Doch Güte nicht, noch Schrecken
Bewog sie, ihre Herkunft zu entdecken.
Sie sprach: ihr Sinn sei so verwirrt im Meer,
Und dunkel sei ihr Alles, was verflossen.
Der Commandant war so gerührt, daß er,
Sowie sein Weib, in Thränen sich ergossen.
Stets fleißig, suchte sie, ganz unverdrossen,
Jedem zu dienen, Jedem zu gefallen,
Und, kaum gesehn, war sie beliebt bei Allen.
Der Mann, sein Weib Hermgilde, wie das ganze
Gebiet lag noch in Heidenthum und Nacht.
Doch zärtlich liebte Hermegild' Constanze,
Die in Gebeten ihre Zeit verbracht,
Und unter bittren Thränen oft gewacht,
Bis Jesus Christ in Gnaden ihr gewährte,
Daß sich die Dame Hermegild' bekehrte.
Doch Christen wurden nicht im Land gelitten.
Längst trieben sie aus dieser Gegend fort
Die Heiden, als die Herrschaft sie erstritten
Zu Land und Meer vom ganzen flachen Nord.
Und Wallis wählte sich zum Zufluchtsort,
Um mittlerweile dort im Land zu wohnen,
Das Volk der alten, christlichen Bretonen.
Doch waren sie nicht Mann für Mann vertrieben.
Es gab noch einige, die Gott dem Herrn
Im Heidenlande heimlich treu geblieben,
Und dreie wohnten von dem Schloß nicht fern.
Blind war der eine. Doch der Augenstern,
Der in der Blindheit Nacht noch leuchtend funkelt,
Das Licht der Seele war ihm nicht verdunkelt.
An einem Sommertag, als hell im Glanze
Die Sonne schien, ergingen sich am Meer
Der Commandant, sein Weib, sowie Constanze;
Und es begab sich, als sie froh umher
Dort wanderten, daß sie von ungefähr
Den armen und vor Alter tief gebückten,
Stockblinden Mann auf ihrem Weg erblickten.
»Gieb, Hermegilde!« – sprach der blinde Britte –
»In Christi Namen, meinen Augen Licht!«
Die Dame fuhr zusammen bei der Bitte;
Ihr Gatte wußte, daß sie Christin, nicht;
Und sie zu tödten, war vielleicht ihm Pflicht.
Doch kühn hieß sie Constanze, Christi Willen
Als Tochter seiner Kirche zu erfüllen.
Erschrocken sah ihr Werk der Commandant
Und frug: »Was hat dies Alles zu bedeuten?«
Constanze sprach: »Herr! das ist Christi Hand!
Er kommt als Retter zu Euch Heidenleuten!«
Und sie begann, den Glauben ihm zu deuten,
Und, eh' die Sonne niedersank, bekehrte
Sie diesen Mann, daß Christus er verehrte.
Der Commandant, zwar Herr nicht und Gebieter
Von jenem Platz, wo er Constantia fand,
War lange Winter schon der Veste Hüter
Für König Alla von Northumberland,
Den klugen Herrscher, dessen mächt'ge Hand
Schottland bezwang, wie Mancher wohl vernommen;
Doch auf die Sache laßt zurück mich kommen.
Satan, stets auf der Lauer zu betrügen,
Sah von Constantia die Vortrefflichkeit,
Und hatte, um ihr Unheil zuzufügen,
In jener Stadt die Saat der Lüsternheit
In eines jungen Ritters Herz gestreut,
So daß es ihm unmöglich schien, er lebe,
Wenn sie ihm nicht zu Willen sich ergäbe.
Er warb um sie; doch da er nichts gewann,
Und sie zu keiner Sünde zu verleiten,
Beschloß er sich zu rächen und ersann
Den Plan, ihr Tod und Schande zu bereiten.
Heimlich bei Nacht wußt' er ins Haus zu gleiten
– Der Commandant war fort, erfuhr er sicher –
Und in die Kammer Hermegildens schlich er.
Ermüdet von Gebeten, schlief indessen
Constantia; auch Hermegilde schlief.
Der Ritter, der vom Satanas besessen,
Schlich an ihr Bett, und dann durchschnitt er tief
Die Gurgel Hermegildens, und entlief,
Das Messer lassend an Constantias Seite,
– Ihn möge Gott verdammen! – in das Weite.
Es kam, als sich dies eben zugetragen,
Mit König Alla heim der Commandant,
Und sah sein Weib erbarmungslos erschlagen;
Und weinend und die Hände ringend stand
Er vor dem Bett, als er das Messer fand,
Mit Blut besudelt, in Constantias Nähe,
Die sprachlos lag und sinnverwirrt vor Wehe.
Dem König Alla ward darauf der ganze
Umstand erzählt, nebst wo und wie und wann
Im Schiff er aufgefunden einst Constanze,
Wie ich dies alles Euch schon kund gethan.
Der König hörte mitleidsvoll es an,
Und war betrübt, daß dieses holde Wesen,
Zu solchem herben Mißgeschick erlesen.
So wie ein Lamm zur Schlachtbank trat geduldig
Die Unschuldsvolle vor den König hin.
Der falsche Ritter, selbst der Mordthat schuldig,
Verklagte sie als Missethäterin.
Die Leute murrten; denn nach ihrem Sinn
War es unmöglich, daß die Allbeliebte
– So sprachen sie – solch schnöde That verübte.
Man wußte, sie war immer tugendhaft,
Und Niemand liebte Hermegilde besser.
