Ich werde Dich erschlagen,
Willst Du fortan Emilien nicht entsagen.
Du kommst nicht fort! – Was Dir gefällt, erwähle!«
Jedoch Arcit mit haßerfüllter Seele
Zog, als er ihn erkannt und angehört,
So wüthend wie ein Löwe gleich sein Schwert
Und sprach: »Beim hohen Gott im Himmel droben,
Machte der Liebe Wahnsinn Dich nicht toben,
Und wär' nur irgend eine Waffe Dein,
Du kämest nicht lebendig aus dem Hain,
Und fändest Deinen Tod durch meine Hand;
Denn ich zerreiße hiermit Bund und Band,
Wodurch ich – sagst Du – Dir verpflichtet sei.
Was, Narre! – ist die Liebe denn nicht frei?
Trotz aller Deiner Macht will ich sie lieben!
Bist Du der Ritter, der Du warst, geblieben,
Wirst Du mit mir den Kampf um sie bestehn,
Und, auf mein Wort! Du sollst mich morgen sehn
Ganz ohne Zeugen auf demselben Flecke,
Und wissen, daß ein Ritter in mir stecke.
Genug an Wehr und Waffen bring ich Dir,
Die besten wähle, laß die schlechtsten mir!
Mit Speis' und Trank will ich zur Nacht Dich laben
Und Decken sollst Du für Dein Lager haben;
Und wenn Du die Geliebte Dir erringst,
Und hier im Wald mich um das Leben bringst,
So bleibe Deine Dame Dir als Preis!«
Und Palamon erwiderte: »So sei's!«
Dann schieden sie. Verpfändet war ihr Wort
Zum Kampf für morgen an demselben Ort.
Ach, umbarmherz'ger Amor, ausgeschlossen
Hast Du als Herrscher jeden Mitgenossen.
Der Spruch bleibt wahr: daß Herrschaft, wie die Liebe
Am besten ohne Mitregenten bliebe.
Das finden auch Arcit und Palamon.
Rasch ritt Arcit dann nach der Stadt davon
Und schafft, sobald der Tag zu graun begann,
Zwei Rüstungen sich ganz im Stillen an,
Die wohl geeignet waren, um die Beiden
In ihrem Zweikampf passend zu bekleiden.
Dann stieg zu Roß er ganz allein und trug
Die Rüstungen auf seinem Sattelbug,
Und hin zu Palamon ritt nach dem Hain
Zur rechten Zeit er zu dem Stelldichein.
Wohl färbten sich der Beiden Wangen bleich.
– Dem Jägersmann auf Thraciens Gauen gleich,
Der, auf der Lauer steh'nd mit seinem Speer,
Wenn ein gehetzter Löwe oder Bär,
So Busch wie Blätter knickend, mit Gewalt
Raschelnd hervorbricht aus dem Unterwald,
Beständig denkt: »Da nah't mein Todfeind sich!
Entweder er muß fallen oder ich;
Entweder ihm geb' ich den Todesfang,
Sonst muß ich sterben, falls der Stoß mißlang;«
Erging es ihnen. – Ihre Farbe schwand,
Weil beiderseits sie sich zu wohl bekannt.
Nicht »Guten Tag« und nicht ein Grußeswort
Ward ausgetauscht. Doch halfen sie sofort
Einander, sich die Rüstung anzulegen,
So freundlich, wie es eigne Brüder pflegen.
Dann fuhren sie mit manchem Speeresstoß
Gar wunderlang scharf aufeinander los;
Man dächte wohl von Palamon mit Recht,
Ein wüth'ger Löwe führe das Gefecht,
Indeß ein grimmer Tiger sei Arcit.
Ganz wie zwei Eber man sich zausen sieht,
Mit weißem Schaum bedeckt und toll vor Wuth,
So fochten sie bis enkeltief im Blut.
Doch in dem Kampf will ich jetzt Beide lassen,
Um mich nunmehr mit Theseus zu befassen.
Das Schicksal, dieser Oberfeldmarschall,
Deß starke Hand das ganze Weltenall
Nach Gottes Vorbeschluß in Ordnung hält,
Ist übermächtig. Und, wenn alle Welt
Das Gegentheil beschwört bei Ja und Nein,
Ein Ding, das kommen soll, trifft dennoch ein,
Und käm' es selbst nur alle tausend Jahr'!
Denn alles Menschenwollen wird fürwahr
– Sei's Haß, sei's Liebe, sei es Krieg, sei's Frieden –
Nur durch den Lenker in der Höh' entschieden.
Dies darf ich in Bezug auf Theseus sagen. –
Nach einem großen Maienhirsch zu jagen
War stets vor Allem seine Lust und Wonne;
Und jeden Tag war, früher als die Sonne,
Er schon gekleidet und zur Jagd bereit
Mit Hund und Horn und Jägern im Geleit.
Als Zeitvertreib und lustiges Ergötzen
Galt es ihm stets, den starken Hirsch zu hetzen.
Und seine größte Lust und Freude war's
Dianen jetzt zu dienen, anstatt Mars.
Klar war der Tag, wie ich erwähnt vorhin,
Und Theseus mit der schönen Königin
Und mit Emilia, die sich Grün erwählt
Für ihren Anzug, eilte froh beseelt
Zur Jagd hinaus in königlichem Staat,
Und als er jenem Haine sich genaht,
In dem ein Hirsch – wie man ihm sagte – stand,
Ritt Theseus spornstreichs über Bach und Land,
Bis graden Wegs er zu der Stelle kam,
Wo jener Hirsch stets seinen Wechsel nahm.
Mit allen Hunden hinterdrein zu setzen,
Um ein- bis zweimal nach dem Hirsch zu hetzen,
Wie's ihm gefiele, Theseus nun befahl.
Im freien Felde sah er durch den Strahl
Der hellen Sonne und nahm plötzlich wahr
Arcit und Palamon, die wie ein Paar
Erboßte Bullen miteinander rangen,
Und deren helle Schwerter gräßlich klangen,
Als wollten sie mit dem geringsten Streiche
Zu Boden fällen eine mächt'ge Eiche.
Der Herzog, der die Beiden nicht erkannte,
Fest in sein Roß die scharfen Sporen rannte
Und sprengte schleunigst zwischen sie hinein
Und zog sein Schwert und rief: »Gleich haltet ein!
Nicht weiter treibt's, ist Euer Kopf Euch werth!
Beim mächt'gen Mars, wer noch einmal sein Schwert
Zum Streich erhebt, der ist dem Tod geweiht!
Doch nun erzählt mir, wer Ihr beide seid,
Daß ohne Zeugen, so geheimnißvoll
Ihr Euch bekämpft mit so gewalt'gem Groll,
Als ob Ihr wirklich in den Schranken ständet?«
Und Palamon, zu Theseus hingewendet,
Antwortete: »Was braucht's der Worte viel?
Um unser beider Leben gilt das Spiel!
Verbrecher sind wir, jammervolle Wichte,
Des Lebens überdrüssig; darum richte
Als ein gerechter Herrscher unsre Schuld,
Und schenk' uns keine Gnade, keine Huld!
Gieb aus Erbarmen mir den Todesstreich,
Doch meinem Kameraden auch zugleich,
Wenn nicht zuvor. Denn unerkannt steht hier
Arcit, Dein größter Todfeind jetzt vor Dir;
Er, den Du einst bei Kopfverlust verbannt,
Empfängt mit Recht den Tod aus Deiner Hand!
Er ist es, der sich Deinem Thor genaht
Mit falschem Namen, der als Philostrat
Dich liebe, lange Jahre schon betrogen,
Und den als Junker Du emporgezogen,
Und er auch ist es, der Emilia liebt!
Es nah't der Tag, der meinen Tod mir giebt.
Und beichten will ich Alles schlicht und klar:
Ich bin der arme Palamon, fürwahr,
Der jüngst entsprang aus seiner Kerkerhaft,
Ich bin Dein Todfeind, welchen Leidenschaft
Zur herrlichen Emilie so durchdringt,
Daß er sein Leben gern zum Opfer bringt!
