Einige Leute an andern Tischen betrachteten ihn neugierig.
Von den Speisen nippte er bloß, die Flasche trank er allmählich leer.
Er sah sich im dunklen Gewächshaus stehen, Lätizia erwartend; und wie sie gekommen war, von ihrer Erregung beseelt. »Christian, mein Herr und mein Gebieter,« hatte sie schmachtend und scherzhaft geflüstert. »Laß eine kleine Kröte aus Gold machen,« hatte er zu ihr gesagt, »und trag sie um den Hals, damit der böse Zauber weicht.«
Ihr Kuß brannte noch auf seinen Lippen.
Um elf Uhr abends kam Crammon, der Getreue. »Ich bitte dich. Lieber, ordne, was zu ordnen ist,« sagte Christian, »ich will die Nacht hier nicht verbringen. Adda Castillo wird schon ungeduldig sein.« Er reichte ihm die Brieftasche.
Die Romantische, dachte Christian, schenkt, ohne zu wissen, was sie schenkt, und wem; weiß nicht, wie lang das Leben ist. Aber ihr Kuß brannte auf seinen Lippen; er konnte es nicht vergessen.
Crammon kehrte zurück. »Erledigt,« sagte er geschäftsmäßig, »das Auto ist in einer Viertelstunde bereit. Nun laß uns noch dem armen Alfred ein Lebewohl sagen.«
Christian folgte ihm. Ein Hausdiener führte sie in eine düster erleuchtete Kofferkammer, wo der Leichnam bis zum Morgen untergebracht war. Ein weißes Tuch war um den Kopf geschlungen. Neben den Füßen kauerte eine Katze mit geflecktem Fell.
Crammon faltete still die Hände. Christian spürte einen kühlen Hauch um die Wangen, innen in seiner Brust bewegte sich nichts. Als sie ins Freie traten, sagte er: »Wir müssen in Frankfurt einen neuen Wagen kaufen. Wenn wir zu Mittag wieder hier sind, ists Zeit genug, früher kann der General nicht kommen.«
Crammon nickte. Ein verwunderter Blick flog zu dem Jüngling hinüber, ein Blick, der zu fragen schien: aus was für einem Stoff bist du gemacht?
Der Feine, Edle, Stolze, Eisesluft war um ihn, die unendliche gläserne Klarheit wie auf Bergen, bevor es dämmert.
Der Globus auf den Fingerspitzen einer Elfe
1
Crammon hatte recht behalten: zehn Monate hatten genügt, um die Augen einer Welt auf die Tänzerin Eva Sorel zu lenken. In den großen Zeitungen stand ihr Name unter den Zelebritäten, ihre Kunst galt als hohe Blüte der Epoche.
Es lagen ihr alle zu Füßen, deren geistig-unruhigem Verlangen sie eine Gestalt dargeboten hatte. Die Vorläufer der gehetzten Menschheit schöpften Atem und blickten zu ihr empor. Die Anbeter der Form und die Verkünder eines neuen Rhythmus warben um ein Lächeln ihres Mundes.
Sie blieb gelassen und gegen sich selber streng. Der Lärm des Beifalls ermüdete sie manchmal. Von den Verheißungen gieriger Unternehmer bedrängt, verspürte sie nicht selten ein leises Grauen. Ihr innerer Blick, gegen ein unerreichbares Ziel gekehrt, trübte sich vor Leichtzufriedenen, die Dank stammelten. Diese, schien es ihr, wollten sie betrügen. Und sie flüchtete zu Susanne Rappard und ließ sich schelten.
»Wir sind ausgezogen, die Welt zu erobern,« sagte Susanne; »sie gibt sich dir fast ohne Kampf, warum triumphierst du nicht?«
»Was meine Hände halten und was meine Augen fassen, gibt mir noch keinen Grund zu triumphieren,« erwiderte Eva.
Susanne jammerte: »Närrin, iß dich satt, da du doch gehungert hast.«
»Sei still,« wehrte Eva ab, »was weißt du von meinem Hunger.«
Ihre Schwelle wurde belagert, doch sie empfing nur wenige, die sie sorgfältig auswählte. Sie lebte in einer Blumenwelt. Jean Cardillac hatte ihr ein entzückendes Hotel eingerichtet, dessen Gartenterrasse ein tropisches Paradies war. Wenn sie dort am Abend saß oder lag, unter dem gemilderten Lampenschein, von leise plaudernden Freunden umgeben, deren absichtslosester Blick eine Huldigung war, schien sie dem Bereich des Willens und der Sinne entrückt und weilte nur noch als schöner Leib im gegenwärtigen Raum.
Die ihr jede Verwandlung zutrauten, erstaunten doch über eine plötzliche, deren Ursache ein Unbekannter und Unscheinbarer war. Der junge Fürst Alexis Wiguniewski hatte ihn bei ihr eingeführt. Er hieß Iwan Michailowitsch Becker. Er war klein und häßlich, hatte tiefliegende Sarmatenaugen, Lippen, die wie geschwollen aussahen, und schwarzes Bartgestrüpp an Kinn und Wangen.
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