Das ganze Haus trug davon Zeugenschaft,
Nur der nicht, dessen Hand geführt das Messer.
Verdächtig schien dem König dies. Indeß er
Beschloß, der Sache auf den Grund zu dringen
Und so die Wahrheit an das Licht zu bringen.
Nicht kämpfen kannst Du, und, o weh', kein Ritter,
Arme Constantia, sich für Dich erbot!
Nur einer bleibt Dir. – Für die Menschheit litt er,
Satanas bindend, den Erlösungstod.
Er sei Dein starker Ritter in der Noth!
Denn, Unschuldsvolle, hilft Dir Christ nicht heute
Mit Wunderhand, bist Du des Todes Beute!
Und betend, kniet zu Boden sie und klagt:
»O, ew'ger Gott! Erretter der Susanna
Vor falschem Leumund! Gnadenreiche Magd!
– Maria, mein' ich, – Tochter von St. Anna,
Vor deren Kind die Engel ihr Hosiannah
Gesungen, lasse schuldlos mich nicht sterben!
Sei Du mein Schutz; denn sonst muß ich verderben!«
Sah't Ihr bisweilen nicht im Volksgewühl
Ein Angesicht, erblaßt und fahl und bange?
Der muß es sein! – Für Jedermanns Gefühl
Verkündet es die Farbe seiner Wange –
Der Hoffnungslose auf dem letzten Gange!
Und unter den Gesichtern rings im Kreise
Blickte Constantia in derselben Weise.
O, Königinnen, die Ihr lebt im Glücke,
O, Fürstinnen und Damen insgemein,
Zeigt etwas Mitleid ihrem Mißgeschicke!
Seht! eines Kaisers Tochter steht allein,
Und Niemand mag ihr Rath und Hülfe leihn!
Ein Königsblut, von Land und Freund geschieden,
Bleibt in der Noth verlassen und gemieden!
Der König Alla, edel stets und bieder,
Das tiefste Mitleid in dem Herzen trug;
Das Wasser rann ihm aus den Augen nieder.
Rasch brachte man auf sein Geheiß ein Buch.
»Beschwört der Ritter,« – sprach er – »daß erschlug
Constantia dieses arme Weib, so will ich
Mein Urtheil fällen, wie es recht und billig!«
Und auf das Buch, gefüllt mit heil'gen Zeichen,
Das man gebracht, beschwor der Ritter dann
Constantias Schuld. – Doch, Wunder sonder Gleichen!
Seht! – eine Hand packt ihn beim Nacken an,
Und wie ein Stein zu Boden fällt der Mann!
Die Augen, berstend, sich im Kopf verdrehen
Im Beisein Aller, die im Kreise stehen!
Und eine Stimme hört man nah' und fern,
Die spricht: »Du hast verläumdet durch Dein Lügen
Der Kirche heil'ge Tochter vor dem Herrn;
Das thatest Du! und dies mag Dir genügen!«
Rings malt Entsetzen sich in allen Zügen,
Vor Furcht und Schrecken weiß sich kaum zu fassen
Das Volk, und nur Constantia bleibt gelassen.
Groß war die Furcht und groß war auch die Reue
Von denen, die bereits sie schuldig hießen
Und angezweifelt hatten ihre Treue.
Und durch dies Wunder – um es kurz zu schließen –
Und durch Vermittlung von Constanze ließen
Der König und viel Andre sich bekehren;
Wofür wir Christum dankerfüllt verehren.
Dann ward, wie König Alla dies geboten,
Der falsche Ritter rasch dem Tod geweiht.
– Und doch – Constantia weinte um den Todten! –
Von Alla aber wurde mit der Zeit
Durch Christi Gnade feierlich gefreit
Dies fromme Weib im reinsten Schönheitsglanze.
– So machte Christ zur Königin Constanze.
Wer war von Zorn und Haß wohl je so wild,
Wie – daß ich strenge bei der Wahrheit bleibe –
Des Königs böse Mutter Donegild!
Ihr brach schier das verruchte Herz im Leibe,
Als sie erfuhr, daß sich ihr Sohn zum Weibe
Ein unbekanntes und wildfremdes Wesen
Ihr zum Verdruß und Aerger auserlesen.
Mich drängt es nicht, von Spreu und Stroh so langen
Bericht zu machen wie von Kern und Korn.
Soll ich erzählen von dem Prunk und Prangen
Der Hochzeit? und wer hinten ging, wer vorn?
Wer die Trompete blies und wer das Horn?
Bleibt der Beschreibung Frucht nicht stets im Ganzen
Nur: Essen, Trinken, Singen, Spielen, Tanzen?
Zu Bett sie gingen, wie der Pflicht sie's schuldig.
– Wenn's sein muß, fügt trotz aller Heiligkeit
Ein jedes Weib sich in der Nacht geduldig,
Wird das Vergnügen zur Nothwendigkeit. –
Für Leute, die mit Ringen sich gefreit,
Ist es erlaubt, daß sie der Sache wegen
Die Heiligkeit etwas bei Seite legen.
Ein männlich Kind empfing sofort ihr Leib.
Doch, da in Schottland Krieg und Streit entglommen,
Zog Alla vor den Feind, indeß sein Weib,
Vom Commandanten in das Haus genommen,
In eines Bischofs Schutze, angstbeklommen,
Doch fromm und gottergeben, so wie immer,
Des Kindsbetts harrte still in ihrem Zimmer.