Dein Urtheil sprich! Gieb mir den Todesstreich,
Doch tödte den Genossen auch zugleich,
Da alle Beide wir den Tod verdienen.«
Der edle Herzog gab zur Antwort ihnen:
»Kurz ist mein Urtheil. – Euer eigner Mund
Hat Euch verdammt! Ihr machtet selber kund
Mir Eure Schuld durch Euer Eingeständniß.
Die Folter spart Ihr Euch durch dies Bekenntniß,
Doch sühnt nur Tod – beim mächt'gen Mars! – die Schuld!«
Die Königin, voll frauenhafter Huld,
Fing mit Emilie bitter an zu weinen,
Und allen Ehrendamen wollte scheinen,
Es sei zu jammervoll und mitleidslos,
Daß ihrer harren solle solches Loos.
Sie seien Herr'n von adeligem Stand,
Und nur aus Liebe sei ihr Streit entbrannt.
Und als die blut'gen Wunden sie gesehn,
So weit und tief, begannen sie zu flehn:
»Herr! mit uns Weibern allen habt Erbarmen!«
Und niederknieend, suchten zu umarmen
Sie seine Füße, bis zu guterletzt
In mildre Stimmung Theseus sie versetzt.
– Das Mitleid rasch ein edles Herz bewegt! –
Zuvor durch Zorn noch äußerst aufgeregt,
War seine Fassung bald zurückgewonnen,
Als er der Schuld von Beiden nachgesonnen,
Und ihrem Grunde. Denn, ob grimmentbrannt,
Entschuldigte sie dennoch sein Verstand.
Er dachte so: Wohl mag ein jeder Mann
Sich in der Liebe helfen, wie er kann.
Und Jeder mag sich auch der Haft entziehn.
Und da die Weiber immerwährend schrien,
Begann im Busen Mitleid sich zu regen
Und zu sich selbst nach stillem Ueberlegen
Sprach bald sein Herz: Pfui! wahrlich, wär' es schade,
Wenn sich ein Herr, verschlossen jeder Gnade,
In Wort und That stets wie ein grimmer Leu
Dem Manne zeigt, der voller Furcht und Reu',
Wie dem, der in verachtungsvollem Wahn
Stets aufrecht hält, was er zuerst gethan.
Von wenig Urtheilskraft giebt den Beweis
Ein Herr, der nicht zu unterscheiden weiß,
Demuth und Stolz auf gleicher Wage messend.
Und als er, seines Zornes rasch vergessend,
Mit klaren Blicken rings umher geschaut,
Sprach er das still Gedachte darauf laut:
»Du Liebesgott! Ei, benedicite!
Du großer, mächt'ger Herr, wo leistet je
Das größte Hinderniß Dir Widerstand?
Mit vollem Rechte wirst Du Gott genannt
Ob Deiner Wunder; denn in unsrer Brust
Lenkst Du das Herz nach Willkür und nach Lust!
Das sieht man an Arcit und Palamon,
Die jetzt in Theben, ihrer Haft entflohn,
Ein ehrenvolles, sichres Dasein fänden;
Und beide wissen, daß in meinen Händen
Sie in der Macht von ihrem Todfeind sind;
Und dennoch macht die Liebe sie so blind,
Daß offnen Auges in den Tod sie rennen!
Ist das, führwahr, nicht Wahnsinn zu benennen?
Was kommt an Thorheit je der Liebe gleich?
Nun, seht sie an! – Beim Gott im Himmelreich!
Wie sind sie zugerichtet, wie voll Wunden!
Das ist der Lohn, mit dem sie abgefunden
Für ihren Dienst Ihr Herr, der Gott der Liebe!
– Indeß, was ihnen vorbehalten bliebe,
Stets dünken sich der Liebe Diener klug. –
Doch spaßhaft ist's in diesem Fall genug,
Daß sie, um deren Liebe sie gezankt,
Wie ich, gar wenig für die Mühe dankt.
Bei Gott! ein Kuckuk oder Hase weiß
Wohl mehr als sie, warum ihr Kampf so heiß?
Der Liebe Wechselfieber, warm und kalt,
Macht stets zu Thoren, sowohl jung, als alt.
Das hab' ich an mir selbst in jungen Jahren,
Als ich in ihrem Dienst noch stand, erfahren;
Und, da der Liebe Leid ich selbst gefühlt,
Und weiß, wie sie in Männerherzen wühlt,
Und selbst in ihren Netzen oft gefangen,
So sei auch Euch die That, die Ihr begangen,
Da meine Königin mich auf den Knie'n,
Sowie Emilie darum bat, verziehn.
Gebt Ihr sofort mir Euren Schwur zum Pfande,
Daß Ihr dem Aufenthalt in meinem Lande
Und jedem Kriege wider mich entsagt,
Und Euch als meine Freunde stets betragt,
So sprech' ich von der Schuld Euch los und ledig!«
Nun priesen sie den Herrn als gut und gnädig,
Und schwuren, zu gehorchen seinem Wort;
Und als er sie begnadigt, fuhr er fort:
»Was Reichthum anbelangt und Fürstenblut,
So seid Ihr beide zweifelsohne gut
Und werth genug, zu lenken Euren Sinn
Auf eine Fürstin, eine Königin.
Doch was Emilie hierbei anbelangt,
Um die im Kampf Ihr eifersüchtig rangt,
So kann sie zwei nicht nehmen, – das ist klar!
Ja, wolltet streiten Ihr auf immerdar,
So muß doch einer – das ist zu begreifen –
Gern oder ungern auf dem Grashalm pfeifen!
Mit einem Wort, sie kann nicht Beide frein,
Mögt Ihr auch noch so eifersüchtig sein.
Und aus dem Grunde setzt' ich Euch in Stand,
Daß Euer Loos Ihr aus des Schicksals Hand
Empfangen könnt. – Nun horcht, damit Ihr wißt,
Was über Euch bei mir beschlossen ist!
Dies ist mein Wille, der, bestimmt und fest,
Durch keinen Einwand sich mehr ändern läßt.
Nehmt ihn zum Besten auf, wenn's Euch gefällt:
Wohin Ihr wollt, geht ohne Lösegeld
Und frei von Furcht vor jeglicher Gefahr
Mit dem Beding, daß heut' in einem Jahr
Ein jeder heim mit hundert Rittern kehrt,
Nach allen Regeln des Turniers bewehrt,
Und frei gewillt, für sie den Speer zu brechen;
Und ohne Rückhalt will ich Euch versprechen,
So wahr ich ehrlich und ein Ritter bin,
Wem von Euch beiden zufällt der Gewinn
– Und das will sagen, wer von Euch, vereint
Mit jenen hundert Rittern, seinen Feind
Erschlagen kann und treiben aus den Schranken –
Der mag dem Glück die holde Gabe danken,
Dem sei als Weib Emilia verliehn.
Auf diesem Platz will ich die Schranken ziehn.
Und wie mir Gott die Sünden mag verzeihn,
So will ich Euch ein treuer Richter sein.
Kein andrer Weg bleibt für Euch einzuschlagen;
Einer muß sterben, oder muß entsagen.
Hab' ich hierin mit Billigkeit entschieden,
So stimmt mir bei und gebet Euch zufrieden.
Was Euch bestimmt, bleibt unabänderlich!«
Wer freute mehr als Palamon nun sich,
Wer blickte nun vergnügter als Arcit?
Wie kann erzählen, wie besingt mein Lied,
Den freud'gen Beifall, der im Kreis erscholl,
Als Theseus schloß so schön und gnadenvoll?
Hin auf die Knie' sank Jeder in der Runde
Und gab ihm Dank aus tiefstem Herzensgrunde,
Und die Thebaner dankten ihm zumeist.
