bringen. Ja, sie wurden vorwärts getragen, sie mußten sich einer Küste nähern! Eifrig strengte er seine salzverkrusteten Augen an und spähte voraus. Und da sah er Land, an dem sich die Wellen brachen — ungefähr einen halben Kilometer entfernt. Er erkannte sogleich, daß es nur eine kleine Insel war; aber vielleicht gab es dort Nahrungsmittel und Wasser, vielleicht konnte man sich dort am Leben erhalten! Immer schneller näherten sie sich dem Strand. Jetzt waren sie in der Brandung. Das Wiehern des Rappen brach die Stille. Das Pferd hatte Grund unter den Füßen; es schwankte ein wenig und schüttelte den schwarzen Kopf. Dann paßte es sich den neuen Verhältnissen an und schritt rascher durch das seichte Wasser.

Alec staunte — welche Kraft und Ausdauer hatte dieses Tier! Mit steigender Geschwindigkeit wurde er zum Ufer gezogen. Jählings wurde ihm seine gefährliche Lage klar. Er mußte den Strick, den er mit der Schwimmweste verknotet hatte, losbinden, sonst wurde er zu Tode geschleift! Verzweifelt zerrten seine Finger an dem Knoten, den er selbst so fest geschlungen hatte. Wie rasend mühte er sich ab, während das Ufer näher und näher kam.

Jetzt hatte der Rappe den Strand erreicht. Der Sand knirschte unter seinen Hufen, als er das Wasser verließ. Alec war noch immer nicht frei, denn durch den stundenlangen Aufenthalt im Wasser war der Knoten aufgequollen.