Die Zeit war da. – Ein Knabe kam zur Welt,
Den in der Taufe sie Mauritius nannte.
Die Freudenbotschaft schrieb sogleich ins Feld
Dem Könige der treue Commandante.
Indem er nebenbei ihm Meldung sandte,
Wie Alles ginge und wie Alles stände;
Und gab den Brief in eines Boten Hände.
Der Bote, der auf seinen Vortheil sann,
Ritt zu des Königs Mutter mit der Kunde.
»Madam!« – hub er mit Schmeichelgrüßen an –
»Gewiß, Ihr segnet tausendmal die Stunde,
Und danket Gott mit Herzen und mit Munde!
Ein Knäblein wiegt die Königin im Schoß,
Und Glück und Jubel sind im Lande groß.«
»Seht, diesen Brief, in dem von allen Dingen
Die Meldung wohlversiegelt ist gemacht,
Soll ich dem König schleunigst überbringen:
Euch treu ergeben bleib' ich Tag und Nacht!«
Donilde sprach: »So ist's nicht abgemacht!
Bis morgen sollst Du hier der Ruhe pflegen,
Und mir das Weitre will ich überlegen.«
Der Bote trank sich steif in Bier und Wein,
Und heimlich ward aus seinem Sack gehoben
Ihm dieser Brief. – So feste schlief das Schwein! –
Ein Konterfei, von Lügen ganz durchwoben,
Ward schlau gemacht und schleunigst unterschoben,
Und an den König Alla abgesandt;
Und hören sollt ihr, was im Briefe stand.
Es sei – so schrieb man ihm – sein Weib entbunden
Von einer solchen Teufelscreatur:
Bei ihr zu bleiben, sei im Schloß befunden
Nicht Einer von so muthiger Natur.
Durch Hexerei und Zauberkünste nur
Sei's möglich, daß ihr dieser Balg beschieden.
Sie sei verhaßt und ringsumher gemieden.
Der König las den Brief. Jedoch kein Wort
Verrieth den Kummer, der sein Herz bedrängte,
Und eigenhändig schrieb er heim sofort:
»Willkommen sei, was immer Christ mir schenkte!
Recht ist gelenkt, was Gottes Hand je lenkte,
Für den, der glaubt; denn unser Wunsch und Neigen
Muß, Herr und Gott, vor Deinem Willen schweigen!«
»Sorgt für mein Kind, ob's schön, ob's garstig ist!
Sorgt für mein Weib, bis wir nach Hause kehren!
Den Erben, der mir mehr gefällt, kann Christ
Durch seine Gnade immer noch bescheeren!«
Er siegelte dann unter stillen Zähren
Den Brief und gab ihn in des Boten Hände.
– Der Bote ging, und damit war's zu Ende.
O, Bote, Jammerbild der Trunkenheit!
Dick ist Dein Hauch, es zittern Deine Glieder!
Du bist Verräther jeder Heimlichkeit
Und plapperst Alles wie die Elster wieder!
Dein Angesicht wird blässer stets und müder,
Dein Sinn ist fort und bei Dir, zweifelsohne,
Sitzt Trunkenheit als Herrscherin im Throne.
O, Donegilde! nicht in Worte fass' ich
All Deine Bosheit, Deine Tyrannei!
Dem Bösen in der Hölle überlass' ich
Dich und die Schildrung der Verrätherei!
Pfui! Unmensch! Pfui! – bei Gott, ich sag' es frei –
Du wallst auf Erden, aber, pfui! Du Hexe,
Dein böser Geist ist höllisches Gewächse!
Der Bote lenkte wieder auf der Reise
Zum Hof der Königsmutter seinen Gang.
Und froh gewährte sie in jeder Weise
Ihm wiederum den ehrendsten Empfang.
Er füllte sich den Bauch mit Speis' und Trank.
Und schnob und schnarchte, und im Schlaf verbrachte
Die ganze Nacht er, bis der Morgen lachte.
Und wiederum ward ihm der Brief gestohlen,
Und wiederum schrieb man ein Konterfei:
Daß es dem Commandanten anbefohlen
Vom Könige bei Galgenstrafe sei,
Es hätte, wenn dahin der Tage drei
Und noch drei Stunden ohne weit'res Säumen
Constantia des Königs Land zu räumen.
An Bord des Schiffs, das sie gebracht ans Land,
Sei sie, ihr Sohn, und was ihr eigen wäre,
Ins Meer hinauszustoßen von dem Strand,
Und zu bedrohn, daß sie nie wiederkehre. –
Constantia, ach! Dich haben sicher schwere
Und trübe Träume jene Nacht umsponnen,
Als Donegilde dieses ausgesonnen!
Der Bote ging, sobald er Morgens wachte,
Zum Commandanten nächsten Wegs aufs Schloß,
Dem er den Brief des Königs überbrachte.
Er las das Schreiben, und sein Schmerz war groß.
»O, weh' mir!« – rief er – »welches herbe Loos!
Wie kann die Welt nur, Herr und Christ, bestehen,
Wenn, ach! so Viele sündhaft sich vergehen?«
»Allmächt'ger Gott! wie kann's Dein Wille sein,
Der Du doch Allen ein gerechter Richter,
Daß Unschuld leide solche Noth und Pein,
Und stets im Glücke sitzen Bösewichter!