Mit hoffnungsvollem Herzen, frischem Geist
Dann Abschied nehmend, sah man ohne Weilen
Zu Thebens alten Wällen Beide eilen.
Man möchte leicht auf mich als lässig schmälen,
Wollt' ich vom Bau der Schranken Nichts erzählen,
Den Theseus mit Geschäftigkeit vollbracht.
Nie ward mit solcher königlichen Pracht
Auf dieser Welt – das darf mit Recht ich sagen –
Ein zweiter Schauplatz jemals aufgeschlagen.
Auf eine Meile rings umher umgaben
Den Platz ein Steinwall und ein breiter Graben.
Bis sechzig Fuß hoch stiegen rings im Kreise
Sitzreihen auf, gebaut in solcher Weise,
Daß unbehindert durch den Vordermann
Von jedem Platz ein Jeder sehen kann.
Aus weißem Marmor ragte je ein Thor
Nach Osten und nach Westen hin empor.
Um kurz zu schließen, rascher hergestellt
Ward solch ein Bau nicht in der ganzen Welt,
Es war kein Handwerksmann im ganzen Land,
Der etwas Meß- und Rechenkunst verstand,
Kein Mann, der Bilder schnitzte, oder malte,
Den Theseus nicht verpflegte, nicht bezahlte,
Den Schauplatz zu entwerfen und gestalten.
Um um den heil'gen Opferdienst zu halten,
Ward auf dem Thor, das gegen Morgen war,
Der Liebesgöttin Venus ein Altar
Nebst einem Tempelschrein erbaut; wogegen
Ein gleicher Schrein, jedoch nach West gelegen,
Dem Kriegsgott zum Gedächtniß ward verehrt,
Der wohl an Gold ein volles Fuder werth.
Und nordwärts stand in einem Thurm am Walle
Ein Altar, reich vom Schmuckwerk der Coralle
Auf weißem Alabastergrund umsäumt,
Von Theseus für Diana eingeräumt,
Und ihrer Keuschheit würdig angemessen.
Doch aufzuzählen darf ich nicht vergessen
Die edlen Bilderwerke, die Sculpturen,
Form, Haltung und Gestalt von den Figuren,
Mit denen ausgeschmückt war jede Halle.
Zuvörderst sah man dargestellt am Walle
Des Venustempels, schrecklich anzuschauen,
Wehklagen, bittre Seufzer und das Grauen
Schlafloser Nächte, heil'ge Jammerthränen;
Die Feuersgluth der Brunstbegier von denen,
Die in der Liebe Diensten einst gestanden,
Die Schwüre und Versprechen, die sie banden;
Hoffnung und Lust, Vernarrtheit und Begier,
Ausschweifung, Reichthum, Schönheit, Jugendzier,
Gewalt und List, Verführung, Zaubertränke,
Gold, Schmeichelei und lügenvolle Ränke,
Und Eifersucht, geschmückt mit gelbem Band,
Und einen Kuckuk haltend in der Hand;
Musik und Tänze, Feste, wie Gesänge
Mit aller Art von Lust und von Gepränge.
Was nur als Zubehör der Liebe gilt,
Fand, wie befohlen, an der Wand sein Bild,
Und Manches mehr, als ich erzählen kann.
Geschildert an der Tempelwand sah man
Sogar den ganzen Berg Cythäron ragen
Mit allen Gärten, allen Lustanlagen,
Den Venus sich zum Lieblingssitz erkor.
Als Pförtner saß der Müßiggang am Thor.
Man sah Narciß, den Geck der alten Zeit,
Und Salamonis Gottvergessenheit.
Nicht fehlte dort vom Herkules die Stärke,
Noch Circes und Medeas Zauberwerke;
Der Feuermuth, der Turnus einst beseelte,
Die Knechtschaft nicht des reichen Krösus fehlte.
So könnt ihr sehen: Muth noch Reichthum ist,
Noch Stärke, Schönheit, Weisheit oder List
Vermögend vor der Venus zu bestehn.
Wie ihr's gefällt, so muß die Welt sich drehn!
Die Leute, seht! lockt sie ins Netz hinein,
Und hinterher kommt Seufzen, Noth und Pein.
Ein Beispiel, mag Euch, oder zwei, genügen,
Doch tausende wüßt' ich hinzuzufügen.
Das Marmorbild der göttlichen Cythere
Erhob sich nackend aus dem weiten Meere;
Krystallenhell sah man die grünen Wellen
Vom Nabel abwärts ihren Leib umschwellen,
Und ihre Leyer hielt sie in der Hand;
Ein frischer, duft'ger Rosenkranz umwand
Ihr Haupt, um welches ihre Tauben flogen,
Die, in den Lüften flatternd, sie umzogen.
Ihr Sohn, Cupido, mit dem Flügelpaar
An seinen Schultern vor ihr stand, und war
Auch hier, wie sonst, als Blinder dargestellt,
Der Pfeil und Bogen in den Händen hält.
Warum soll ich nicht ebenmäßig schildern,
Wie ausgeschmückt war mit verschiednen Bildern
Der Länge und der Breite nach die Wand,
Wo der Altar des blut'gen Kriegsgotts stand.
Gleich grauenvoll wie die Estraden war's
In Thraciens großem Tempelhaus des Mars,
In jener kalten, frostigen Region,
Wo Mars errichtet seinen Götterthron.
Gemalt am Walle stand zunächst ein Wald
Mit dürren Bäumen, knotig, knorrig, alt,
Und morschen Stümpfen, gräulich anzusehen.
Nicht Mensch noch Thier war ringsum zu erspähen;
Ein Rascheln und ein Rauschen nur war rege,
Als ob ein Sturm die Aeste niederfege.
Und unter einem Hügel stand im Thal,
Durchaus erbaut aus hartgebranntem Stahl,
Vom allgewalt'gen Mars das Tempelhaus;
Eng war der Eingang und sah grausig aus.
Ein heft'ger Zugwind drang daraus hervor
Und öffnete gewaltsam jedes Thor.
Es fiel das Nordlicht durch die Thür allein,
Sonst schien kein Tag in diesen Raum hinein,
Denn ohne Fenster war ringsum die Wand.
Aus ewig dauerbarem Adamant
Bestand die starke Thüre, welche schwer
Beschlagen war mit Eisen kreuz und quer;
Und tonnengroße Stahlpilaster stützten
Den Tempelbau und schimmerten und blitzten.
Dort sah zunächst ich düstre Schauerbilder
Von todeswürdigen Verbrechen wilder
Gewalt, des Zornes glüh'nde Feueresse,
Den Beutelschneider, des Entsetzens Blässe,
Den Lächler mit dem Messer im Gewand,
Und Stall und Scheuer, rauchgeschwärzt durch Brand;
Den Meuchelmord am Schläfer in der Nacht,
Blutrünst'ge Wunden offner Kriegesschlacht,
Und scharfes Drohen, blut'gen Messerstreit.
Ein schaurig Knarren tönte weit und breit;
Selbstmörder sah ich, deren Haar am Kopf
Ihr Herzblut färbte, während in den Schopf
Die Hand sich krampfhaft mit den Nägeln krallte;
Kalt grinste Tod mit offner Mundesspalte;
Das Unglück in des Tempels Mitte stand,
Betrübniß und Verzweiflung ihm zur Hand.
Ich sah das Lachen wilder Raserei
Geläster, Lärm von Waffen und Geschrei,
Im Busche Leichen, deren Hals durchschnitten,
Und tausende, die jähen Tod erlitten,
Zerstörte Städte, die verkehrt zu Staub;
Sah den Tyrannen mit der Beute Raub,
Sah Schiffe flammend auf dem Meere schwanken,
Erwürgt den Jäger durch des Bären Pranken,
Das Wiegenkind von Säuen aufgefressen,
Den Koch verbrüht im selbstgekochten Essen;
Und zu des Gottes Opfern zählte ferner
Der von dem Karren überfahrne Kärrner,
Der unterm Rade sich am Boden wand.