Gute Constantia! Weh' ist mir!« – so spricht er –
»Schmachvoll zu sterben, oder Dich zu quälen,
Kein andrer Weg bleibt übrig mir zu wählen!«
Im Schlosse weinten Alt und Jung vor Sorgen,
Als man des Herrn verfluchten Brief empfing,
Zum Schiff indessen an dem dritten Morgen
Constantia bleich, doch gottergeben, ging;
Und trug, was Christus über sie verhing.
Am Strande knie'nd, sprach sie zu Gott gewendet:
»Willkommen sei, was mir der Herr gesendet!«
»Als unter Euch ich hier gelebt im Lande
War vor Verläumdung schon mein Retter Er!
Er kann mein Retter sein aus Noth und Schande,
Ist mir das Wie auch unklar, auf dem Meer;
Er ist so stark noch heute wie seither!
O, Gott und Mutter, Beide mir so theuer,
Seid Ihr mein Segel und seid Ihr mein Steuer!«
Der kleine Sohn lag weinend ihr im Arm,
Und, knieend, sprach sie mitleidsvoll zum Kinde:
»Still! Söhnchen, stille! – Dir geschieht kein Harm!«
Vom Kopf zog sie den Schleier, daß als Binde
Sie schützend ihn um seine Aeuglein winde,
Und lullte wiegend in den Schlaf ihn dann,
Und warf die Blicke flehend himmelan.
»Mutter!« – sprach sie – »Maria, keusche Magd!
Weil eines Weibes Sünde das Verderben
So wie den Tod in diese Welt gebracht,
Sahst Du am Kreuze Deinen Sohn und Erben
Mit eignen Augen hängen, leiden, sterben!
Kann alles Weh und alles Leid auf Erden
Mit Deinem Schmerze je verglichen werden?«
»Vor Deinen Augen ward Dein Kind erschlagen!
Und meines lebt noch! – Jungfrau, hehr und mild,
Zu der Betrübte ihren Jammer klagen,
Du heller Tagesstern, Du Zufluchtsschild,
Du schöner Mai, Du reinster Keuschheit Bild!
Beschütz' mein Kind! Du schützest mit Erbarmen
Die Schutzbedürft'gen, Leidenden und Armen.«
»Mein lieber, kleiner Sohn! – O, weh'! was that er,
Auf dem doch wahrlich keine Sünde ruht,
Daß ihn ins Elend stieß sein harter Vater?
Ach, Commandant!« – sprach sie – »sei lieb und gut,
Mein Söhnchen nimm zu Dir in Haus und Hut!
Und darfst Du's nicht, und mußt Du mir's verneinen,
Küss' in des Vaters Namen meinen Kleinen!«
»Leb' wohl, erbarmungsloser Mann!« – so sagend,
Warf sie die Blicke rückwärts in das Land,
Sprang auf, und, kosend in den Armen tragend
Ihr kleines Kind, ging sie zum Schiff am Strand,
Wo alles Volk, nachdrängend, sie umstand.
Sich fromm bekreuzend, rief ein Abschiedswort
Sie Allen zu, und stieg sodann an Bord.
Nicht an Proviant gebrach es für die Zeit
Der langen Reise durch die Meerespfade,
Und was auch sonst noch von Nothwendigkeit
Enthielt das Schiff – gedankt sei Gottes Gnade! –
Nun, führ' sie heim, allmächt'ger Gott! – Nicht schade
Ihr Wind und Wetter! – Diesen Wunsch gewähre,
Treibt ihres Wegs sie weiter durch die Meere!
Es kam, nachdem sich dieses zugetragen,
Zu dem besagten Schloß der König bald.
Nach Weib und Kind begann er gleich zu fragen.
Den Kommandanten überlief es kalt;
Er meldete den ganzen Sachverhalt,
Mit welchem ich bereits bekannt Euch machte,
Und Brief und Siegel er dem König brachte.
Und sprach: »Mein Herr, wie Ihr es anbefohlen
Bei Todesstrafe, so hab' ich's gemacht!«
Die Folter ließ man für den Boten holen,
Und zum Geständniß ward er rasch gebracht,
Wo er sich aufgehalten Nacht für Nacht;
Und aus der Untersuchung bald erhellte,
Wo dieser Born des Mißgeschickes quellte.
Man wußte, welche Hand den Brief geschrieben,
Und wer die giftig böse That ersann
Zwar ist das Wie mir unbekannt geblieben,
Doch lesen kann die Folgen Jedermann:
Als Hochverräth'rin ward der Mutter dann
Vom Könige der Todesstreich gegeben.
– So elend schloß Frau Donegildes Leben! –
Die Sorge, welche König Alla quälte
Bei Tag und Nacht um Gattin und um Kind,
Wohl keine Zunge je getreu erzählte.
Drum zu Constanze wend' ich mich geschwind.
Die Leidensvolle trieb durchs Meer der Wind
Fünf Jahr' und länger, eh' durch Christi Gnade
Ihr Nachen sich genähert dem Gestade.
Es trieb zu einem heidnischen Kastelle
– Von dem mein Text den Namen nicht enthält –
Constantia und ihr Kind zuletzt die Welle.
Allmächt'ger Gott! Erretter aller Welt!
Beschütze sie mit ihrem Kind! sonst fällt
Sie in der Heiden Hand und büßt ihr Leben
Vielleicht dort ein. – Doch hört, was sich begeben.
Vom Schloß herab stieg Mancher und beschaute
Das Schiff, in dem Constantia sich genaht;
Und eines Tages, als der Abend graute,
Bestieg – Gott strafe seine Missethat! –
Des Fürsten Vogt, ein Dieb und Renegat,
Das Schiff, damit zu schnöder Lust und Minne
Er durch Gewalt und Drohung sie gewinne.
Wohl schrie mit ihrem Kind das wehbedrängte
Und arme Weib. Jedoch nicht hülflos blieb
Sie in der Noth. – Die heil'ge Jungfrau schenkte
Ihr Kraft und Muth, und, mächtig ringend, trieb
Sie bis zum Rand des Schiffes jenen Dieb,
Der über Bord fiel und ertrank im Meere;
Und unbefleckt erhielt ihr Christ die Ehre.
O, faule Lust der Ueppigkeit, hier endest
Du nach Verdienst! Du bringest Schmach und Tod
Dem Leib sowohl, wie Du den Sinn verblendest;
Auf blinde Lüste folgen Pein und Noth!
Wohl mag der Mensch bedenken, was ihm droht.
Nicht nur die That, nein, schon die That zu denken,
Kann Tod und Elend auf den Schuld'gen lenken!
Wer stählte für den Kampf des Weibes Nerven,
Als mit ihr rang der falsche Renegat?
Wie konnte David je zu Boden werfen
Den unermeßlich langen Goliath,
Wie er es jung und ungerüstet that?
Wie blickte furchtlos er empor zum Riesen?
Nun – durch die Gnade, die ihm Gott bewiesen.
Wer flößte Judith Muth und Kühnheit ein,
Als Holofernes sie erschlug im Zelte,
Um Gottes Volk vom Elend zu befrein?
Die Antwort auf die Fragen, die ich stellte,
Bleibt immer die: den Geist der Kraft gesellte
Zu ihnen Gott, und, wie zu ihrem Werke,
Gab auch Constantia Er die Kraft und Stärke!
Es trieb ihr Schiff dann durch die Meeresenge
Von Jubaltar und Septa weiter fort,
Und schwamm umher der Breite nach und Länge
Manch lieben Tag gen Ost, West, Süd und Nord;
Bis Christi Mutter, der Bedrängten Hort,
Endloser Güte voll, es so gewendet,
Daß sich die Zeit naht, wann ihr Leiden endet.
Auf kurze Frist sei nunmehr von Constanze
Nach Rom um Kaiser unser Blick gewandt,
Dem längst der Christen Mord, sowie das ganze
Geschick der Seinen brieflich schon bekannt;
Und was sein Kind durch die Verrätherhand
Der alten Mutter Sultanin ertragen,
Als auf dem Fest sie allesammt erschlagen.
Der Kaiser gab dann Vollmacht und befahl
Einem der Senatoren, daß als Führer
Mit manchen Herr'n – Gott weiß, wie groß die Zahl? –
Zu Feld' er zög' zur Züchtigung der Syrer.
Worauf mit Mord und Brand auch nach Gebühr er
Das Land manch lieben langen Tag verheerte,
Bis er dann schließlich wieder heimwärts kehrte.
So segelte nach Rom in voller Glorie
Als Sieger der Senator mit dem Heer,
Und traf das Schiff – so meldet die Historie –,
Worin Constanze, treibend auf dem Meer.
Indessen, wer sie sei und wo sie her,
Erfuhr er nicht; denn nicht verrathen wollte
Sie ihren Stand, und wenn sie sterben sollte.
Es brachte sie nach Rom zu seinem Weibe
Mit ihrem Kinde der Senator hin,
Daß sie bei ihnen wohne und verbleibe.
So zog aus Leid die Himmelskönigin,
Wie manche vor ihr, diese Dulderin,
Die, heil'gen Werken immer hingegeben,
Noch lange führte dort ein frommes Leben.
Daß des Senators Weib verwandt ihr sei
Und ihre Muhme, konnte sie nicht wähnen;
Und ich erzähl' es hier nur nebenbei.
Zu König Alla muß ich, der mit Thränen
Sein Weib bejammert unter stetem Sehnen,
Indem Constantia ich in Schutz und Händen
Von dem Senator lasse, nun mich wenden.
Es fühlte sein Gewissen eines Tages
Der König durch den Muttermord bedrängt,
Und hatte – daß ich kurz und schlicht Euch sag' es –
Nach Rom zur Sühne seinen Schritt gelenkt,
Um dort zu büßen, was der Papst verhängt,
Und um von Christ für das, was er begangen,
Durch sein Gebet Verzeihung zu erlangen.
Durch Höflinge, die ihm Quartier bereitet,
War das Gerücht von Allas Pilgerfahrt
Rasch durch die ganze Stadt hindurch verbreitet;
Und der Senator, dem sich beigeschaart
Viel Edelleute, ritt nach Brauch und Art
Dem Könige der Ehr' und Ehrfurcht wegen
Und Pompes halber aus der Stadt entgegen.
Geehrt ward König Alla auf das Beste
Von dem Senator, ob der König schon
Darin nicht nachstand; denn zu einem Feste
Lud er ihn ein, bevor zwei Tage flohn;
Und in Begleitung von Constantias Sohn
– Daß ich es kurz Euch nach der Wahrheit sage –
Ging der Senator zu dem Festgelage.
Zwar ist behauptet worden, daß Constanze
Sich vom Senator diese Gunst erbat.
Nun, das mag sein, mag nicht sein; denn das Ganze
Kommt drauf hinaus: zum Fest ging in der That
Constantias Sohn, und nach der Mutter Rath
Hielt er beim Mahle, wenn ein Gang geendet,
Stets auf den König seinen Blick gewendet.