Es zählten gleichfalls zu dem Heerverband
Des grimmen Mars auch noch die Bogenschnitzer,
Die Panzerschmiede, Schwert- und Degenspitzer.
Hoch über Allen thronte voller Prunk
Auf Thurmeszinnen die Eroberung;
Ein scharfes Schwert ob ihrem Haupte schwebte
Am dünnsten Faden, den die Spinne webte.
Geschildert war der Mord des Julius,
Des großen Nero, des Antonius.
– Obwohl zu dieser Zeit noch ungeboren,
War schon der Tod, zu dem sie auserkoren,
Auf Mars' Geheiß im Bilde dargestellt;
Wie aufgezeichnet auch am Himmelszelt
Bereits das Schicksal jedes Menschen steht,
Der einst zu Grund' durch Mord und Liebe geht. –
Genügend sei's ein Beispiel auszuwählen;
So viele gab's, ich konnte sie nicht zählen.
Vom wilden Mars sah man auf einem Wagen
Im Waffenschmuck das grimme Standbild ragen,
Und über seinem Haupte nahm man wahr
Zwei Sterngebilde, glänzend, hell und klar,
Rubeus und Puella – oft genannt
In alten Schriften. – Ihm zu Füßen stand
Ein rothgeäugter Wolf; in Stücke riß
Den Leichnam eines Menschen sein Gebiß.
In solcher Weise schmückten Meisterhände,
Dem Mars zu Ehren, seines Tempels Wände.
Laßt von der züchtigen Diana jetzt
Den Tempel mich betreten, um zuletzt
Die Bilder Euch beschreibend darzustellen,
In denen abgeschildert an den Wällen
Die Jagdlust war, sowie der Keuschheit Scham.
Hier sah Kallisto ich in ihrem Gram,
Und wie sodann in einer Bärin Leib
Dianas Zorn verwandelt dieses Weib,
Das jetzt als Leitstern hoch am Himmel strahlt.
Mehr sag' ich nicht; denn so war es gemalt.
– Ihr Sohn glänzt auch als Stern im Himmelsraum. –
Die Dane sah verwandelt ich zum Baum.
– Ich meine nicht die züchtige Diane,
Vielmehr des Peneus Tochter, Namens Dane. –
Zum Hirsche sah Aktäon ich gemacht,
Weil er des Leibes unverhüllte Pracht
Dianas sah, und welcher von den Bissen
Der eignen Hunde, unerkannt, zerrissen.
Und weiterhin ich noch im Bild erkannte,
Den wilden Eber jagend, Atalante,
Den Meleager und, wer sonst empfand
Qualvolle Leiden durch Dianas Hand.
Was es dort sonst noch gab an Wunderdingen
Will ich nicht weiter in Erinnrung bringen.
Auf einem Hirsch sah ich die Göttin schweben,
Von ihren Hunden ringsumher umgeben.
Zu ihren Füßen sich ein Mond befand,
Der wachsend zunahm und abnehmend schwand.
Ein grünliches Gewand den Leib umschloß,
Sie führte Bogen, Köcher und Geschoß;
Ihr keuscher Blick fiel nieder zur Region,
Wo aufgerichtet Plutos düstrer Thron;
Und vor ihr lag in Mutterweh'n ein Weib,
Das zur Lucina flehte, ihren Leib
Von seiner schweren Bürde zu befrein.
»O, hilf mir!« – schrie sie – »Du vermagst's allein!«
Treu wie das Leben dies der Künstler malte,
Der manchen Gulden für die Farben zahlte.
Die Schranken stehn. – Es ist der Bau vollendet,
Auf welchen Theseus so viel angewendet;
Und hocherfreut, sah er die Tempelhallen
Sowie den Schauplatz herrlich ausgefallen.
Doch nun verlass' ich Theseus eine Weile,
Daß zu Arcit und Palamon ich eile.
Sehr nah' gerückt war nunmehr schon die Zeit,
Zu der ein jeder – wie gesagt – zum Streit
Mit hundert Rittern wiederkehren sollte.
Und nach Athen – wie der Vertrag es wollte –
Ein jeder auch mit hundert Rittern kehrt,
Ganz regelrecht bewaffnet und bewehrt.
Es dachte Mancher sicherlich im Sinn,
Daß es wohl nie seit dieser Welt Beginn,
So weit von Gott das Land und Meer erschaffen,
Was Ritterthum betrifft und Glanz der Waffen,
Solch ausgesuchte Compagnie gegeben.
Denn jeder Ritter, dessen kühnes Streben
Dem Ruhme galt, verfolgte nur das Ziel,
Antheil zu nehmen an dem Waffenspiel,
Und glücklich pries sich jeder Kampfgefährte.
Wenn solch ein Anlaß morgen wiederkehrte,
Man fände, traun, noch manches Ritterherz
In England sicherlich, wie anderwärts,
Wohl kühn genug und par amour gewillt,
Wenn es den Kampf um eine Dame gilt,
Sich einzustellen. – Benedicite
Solch lust'ges Schauspiel ich gern selber säh'!
So war es auch mit Palamon bestellt,
Dem sich manch tapfrer Ritter zugesellt.
In einem Harnisch sah man diesen reiten,
Im Bruststück und im Waffenrock den zweiten;
Der hat sich in ein Panzerhemd gehüllt,
Der führt die Tartsche, der ein preußisch Schild;
Beinschienen hat sich jener angelegt,
Die Keule dieser, der die Streitaxt trägt,
Bewaffnet, wie es grade ihm beliebt
Und ich erzählt, da es nichts Neues giebt,
Was nicht bekannt im Alterthume schon.
Zuvörderst könnt Ihr neben Palamon
Lykurgus, Thraciens König, dort gewahren
Mit kühnem Antlitz, schwarz von Bart und Haaren.
Aus seinem großen, runden Augenpaar,
Das glühend gelb und roth von Farbe war,
Schien unter langbehaarten Augenbrauen
Gleich einem Greifen er hervorzuschauen.
Die Knochen hart, die Glieder reckenhaft,
Die Schultern breit, die Arme voller Kraft,
Stand er, wie es Gebrauch in seinem Land,
Auf einem goldnen Wagen, der bespannt
Am Zugseil mit vier weißen Stieren war.
Ein Bärenfell mit kohlenschwarzem Haar
Auf dem, wie Gold, Metallbeschlag erblitzte,
Den Harnisch statt des Wappenrockes schützte.
So glänzend schwarz, wie dunkle Rabenschwingen,
Tief in den Nacken ihm die Haare hingen.
Ein schwerer, goldner Kranz, in dem Rubinen
Und Diamanten funkelten und schienen,
War armesdick ihm um das Haupt gewunden,
Und eine Schaar von zwanzig weißen Hunden,
Bestimmt den Löwen und den Hirsch zu jagen,
Und groß wie Stiere, folgten seinem Wagen.
Maulkörbe, sowie Ringe für die Leite,
Verziert mit reinem Golde, trug die Meute.
Einhundert Ritter folgten als Begleiter,
Kühnherz'ge, starke wohlbewährte Streiter.
Und mit Arcit kam, wie Berichte künd'gen
Emetrius, der König von ganz Indien,
Stolz wie der Kriegsgott Mars auf braunem Roß,
Um welches sich ein Eisenpanzer schloß,
Von goldgeblümten Decken rings umgeben.
Den Wappenrock aus tharsischen Geweben
Umgab ein dicker, weißer Perlensaum,
Und golden war der Sattel und der Zaum.
Den Mantel, der von seinen Schultern wehte,
Rubinenglanz mit Feuer übersä'te.
Der gelben Haare krauser Lockenkranz
Erschimmerte wie goldner Sonnenglanz.
Rund war sein Lippenpaar, die Nase kühn,
Wie Goldcitronen seiner Augen Glüh'n,
Mit Purpur war sein Antlitz übergossen
Und leicht betupft mit braunen Sommersprossen.
An Alter fünfundzwanzig Jahre kaum,
Ersproßte mächtig schon des Bartes Flaum.
Dem wilden Löwen glich sein Blick an Grimme,
Und wie der Donner schallte seine Stimme.
Ein grüner Lorbeerkranz sein Haupt umwand,
Gefällig anzuschaun. Auf seiner Hand
Saß ein gezähmter, lilienweißer Aar,
Der seine Lust, sowie sein Liebling war.
Einhundert Ritter führt' er im Geleite,
Von Kopf zu Fuß geharnischt, und zum Streite
Versehn mit Wehr und Waffen jeder Art.
Im Kreise, den hier Rittersinn geschaart
Und Kampfeslust, fand man, fürwahr, nicht wen'ge,
Die Grafen waren, Fürsten oder Kön'ge;
Und um den Herrscher sah auf allen Seiten
Man zahme Leu'n und Leoparden schreiten.
Hin nach Athen lenkten in solcher Weise
Die edlen Herren sämmtlich ihre Reise
Und langten früh an einem Sonntag an.
Als sie der edle Herzog Theseus dann
Empfangen und zur Stadt hineingeführt
Und nach dem Range Jeden einquartirt,
Gab er sich alle Mühe, um durch Feste
Zu ehren und erheitern seine Gäste.
Und keines Mannes Witz – was auch sein Stand –
Daran – so denk' ich – zu verbessern fand.
Von Minnesängern, Pagen, Edelknaben,
Den Allen zugetheilten Ehrengaben,
Mit welcher Pracht man Theseus' Palast schmückte,
Wen erst', wen letzt' der Ehrensitz beglückte,
Wer von den Damen dort am besten tanzte,
Wer im Gesang und Spiele die gewandt'ste,
Wer am beredt'sten in der Liebessprache,
Wie groß der Schwarm der Falken unterm Dache,
Wie zahlreich auf der Flur die Schaar der Hunde,
Davon geb' ich Euch weiter keine Kunde;
Am besten bleib' ich bei dem Sachverlauf.
Jetzt kommt der Punkt! Wenn's euch gefällt, paßt auf!
Sonntags zur Nacht, eh' noch der neue Tag
Hereingebrochen, weckte Lerchenschlag
Den Palamon; denn, ob zwei Stunden lang
Die Nacht noch währte, schon die Lerche sang.
Und Palamon stand auf, mit heil'gen Sinnen
Und frischem Muth, die Wallfahrt zu beginnen,
Daß er die segenspendende Cythere
– Die würd'ge Venus mein' ich – fromm verehre,
Und lenkte zu der Göttin heil'ger Stunde
Den Schritt zum Tempel in der Schranken Runde.
Dort niederknie'nd in Demuth zum Gebete,
Er wunden Herzens mit den Worten flehte:
»Der Schönen Schönste, Venus, hör' mich an!
Du Tochter Jovis, Gattin des Vulkan,
Cythärons Lilie, Du, die liebentbrannt
Einst Deine Huld Adonis zugewandt,
Erbarme Dich auch meiner bittern Schmerzen,
Und nimm mein demuthsvolles Fleh'n zu Herzen!
Ach! keine Sprache find' ich, auszumalen
Den Umfang und die Hölle meiner Qualen!
Mein armes Hirn kann nicht in Worte kleiden
Des Herzens Harm, der Seele stummes Leiden.
Erbarmen, hohe Frau! denn unverborgen
Ist Dir mein Denken, mein geheimstes Sorgen.
Betrachte dies, und mildere mein Leid!
Und ich verspreche, mich zu jeder Zeit
Als Dein getreuer Diener zu bewähren
Und ew'gen Krieg der Keuschheit zu erklären.
Das ist mein heil'ger Schwur. Nun helfe mir!
Ich fordre Waffenhülfe nicht von Dir,
Nicht eitlem Ruhm gilt meines Herzens Sorgen,
Nicht um den Sieg fleh' ich im Kampf für morgen,
Um Schutz, um Glück nicht in des Streites Hitze;
Nein, daß Emilia völlig ich besitze,
Um ihrem Dienst mich bis zum Tod zu weihn,
Ersinne Wege, dieses zu verleihn!
Ich sorge nicht, mir gilt es einerlei,
Ob ich der Sieger, der Besiegte sei,
Wenn ich ans Herz nur die Geliebte drücke.
Denn lenkt auch Mars im Kampfe die Geschicke,
Kannst Du mir doch, da Deine Macht so groß
Im Himmel ist, verleihn der Liebe Loos.
Wo ich auch geh' und stehe, immerdar
Will ich in Deinem Tempel am Altar
Die Flammen schüren und Dir Opfer weihn.
Doch soll dem also, theure Frau, nicht sein,
So laß Arcit mir morgen mit dem Speere
Das Herz durchstechen! Diese Gunst gewähre!
Dann mag sie – mir kann's gleich sein – durch mein Sterben
Arcit gewinnen und zum Weib erwerben.
Doch immerhin bleibt mein Gebet zu Dir:
Du Segensreiche, gieb die Theure mir!«
Nachdem des Palamon Gebet zu Ende,
Vollzog er demuthsvoll die Opferspende.
Doch nicht erzählen kann ich Euch vom ganzen
Ceremoniel und allen Observanzen.
Zuletzt bewegte sich der Venus Bild,
Ein Zeichen gebend; und ihm war enthüllt,
Daß seine Bitte von ihr angenommen.
War auch das Zeichen zögernd nur gekommen,
Daß sie sein Fleh'n erhört, war ihm bewußt,
Drum ging er heim mit froh bewegter Brust.
Als drei Planetenstunden dann entflohn,
Seitdem zur Venus wallte Palamon,
Erhob die Sonne sich. Bei ihrem Schein
Erhob sich auch Emilia, um zum Schrein
Dianas sich zu wenden, in Begleitung
Der Mägde, die, was nur zur Vorbereitung
Des Gottesdiensts gehörte, mit sich brachten,
Wie Feuer, Weihrauch und wie Opfertrachten.
Und Hörner, nach Gebrauch gefüllt mit Meth.
Vergessen war kein einziges Geräth.
Im reichbehangnen Tempelhaus begann
Sie muthbeseelt die Räucherung sodann,
Und wusch im Quell des Brunnens ihre Glieder.
Doch, wie sie's that, bericht' ich hier nicht wieder;
Ganz allgemein nur kann ich es berühren,
So reizend wäre, Alles anzuführen.
– Dem Reinen, freilich, bleibt ja alles rein;
Doch hört ein Mann nie auf ein Mann zu sein. –
Des wohlgekämmten Haares reicher Glanz
Von ihrem Haupte wallte, das ein Kranz
Von immergrünem Eichenlaub umwand.
Zwei Feuer häufend für den Altarbrand,
Schritt sie ans Werk, wie uns Bericht gegeben
In alten Büchern Statius von Theben.
Und zur Diana sprach sie dann verschämt,
Das Feuer schürend, was Ihr jetzt vernehmt:
»O, keusche Göttin in dem grünen Hain!
Erd', Meer und Himmel sieht das Auge Dein,
Beherrscherin von Plutos düstrem Land,
Der Mädchen Göttin, die mein Herz erkannt
Und all sein Wünschen schon seit langen Jahren,
Nicht Deiner Rache Zorn laß mich erfahren,
Wie schmerzensvoll Aktäon ihn erfuhr!
Du keusche Göttin, all mein Sehnen nur
War, wie Du weist, daß ich stets Jungfrau bliebe,
Verschont von jeder Ehe, jeder Liebe;
Da ich als Mädchen und als Jägerin
Von Deinem Kreise die Gefährtin bin.
Der Wald, die Jagd ist einzig mein Begehren,
Nicht Weib zu sein und Kinder zu gebären,
Nicht einem Mann Genossenschaft zu halten!
Du, die mir beistehn kann in drei Gestalten,
Sei auch zur Hülfe gnädig mir gewillt.