Der König sah verwundert auf den Knaben,
Und den Senator sprach er also an:
»Wen mag dies schöne Kind zum Vater haben?«
Und jener sprach: »Bei Gott und St. Johann!
Die Mutter kenn' ich, aber nicht den Mann.«
Und dann gab er dem König Alla Kunde
Von diesem Knaben und von seinem Funde.
»Bezeug' es Gott!« – sprach der Senator – »nie
Sah oder fand ich noch in meinem Leben
Weib, Wittwe, Mädchen oder Frau, wie sie
So tugendhaft und also Gott ergeben.
Weit lieber würde sonder Furcht und Beben
Sie sich den Dolch in ihren Busen senken,
Als einem Manne ihre Gunst je schenken!«
Wohl kaum ein Wesen auf dem Erdenrunde
So seiner Mutter, wie der Knabe, glich.
Und Alla, welcher tief im Herzensgrunde
Constantias Bild bewahrte, dachte sich,
Daß sie des Kindes Mutter; und er schlich
Von dem Bankette seufzend dann von hinnen,
Um in der Stille weiter nachzusinnen.
»Fürwahr, Phantome des erhitzten Blutes
Verwirren mir« – so sprach er – »den Verstand!
Mein Weib ist todt, und in der Salzfluth ruht es.«
Doch Gegengründe lagen auch zur Hand.
»Wer weiß,« – sprach er – »ob Christus, der gesandt
Mein Weib mir einst zur See, aus meinem Lande
Sie nicht geführt hat abermals zu Strande?«
Und der Senator ging mit Alla dann
Des Abends heim, dies Wunder aufzuklären;
Und eilig schickte zu Constantia man,
Den König zu empfangen und zu ehren.
– Zu tanzen – glaubt mir – trug sie kein Begehren,
Die Füße wollten ihr den Dienst versagen,
Als diese Botschaft man ihr zugetragen. –
Als weinend sich vor diesem Weib verbeugte
Der König, blieb kein Auge thränenleer,
Der erste Blick auf sie ihn überzeugte,
Sie war sein Weib, da galt kein Zweifel mehr.
Doch stumm verblieb sie wie ein Baum; denn schwer
Und trüb das Herz ihr die Erinnrung machte,
Als sie des unbarmherz'gen Manns gedachte.
Bewußtlos sank sie zweimal hin zur Erde;
Und, sich entschuld'gend, schrie er jämmerlich:
»Von Gott und allen seinen Heil'gen werde
Nie meiner Seele Gnade, fühle mich
An Deinem Harm nicht ganz so schuldlos ich,
Wie unser Sohn, das Abbild Deiner Züge!
Und hole mich der Böse, wenn ich lüge!«
Lang' schluchzten sie, eh' Ruh' in ihre Herzen
Nach so viel Gram und Leid zurückgekehrt.
Groß war das Mitleid; aber ihre Schmerzen
Das Klagen und das Jammern nur vermehrt.
Mir sei, davon zu schweigen, drum gewährt;
Denn überdrüssig bin ich, von den Sorgen
Euch zu erzählen bis zum nächsten Morgen.
Doch als die Wahrheit endlich ihr bewußt,
Daß Alla schuldlos war an ihren Leiden,
Drückt' sie ihn hundertmal an ihre Brust,
Und, abgesehn von ew'gen Himmelsfreuden,
Genoß je solche Wonne wie die Beiden
Gewiß kein Mensch, noch sah, noch wird er sehen
Ein gleiches Glück, so lang' die Welten stehen.
Die Pein zu enden, welche sie erlitten,
Ersuchte sie in Demuth den Gemahl,
Er möge dringend ihren Vater bitten,
Es wolle nächsten Tages, je nach Wahl,
In Gnaden ihm zu einem Mittagsmahl
Die Ehre Seine Majestät erzeigen,
Jedoch von ihr, bat sie ihn, streng zu schweigen.
Man sagt zwar, daß Mauritius mit der Bitte
Zum Kaiser ging. – Mir aber scheint es klar,
Der König Alla wußte wohl, was Sitte.
Für solchen hohen Souverain, fürwahr,
Die Blüthe der gesammten Christenschaar,
Wird doch kein Kind zum Boten auserlesen!
Er selbst ging hin. – So, denk' ich, ist's gewesen.
Der Kaiser, diese Bitte gern gewährend,
Versprach, zum Mahl zu kommen. Doch sein Blick
Fiel – wie ich las – auf jenes Kind fortwährend,
Und an die Tochter dacht' er oft zurück.
Und Alla kehrte heim, daß mit Geschick,
So weit es möglich, Alles auf das Beste
Er ordnend vorbereite zu dem Feste.
Der Tag ist da. – Im Festschmuck hoch zu Rosse
Dem Kaiser frohen Sinns entgegenziehn
Sowohl Constantia wie ihr Eh'genosse.
Doch kaum erspäht sie auf der Gasse ihn,
Springt sie vom Pferd und ruft auf ihren Knie'n:
»Ging, Vater, die Erinnrung ganz verloren
Dir an die Tochter, die Dein Weib geboren?«
»Ich bin die Tochter!« – spricht sie – »bin Constanze,
Die in das Land der Syrer Du gesandt.
Ich bin es, Vater, die im Wellentanze
Den Tod, den man mir zugedacht, nicht fand!