Erhöre Du mein Flehen, denn es gilt
Sowohl für Palamon, der mich verehrt,
Als für Arcit, der gleiche Liebe schwört;
Gieb Beiden Frieden, Beiden Eintracht sende,
Und von mir ab der Beiden Herzen wende,
Daß ihre Qual und heiße Liebesbrunst
Erlöschen möge, oder ihre Gunst
Und ihr Verlangen sie auf Andre lenken.
Doch willst Gehör Du meinem Fleh'n nicht schenken,
Soll unabänderlich mein Schicksal sein,
Vermählt zu werden einem von den Zwei'n,
So gieb mir den, der mich am meisten liebt!
Sieh, reine, keusche Göttin, wie betrübt
Auf meine Wangen bittre Zähren fallen!
Jungfräuliche Regentin von uns Allen,
Mein Mädchenthum erhalte! dann ergeben
Bleib' Deinem Dienst ich für mein ganzes Leben!«
Auf dem Altar das Doppelfeuer brannte,
Als ihr Gebet Emilia aufwärts sandte.
Doch seltsam war, was plötzlich sie erblickte.
Das eine von den Feuern rasch erstickte,
Doch gleich darauf von Neuem roth und hell
Flammt's wieder auf, indem das andre, schnell
Erlöschend, starb mit wundersamem Zischen,
Wie ein Stück Holz, geschnitten aus zu frischen
Und grünen Aesten, solches oftmals thut;
Und aus den Enden quoll statt Wasser Blut.
Emilia sah's, und so entsetzt war sie,
Daß sie vor Schrecken, wie im Wahnsinn, schrie.
Sie wußte nicht, was die Erscheinung meinte,
Es war aus Furcht allein, daß sie so weinte
Und jammernd schrie, wie nie ein Ohr vernahm.
Und währenddem Diana selber kam,
Als Jägerin, den Bogen in den Händen,
Und sprach: »O, Tochter, laß Dein Trauern enden!
Mit ew'gen Worten steht längst aufgeschrieben
Der hohen Götter Rathschluß, die belieben,
Dich einem von den Beiden zu vermählen,
Die sich in Leid und Sorgen um Dich quälen.
Doch wem? ist mir verboten, mitzutheilen.
Nun, lebe wohl! Nicht länger darf ich weilen;
Wie auf dem Altar loderten die Feuer,
So werden sich vom Liebesabenteuer
Dir die Geschicke dermaleinst entwirren!«
Die Göttin sprach's, und unter hellem Klirren
Der Pfeile, die sie in dem Köcher trug,
Ging und entschwand sie. – Doch, erstaunt genug,
Verblieb Emilia, welche klagend sprach:
»Was hat dies Alles zu bedeuten? Ach!
Ich hatte Deinem Schutze mich vertraut,
Auf Deine Güte, Göttin, fest gebaut!«
Dann brach sie gradeswegs zur Heimkehr auf.
Mehr sag' ich nicht – doch so war der Verlauf.
Zur Stunde, die zunächst dem Mars geweiht,
Stand auch Arcit im Tempel schon bereit,
Dem grimmen Gott sein Opfer darzubringen,
Wie heidnische Gebräuche dies bedingen.
Mit andachtsvollem, frommem Herzen flehte
Er zu dem Mars in folgendem Gebete:
»O, starker Gott, den Thraciens kaltes Reich
Als Herrscher fürchtet und verehrt zugleich,
Der Du in jeder Gegend, jedem Land
Der Waffen Zügel hältst in Deiner Hand,
Der Du nach Willkür austheilst Gunst und Glück,
Lenk' auf mein Opfer gnädig Deinen Blick,
Wenn Du vermeinst, daß mir trotz meiner Jugend
Zu Deinem Dienst die Kraft nicht fehlt und Tugend!
Willst Du mich rechnen zu der Deinen Zahl,
So bitt' ich Dich, erbarm' Dich meiner Qual
Bei jenen Schmerzen, jenem Gluthverlangen,
Bei den Begierden, die Dein Herz durchdrangen,
Als Du den frischen, weißen Leib genossen
Der schönen, jungen Venus, die umschlossen
Dein Arm in glühender Umfangung hielt!
– Wenn Dir auch einmal übel mitgespielt,
Als Dich die Schlinge des Vulkans umwand,
Und er – o weh! – Dich bei der Gattin fand.–
Gedenke drum, da Du im eignen Herzen
Die Qual gefühlt, mitleidig meiner Schmerzen!
Jung bin ich, unerfahren, wie Du weißt.
Von allen Erdenwesen wohl zumeist
Hab' ich der Liebe Kränkungen erduldet;
Und ihr, die alle meine Qual verschuldet,
Gilt es dasselbe, ob ich untergehe,
Ob oben schwimme; und wenn ich bestehe
Im Kampfe nicht, ist meine Hoffnung hin!
Ich weiß, wie ohne jede Kraft ich bin,
Stehst Du mir morgen gnädig nicht zur Seite.
Sei darum Helfer mir, o Herr, im Streite!
Bei Deiner Liebe, die Dein Herz gefühlt,
Bei meiner Liebe, die mein Herz durchwühlt,
Bitt' ich, mir Sieg im Kampfe zu verleihn;
Mein sei die Arbeit und der Ruhm sei Dein!
Von allen Göttertempeln hier auf Erden
Soll höchst verehrt von mir der Deine werden,
Dich zu erfreuen, will ich Alles thun!
In Deinem Tempel soll mein Banner ruhn
Und alle Waffen meiner Kampfgenossen.
Ich will, bis daß mein Lebenslauf geschlossen,
Ein ew'ges Altarfeuer Dir errichten,
Und mich dabei durch einen Schwur verpflichten,
Des Hauptes langes Haar und meinen Bart
Dir hinzugeben, ob bislang bewahrt
Vor Messer und vor Scheere sie geblieben.
Ich will Dich stets als treuer Diener lieben!
Nun, Herr, erbarm' Dich meiner Sorgen Schwere,
Gieb mir den Sieg! Nichts andres ich begehre!«
So endend hatte sein Gebet gesprochen
Der männliche Arcit, als lautes Pochen
Am Thor ihn schreckte, sowie helles Klingen
Und mächt'ges Klirr'n von seinen Eisenringen;
Und hell beleuchteten die Flammenbrände
Auf dem Altare rings die Tempelwände,
Und Wohlgeruch dem Boden sich entwand.
Als frischen Weihrauch dann mit voller Hand
Arcit dem Altarfeuer zugesetzt
Und jeden Brauch vollführt, vernahm entsetzt
Er laut am Bild des Mars den Panzer klirren,
Und, wie ein dumpfes Murmeln, leises Schwirren,
Drang in sein Ohr das Wort: »Victoria!«
Wohl sang dem Mars nun Ehr' und Gloria
Arcit, der freudevoll und herzensfroh
Nach Hause kehrte, hoffnungsreich und so
Vergnügt, wie Vögel in dem Sonnenschein.
Doch um die Gunst, die jedem von den Zwei'n
Verheißen war, im Himmel sich entzweite
Die Venus mit dem Mars, und in dem Streite
Der Liebesgöttin und des Gott's der Waffen
Versuchte Frieden Jupiter zu schaffen.
Jedoch nur dem Saturn, dem kalten, bleichen,
Geschichtenkund'gen und erfahrungsreichen,
Und schlau gewandten fiel das Mittel ein,
Den Streit zu schlichten zwischen den Partei'n.
– An Weisheit, wie an Rath steht oben an
Das Alter, und der Spruch hat Recht: man kann
Es überthaten, doch nicht überrathen. –
Und um den Zank und Streit, in den gerathen
Die eignen Kinder, wieder beizulegen,
War auch Saturn nicht um den Weg verlegen.
»Venus, mein Kind!« – so sprach Saturn zu ihr –
»Mein langer, weiter Weltenlauf giebt mir
Weit größre Macht, als viele Menschen denken.