Reich mir in Gnaden Deine Vaterhand!
Du wirst mich nicht zu Heiden wieder senden;
Nein! Alla Dank für seine Güte spenden!«
Vom Wiedersehn der Drei vermag ich nicht
Die Rührung und die Freude mitzutheilen.
Zu Ende bringen muß ich den Bericht;
Der Tag rückt vor, zum Schlusse will ich eilen!
Beim Mittagsmahle lass' ich sie verweilen
In tausendfachem, größerem Entzücken,
Als ich vermag in Worten auszudrücken.
Doch wie zum Kaiser späterhin im Leben
Vom Papst das Kind Mauritius gemacht,
Wie, Christi Kirche ehrend, fromm ergeben
Gelebt er hat, das laß ich außer Acht;
Allein Constantia kommt hier in Betracht.
In alten Römergesten steht indessen
Mauritius' Leben; doch ich hab's vergessen.
Und mittlerweile war der Tag gekommen,
An welchem Alla sich zurückgewandt
Nach Engeland, wo er mit seinem frommen,
Geliebten Weibe Glück und Ruhe fand.
Doch, glaubt mir, nur von flüchtigem Bestand
Ist Erdenglück. Es kommt und ist geschwunden
Wie Meeresfluth im Wechselspiel der Stunden.
Wer freut sich dauernd ungetrübter Tage,
An denen sein Gewissen ruhig schlägt,
Von Zorn und Drang und anverwandter Plage,
Von Neid und Stolz und Hitze nicht bewegt?
Ich habe die Betrachtung eingelegt,
Weil auch für Alla und Constanze Frieden
Und Seligkeit nur kurze Zeit beschieden.
Tribut dem Tod muß Hoch und Niedrig geben!
Und so schied etwa auch nach Jahresfrist
Der König Alla aus dem Erdenleben,
Von seinem Weib betrauert und vermißt.
Sei seiner Seele gnädig, Gott und Christ!
Von ihr bleibt mir nur schließlich mitzutheilen,
Daß sie beschloß, nach Rom zurückzueilen.
Hier fand das fromme Wesen alle theuern
Und lieben Freunde lebend und gesund.
Hier fand sie Ruhe nach den Abenteuern,
Sah ihren lieben Vater wieder, und
Sank in die Kniee nieder auf den Grund,
Und dankte hunderttausendmal mit Rührung
Und unter Thränen Gott für seine Führung.
Es lebten Alle fromm und tugendsam,
Beständig heil'gen Werken zugewendet,
Bis schließlich sie der Tod von hinnen nahm.
Und so lebt wohl! – Denn die Erzählung endet.
Nun, Jesus Christus, dessen Hand uns sendet
Nach Leiden Freuden, schenke Huld und Gnade
Auch uns Gefährten auf dem Pilgerpfade!
Der Prolog des Schiffers.
Vers 5583–5610.
Hoch in den Bügeln stand der Wirth und sprach:
»Hört, guten Leute, meiner Meinung nach
War die Erzählung überaus gelungen.
Herr Pfarrer!« – rief er – »tragt, wie ausbedungen,
Uns etwas vor! Denn – bei des Herrn Gebein! –
Manch guter Schwank fällt Euch Gelehrten ein
– Bei Gottes Würde! – wie ich wohl erseh'!«
Der Pfarrer sprach: »Ei, benedicite!
Was fehlt dem Mann, so lästerlich zu schwören?«
»O!« – schrie der Wirth – »Mein Hans! läßt Du Dich hören?
Ich witt're, gute Herren, in der Luft
Von einem Lollhard, scheint es mir, den Duft.
Bei Christi Seelenleiden! gebet Acht,
Mit einer Predigt werden wir bedacht
Noch allesammt von diesem Lollhard hier!«
»Nein,« – rief der Schiffer – »das verbitt' ich mir!
Bei meines Vaters Seele! mit Sermonen
Und Bibelglossen soll er uns verschonen.
Wir glauben Alle hier an Gott, den Herrn.
Er aber möchte Streit und Hader gern
Und Unkraut säen in die reine Saat.
Fürwahr, mein Wirth, mir scheint's der beste Rath:
Ich, lust'ger Kerl, erzähle nunmehr weiter
Und rasseln mit der Schelle will ich heiter,
Daß munter bleibt die ganze Compagnie.
Ich werde sicher von Philosophie,
Juristerei und Medicin Nichts sagen,
Denn viel Latein beschwert nicht meinen Magen!«
Die Erzählung des Schiffers.
Vers 5611–6044.
Einst war ein Handelsherr in St. Denis,
Dem vieles Geld den Ruf der Weisheit lieh.
Von wunderbarer Schönheit war sein Weib
Und höchst erpicht auf Lust und Zeitvertreib;
Was weit mehr kostet, als die Reverenzen
Und Artigkeiten junger Herrn bei Tänzen
Und Festen werth sind. Denn von Unbestand
Und flücht'ger, als der Schatten an der Wand,
Ist solches Mienenspiel und solcher Gruß.
Doch wehe dem, der dafür zahlen muß!
Ein dummer Ehemann muß dennoch zahlen!
Er muß uns kleiden, daß im Schmuck wir strahlen,
Und schön geputzt uns seiner Ehre wegen
In solchem Staat beim lust'gen Tanz bewegen.