Mir steht es zu, im Meer sie zu ertränken,
Mir steht es zu, in Kerker sie zu zwängen,
Sie zu erdrosseln und sie aufzuhängen.
Mein ist des Pöbels Murren, die Verschwörung,
Geheimes Gift und offne Volksempörung;
Und strafende Vergeltung ich ertheile,
Wenn in des Löwen Zeichen ich verweile.
Auf meinen Wink geschieht's, daß stolze Hallen
Und Thürme stürzen, Mauern niederfallen,
Des Zimmermanns und Gräbers Tod vermittelnd.
Ich schlug den Simson, an dem Pfeiler rüttelnd.
Als Frucht der Kälte ist die Krankheit mein.
Mein sind Complotte, mein Verrätherei'n!
Der Pestilenz Erzeuger ist mein Blick!
Doch weine nicht! Es fällt durch mein Geschick,
Wie Du versprochen, sicherlich zum Lohn
Der Dame Liebe Deinem Palamon,
Und seinem Ritter stehe Mars zur Seite!
Nun macht für jetzt ein Ende mit dem Streite,
Ihr, die an Wesen und Natur verschieden,
Fast jeden Tag im Himmel stört den Frieden.
Ich bin Dein Ahn, und Dir zu helfen willig;
Drum laß das Weinen; Deinen Wunsch erfüll' ich!«
Und hiermit schließ' ich jetzt den Götterstreit
Durch den sich Venus mit dem Mars entzweit,
Und melde nun, so einfach wie ich kann,
Den Haupteffect; denn darauf kommt es an.
Ein großes Fest gab in Athen es heute;
Und auch die lust'ge Maienzeit erfreute
Die Herzen Aller so, daß sie den ganzen
Montag verbrachten unter Spiel und Tanzen,
Und sich dem Dienst der holden Venus weihten.
Doch, da es galt, sich morgen schon bei Zeiten
Vom Lager zu erheben für die Schlacht,
Ging früh zur Ruhe Jeder in der Nacht.
Am andern Tag, als kaum der Morgen graute,
Erscholl aus den Quartieren schon das laute
Geklirr der Panzer und Gestampf der Rosse.
Auf Hengsten und auf Zeltern zog zum Schlosse
Die edle Ritterschaft in großer Zahl.
Da könnt ihr sehen, wie von Gold und Stahl
Die Rüstungen erglänzen, wie geschickt
Sie Kunst geformt, verziert hat und bestickt!
Den Schimmer seht von Schilden, Satteln, Decken,
Von goldnen Helmen, Panzern, Wappenröcken,
Die Kleiderpracht der Fürsten auf den Rossen,
Die Junker und die Ritterschaftsgenossen,
Die ihre Helme schnallen, Gurte schnüren,
Die Speere nageln und das Schild poliren,
Und emsig sich mit ihrem Werk beeilen!
Seht, Waffenschmiede bohren, hämmern, feilen,
Seht, wie die Hengste unter goldnen Zäumen
Vor Ungeduld in die Gebisse schäumen!
Bürger und Bauern, seht, in hellen Haufen
Mit ihren Stöcken durcheinander laufen.
Seht, Pauken, Trommeln, Bügelhörner, Flöten,
Der grausen Schlachten Blutsignaltrompeten!
Das Volksgedränge, den Palast umschwellend,
– Hier drei – dort zehn – begierig Fragen stellend:
Wie wohl der Ausgang zwischen jenen Zwei'n?
Ob dies, ob das, ob jenes würde sein?
Hier soll der Schwarzbart sich den Sieg erkaufen,
Dort Ohnebart, und dort der größte Haufen,
Dann wieder der mit grimmigem Gesicht;
Sein Speer – sagt man – hat zwanzig Pfund Gewicht. –
So in der Halle wurde Rath gepflogen,
Bis hoch die Sonne stand am Himmelsbogen,
Und dieser Lärm nebst seinem Sängerchor
Rief Herzog Theseus aus dem Schlaf empor;
Und im Palaste blieb er dann so lange,
Bis daß man ihm zu ehrendem Empfange
Die beiden Ritter vorgeführt aus Theben;
Und, wie ein Gott, von Glanz und Pracht umgeben,
Bestieg den Thron am Fenster er sodann.
Nun drängte sich das Volk an ihn heran,
Um ihn zu sehen und ihn zu verehren
Und seinen Willen und Befehl zu hören.
Ein Herold die Tribüne dann bestieg
Und rief sein »Ho!«, bis daß die Menge schwieg,
Und gab, als ringsum Alles ruhig war,
Des Herzogs Botschaft kund und offenbar:
»Des Herren hoher Wille wie Entschließung,
– In Anbetracht, daß nutzlose Vergießung
Von edlem Blut es wäre, wenn zur Schlacht
Auf Leib und Leben dies Turnier gemacht –
Bestimmt, Gefahr des Todes abzulenken,
Was einst beschlossen, derart zu beschränken:
Bei Todesstrafe bleiben ausgeschlossen
Vom Kampfplatz alle Arten von Geschossen;
Verboten ist, Streitäxte, Dolche, Klingen,
Die nur zum Stechen dienen, mitzubringen,
Bei sich zu führen und damit zu streiten.
Erlaubt ist, auf den Gegner einzureiten,
Wie auch im Fußkampf sich damit zu wehren,
– Versteht sich – der Gebrauch von scharfen Speeren.
Dem, der zuwider handelt dem Gebot,
Zwar nicht der Tod, jedoch der Pranger droht,
Und mit Gewalt wird daran ausgestellt,
Wer diesen Pact von den Partei'n nicht hält.
Geschieht es, daß der Führer einer Seite
Gefangen wird, ober besiegt im Streite,
Geht auf der Stelle das Turnier zu Ende!
Nun helf euch Gott! und frisch ans Werk die Hände!
Langschwert und Keule braucht nach Herzensfülle!
Und nun zieht ab! Dies ist des Herren Wille!«
Des Volkes Beifall bis zum Himmel scholl,
Mit lauter Stimme rief es freudevoll:
»Heil unserm Herrscher, der so mild und gut
Verboten hat Gemetzel bis aufs Blut!«
Als bei den Schmetterklängen der Fanfaren
In wohlgereihtem Festzug dann die Schaaren
Den Schranken zu durch alle Straßen rückten,
Die – Sarsche nicht, nein – Goldgewebe schmückten,
Sah man voran den edlen Herzog reiten,
Den die Thebaner rechts und links begleiten,
Die Königin kam mit Emilia dann,
Und ihnen schlossen in dem Zug sich an
Die Uebrigen, gereiht nach Stand und Rang.
So zogen sie die ganze Stadt entlang
Und kamen, als des Tages Prime kaum
Begonnen hatte, zu der Schranken Raum.
Und als man Theseus auf dem Throne sah
Mit seiner Königin Hippolyta
Und mit Emilia nebst den Ehrendamen,
Auch ihre Plätze rasch die Andern nahmen.
Von Westen sprengte durch des Ares Thor
Mit rothem Banner jetzt Arcit hervor
Und führte seine Hunderte zum Streite.
Durchs Thor der Venus auf der Morgenseite
Sah Palamon zu gleicher Zeit man kühn
Mit weißem Banner in die Schranken ziehn.
– Wenn man die Welt von Anfang bis zu Ende
Rastlos durchstreifen wollte, schwerlich fände
Man solche Schaar zum zweitenmal gesellt.
Es könnte selbst der klügste Mann der Welt
Nicht sagen, wer die Ueberlegenheit
Besaß an Alter, Stand und Würdigkeit!
So ebenbürtig konnten Alle gelten. –
Dann in zwei Gliedern zum Appelle stellten
Die Schaaren sich. Man rief die Kampfgenossen
Bei Namen auf, und von den Thoren schlossen
Sich unter lautem Zuruf dann die Gitter:
»Thut Eure Pflicht, Ihr jungen, stolzen Ritter!«
Nun sah die Herolde man seitwärts treten,
Es klangen Hörner, schmetterten Trompeten;
Was sag' ich mehr? Im Osten wie im West
Legt schon den Speer zum Anlauf Jeder fest
Und drückt dem Hengst die Sporen in die Seiten.
Da sieht man, wer turnieren kann und reiten!
Hier an den Schilden Speere splitternd brechen,
Dort einer Rüstung Bruststück sie durchstechen,
Der Speere Trümmer zwanzig Fuß hoch springen,
Man zieht die Schwerter, deren Silberklingen
Zermalmend auf die Helme niederblitzen,
Das Blut beginnt zu strömen und zu spritzen,
Und unter Keulenschlägen splittern Knochen.
Hier hat die Reihen einer schon durchbrochen,
Dort stürzen starke Pferde, und im Fall
Rollt sich im Staub der Reiter wie ein Ball.
Ein Andrer will im Kampf das Messer ziehn,
Doch aus dem Sattel hebt der Gegner ihn,
Am Pranger büßt verletzt er und gefangen,
Was dem Gebot zuwider er begangen.
Auch einer von der andern Seite duldet
Das gleiche Loos, weil Gleiches er verschuldet.
Und Theseus hieß im Kampfgewühl inzwischen
Bald diesen ruhn, bald jenen sich erfrischen.
Auch die Thebaner fochten oft und lang
Und hatten schon im blut'gen Waffengang
Vom Sattel gegenseitig sich gestreift.
Kein Tiger, der Galaphas Thal durchstreift,
So wüthend das geraubte Junge sucht,
Als wie Arcit in seiner Eifersucht
Nach Palamon. – Es war in Belmarie
So grimmig ein gehetzter Löwe nie,
Noch sprang mit hungertollerer Begier
Er jemals nach der Beute, als wie hier
Jetzt Palamon auf den Arcit eindrang.
Die Helme dröhnen bei der Streiche Klang,
Und Ströme Bluts aus ihren Schläfen dringen.
Doch da's ein Ende giebt bei allen Dingen,
Geschah es, daß im Kampfe mit Arcit
Dem Palamon, bevor die Sonne schied,
König Emetrius mit mächt'gem Hieb
Tief in das Fleisch des Schwertes Schneide trieb.
Umringt von zwanzigfacher Ueberzahl,
Ward er gefangen hingeschleppt zum Pfahl.
Lykurg, der Köng, der ihm helfen wollte,
Trotz seiner Stärke sich am Boden rollte.
War aus dem Sattel auch der starke Held
Emetrius von Palamon geschnellt,
Auf Schwertes Länge mit gewalt'gem Stoß,
Was half es ihm? Entschieden war sein Loos!
Gefangen schleifte man zum Pfahl ihn hin,
Und, überwunden, muß sein stolzer Sinn,
Was verbedungen, mit Geduld ertragen.
Wohl mochte Palamon nun jammernd klagen,
Er darf zurück ins Kampfgewühl nicht gehn!
Doch Theseus, der den Ausgang angesehn
Von dem Turniere, rief den Kämpfern zu:
»Ho! Ho! nicht mehr! Jetzt haltet Waffenruh'!
Den Schiedsspruch kann ich unparteiisch geben:
Emilia gehört Arcit von Theben,
Der durch sein Glück der Schönheit Preis gewann!«
Nun hob im Volk ein buntes Lärmen an.
Man hörte laute Jubelrufe schallen,
Als ob die Schranken sollten niederfallen.
Doch, was soll jetzt die holde Venus thun,
Der Liebe Königin, was sagt sie nun?
Sie weint, daß Alles ihrem Wunsch entgegen
Und näßt die Schranken mit der Thränen Regen.
»Ach! welche Schmach« – sprach sie – »ist mir beschieden?«
Saturnus sagte: »Tochter, halte Frieden!
Was Mars gewollt, fiel seinem Ritter zu;
Doch schwör' ich Dir, befriedigt wirst auch Du!«
Trompeten blasen, Minnesänger singen,
Von Herolden die lauten Stimmen klingen,
Um ihren Beifall dem Arcit zu spenden.
Doch hört auf mich, und laßt das Lärmen enden,
Und horcht und lauscht, welch Wunder jetzt geschieht!
Von seinem Haupte nahm den Helm Arcit,
Schwang sich mit offnem Antlitz auf sein Roß,
Auf dem er eilends durch die Schranken schoß
Zum Platze, wo Emilia er erblickte,
Die freundlich grüßend ihm entgegen nickte.
– So geht es mit den Weibern allerwärts,
Wo der Erfolg ist, da ist auch ihr Herz. –
Und als er freudestrahlend vor ihr stand,
Zerbarst die Erde, und empor sich wand,
Von Pluto auf Geheiß Saturns geschickt,
Ein höllisch Ungeheuer. – Es erschrickt
Das Pferd, springt plötzlich seitwärts, strauchelt, fällt,
Und aus dem Sattel wird Arcit geschnellt
Und stürzt vom Pferde nieder auf den Kopf.
Die Brust zerbrochen durch den Sattelknopf,
Streckt er wie todt am Boden seine Glieder.
Schwarz wie die Kohle, wie der Kräh'n Gefieder
Das dunkle Blut sein Antlitz überfloß.
Betrübt trug man vom Platz ihn in das Schloß
Des Theseus hin, und dort ward er in Hast
Befreit von seiner Rüstung schwerer Last
Und auf ein weiches Ruhebett gelegt.
Noch bei Verstand, von Leben noch bewegt,
Rief unaufhörlich er Emiliens Namen.
Und nach Athen zurückgeritten kamen
Der Herzog Theseus und der Ritter Menge
In großem Pomp und reichen Festgepränge.
Obschon dies Abenteuer vorgefallen,
Gewährte Trost er und Zerstreuung Allen.
Nicht sei Arcit – so sprach man – in Gefahr,
Noch böte Hoffnung sich auf Rettung dar;
Und freudig ward die Nachricht aufgenommen,
Daß sonst im Kampfe Niemand umgekommen.
Denn schwer verletzt war einer nur, nicht mehr,
Dem seine Brust durchbrochen war vom Speer.
Für andre Wunden, Arm- und Knochenbrüche,
Dem Salben dienten, jenem Zaubersprüche
Und diesem Kräutertränke, dem Salbei,
Damit erhalten Leib und Leben sei.
Der edle Herzog sucht, soviel er kann,
Zu trösten und erheitern Jedermann,
Und nach Gebühr die edlen Herr'n zu ehren
Mit Gasterei'n, die bis zum Morgen währen.
Kein Uebelwollen ihr Vergnügen störte,
Allein vom Kampf und vom Turniere hörte
Man reden, und der Meinung Aller nach
War es ein Zufall, aber keine Schmach,
Daß er von zwanzigfacher Ueberzahl
Gefangen ward und fortgeschleppt zum Pfahl.
– Stand er allein und ohne Hülfe dort,
Und zerrten ihn an Arm und Füßen fort,
Und prügelten mit Stöcken seinen Rappen
Die Reisigen, die Knechte sammt den Knappen,
So konnte keine Schande dieses sein,
Man durfte nimmer ihn der Feigheit zeihn. –
Jedoch, um zu vermeiden Streit und Zank,
Ließ Herzog Theseus seinen Preis und Dank
Der einen wie der andern Seite sagen,
Die sich gleich brav, gleich brüderlich betragen,
Und theilte reiche Ehrengaben aus.
Drei Tage schwanden unter Fest und Schmaus,
Dann gab zur Stadt hinaus auf Tagesweite
Er allen edlen Fürsten das Geleite.
»Leb' wohl« und »Guten Tag« hieß es sodann
Und graden Wegs zog heimwärts Jedermann.
Doch von dem Kampfe wendet sich mein Lied
Zu Palamon zurück und zu Arcit.
Es schwoll die Brust, und weiter stets und weiter
Umfraß das Herz Arcits der Wunde Eiter.
Das Blut gerann.
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