Sollt' er die Mittel uns dazu versagen,
Und über Kosten und Verluste klagen,
Vielleicht sogar uns der Verschwendung zeihn,
So muß ein Anderer schenken oder leihn
Uns Gold dazu – und das bringt oft Gefahr.
Es ging beim edlen Kaufmann eine Schaar
Verschiedner Gäste täglich ein und aus.
Kein Wunder war es. Stattlich war sein Haus
Und schön sein Weib. – Doch lauschet meinem Wort!
Man konnte neben andern Gästen dort
Auch einen schönen, kecken Mönch gewahren,
Dem Alter nach von etwa dreißig Jahren,
Der dieses Haus stets zu besuchen pflegte.
Zu diesem jungen, schönen Mönche hegte
So große Neigung jener gute Mann,
Seit die Bekanntschaft beiderseits begann,
Daß dieser Mann dort so vertraut verkehrte,
Wie man es je dem besten Freund gewährte.
Und da noch fernerweitig dieses Paar
In einem Dorf zur Welt gekommen war,
So redete der Mönch den guten Mann
Beständig nur als seinen Vetter an,
Und dieser widersprach ihm darin nicht.
Nein, wie der Vogel, wenn der Tag anbricht,
War er vergnügt und froh von Herzensgrund.
So hatten miteinander sie den Bund
Geschlossen und ihr Wort darauf gegeben,
In Brüderschaft für immerdar zu leben.
Höchst generös war immer Dan Johann,
Zumal in jenem Hause, und er sann
Auf das, was Kosten und Vergnügen machte.
Bis auf den letzten Pagen hin bedachte
Er nach dem Rang das ganze Hausgesinde
Mitsammt dem Herrn und gab als Angebinde,
Was passend war, betrat er nur die Schwelle;
Und wie ein Vogel bei der Morgenhelle
War Jedermann, sobald er kam, vergnügt.
Nichts mehr davon! – was ich gesagt, genügt.
Einst schickte nun sich dieser Handelsmann
Geschäfte halber zu verreisen an;
Nach Brügge dachte nämlich er zu gehn,
Um dort verschiedne Waaren zu erstehn.
Doch vorher sandt' er Botschaft nach Paris
An Dan Johann, den er ersuchen ließ,
Mit ihm und seiner Frau auf alle Weise
Noch ein paar Tage vor der Brügger Reise
In St. Denis vergnüglich hinzubringen.
Der Abt des Klosters ließ in solchen Dingen
Stets dem besagten Mönche freie Hand.
Ihm war, als einem Manne von Verstand,
Das Amt verliehen, zu verschiednen Zeiten
Die Scheunen und Gehöfte zu bereiten;
Und somit kam nach St. Denis er schnell.
Wie sehr war der galante Junggesell,
Der theure Vetter Hans, daselbst willkommen!
Geflügel hatt' er für sie mitgenommen,
Ein Krüglein Malvasier, ein Fläschchen auch
Voll Toskerwein. – Ei, ja! das war sein Brauch. –
Und damit überlaß ich auf zwei Tage
Den Mönch und Kaufmann ihrem Zechgelage.
Es überschlug sodann am dritten Morgen
Der Kaufmann seinen Geldbedarf mit Sorgen.
Drum ging er eilig in sein Lagerhaus
Und rechnete dort wohlbedächtig aus,
Wie es in diesem Jahre mit ihm stand,
Und wie sein Geld verthan und angewandt,
Und ob er »Gut« behalten oder »Schuld«.
Er legte nieder auf sein Rechenpult
Viel Bücher und viel Beutel voller Geld.
Doch Schatz und Kasse fand er reich bestellt.
Drum schloß er eiligst seine Thüre zu,
Damit er ohne Störung, ganz in Ruh,
Vollenden könne seine Rechnerei;
Und saß daran bis Primezeit vorbei.
Auch Dan Johann war früh am Morgen wach
Und ging im Garten auf und ab und sprach
Sein Frühgebet in salbungsvoller Weise.
Zum Garten aber, wo er ging, schlich leise
Das gute Weibchen etwas später auch
Und grüßte dort ihn nach gewohntem Brauch.
Ein kleines Mädchen hatte zur Begleitung
Sie an der Hand, das sie in Zucht und Leitung
Noch leicht zu halten wußte mit der Ruthe.
»Ach, Dan Johann, ist Euch nicht wohl zu Muthe,
Daß Ihr so zeitig« – frug sie – »aufgewacht«?
»Fünf Stunden Schlaf genügen in der Nacht,
Geliebte Nichte,« – sprach er – »ganz vollkommen,
Die bleichen Ehekrüppel ausgenommen;
Solch' alte Kerle liegen freilich fest
Wie abgehetzte Hasen in dem Nest,
Wenn sie von Hunden rings umgeben sind.
Doch sprich, warum so blaß, mein liebes Kind?
Du bist gewiß von unserm guten Mann
So strapazirt, seitdem die Nacht begann,
Daß Du nunmehr der Ruhe pflegen mußt.«
Und bei dem Scherze lacht er voller Lust
Und ward ganz roth vom Einfall, den er hegte.
Die Schöne schüttelnd ihren Kopf bewegte
Und sprach: »Weiß Gott, mein theurer Vetter, Ihr
Habt Euch geirrt. So steht es nicht mit mir.
Bei Gott, der mir gegeben Seel' und Leib,
Im ganzen, weiten Frankreich hat kein Weib
Geringre Lust zu solchen bösen Dingen.
Ich aber habe Weh und Ach zu singen,
Daß ich zur Welt kam.
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