»Ich habe einen gefunden, dessen Lachen die Eseltreiber in Cordova schamrot macht,« begann er mit komischer Feierlichkeit; »aus welchem Grund wird er verworfen?«

Sein Herz blutete, aber er warb für den Freund. Wie sehr er Denis Lay auch bewunderte und liebte, Christian stand ihm näher; Christian war sein Fund, auf den er eitel war, Christian war sein Held.

Eva sah ihn mit blitzenden Augen an und entgegnete:

»Es ist wahr, er versteht zu lachen wie jener Eseltreiber in Cordova, aber er hat auch nicht mehr Herzensbildung als der Eseltreiber in Cordova, und das, mein Lieber, ist mir zu wenig.«

»Und was soll nun aus uns werden?« seufzte Crammon.

»Ihr könnt mit mir nach England gehen,« antwortete Eva heiter. »Ich tanze im Theater Seiner Majestät. Eidolon soll mein Page sein, soll Ehrfurcht lernen und nicht um Pferde feilschen, wenn man mir schöne Gedichte vorliest. Sagen Sie es ihm.«

Abermals seufzte Crammon, griff nach ihrer Hand und küßte andächtig die Fingerspitzen. »Ich will es ausrichten, süßer Ariel,« entgegnete er.

 

12

 

Cardillac fiel in Ungnade bei Eva; damit verlor er den letzten Halt. Die Gefahr, mit der er verwegen gespielt, umstrickte ihn; der Abgrund zog ihn hinunter.

Den äußeren Anstoß zu seinem Sturz gab ein junger Ingenieur, der einen Wassermesser erfunden hatte. Cardillac hatte ihn durch großartige Versprechungen überredet, ihm die Nutzbarmachung der Erfindung zu überlassen. Es dauerte nicht lange, so erkannte der Ingenieur, daß er betrogen und um den Ertrag seiner Arbeit gebracht war. Er sammelte in der Stille Material gegen den Spekulanten, deckte seine betrügerischen Geschäfte auf und überreichte bei Gericht eine Reihe vernichtender Anklagen. Obwohl ihm Cardillac schließlich fünfmalhunderttausend Franken anbieten ließ, wenn er die Klagen zurückziehe, weigerte sich der hartnäckige Verfolger.

Andre Umstände kamen hinzu; die Katastrophe war nicht mehr aufzuhalten. An einem einzigen Vormittag fielen die Kurse seiner Papiere um Hunderte von Franken. Dreihundert Millionen wurden in zweimal vierundzwanzig Stunden verloren. Die Ernte des Baissiers war gekommen. Zahllose Existenzen gerieten mit der Geschwindigkeit eines Lawinensturzes ins Elend, achtzehnhundert Kleingewerbetreibende büßten ihr ganzes Hab und Gut ein, siebenundzwanzig bedeutende Firmen mußten den Konkurs anmelden, Senatoren und Abgeordnete des Parlaments wurden in den Strudel gerissen, und unter den Angriffen der Opposition wankte die Regierung.

Felix Imhof kam nach Paris, um aus dem Zusammenbruch zu retten, was noch zu retten war. Der empfindliche Verlust, den er erlitten hatte, hinderte ihn nicht an entzückten Äußerungen über das imposante Schauspiel, welches der Untergang Cardillacs der Welt darbot.

Crammon sagte: »Ich war keusch wie Joseph, als mich diese Potiphar verführen wollte.« Er deutete mit dem Zeigefinger kichernd auf Imhof und rieb sich selbstzufrieden die Hände.

Am darauffolgenden Abend ging Imhof mit den Freunden zu Eva Sorel. Sie hatte das Palais verlassen, das ihr Cardillac eingerichtet, und ein schönes Haus an der Chaussee d'Antin gemietet.

Imhof sprach von der besonderen Tragik moderner Schicksale, und als ein Beispiel erzählte er, wie Cardillac drei Tage vor seinem Sturz im Hauptquartier seiner erbittertsten Gegner erschienen sei, nämlich in der Bank von Paris. Der Verwaltungsrat der Bank war vollzählig versammelt. Mit gefalteten Händen, mit tränenüberströmtem Gesicht flehte der gehetzte Mann um ein Darlehn von zwölf Millionen Franken. Es war ein drastisches Zeichen seiner Naivität, von denen Hilfe zu verlangen, die er seit Jahr und Tag an der Börse geschröpft, deren Verluste er eingeheimst und die er mit dem neuen Darlehn noch weiter bekämpfen wollte.

Christian hörte zerstreut zu. Er stand Arm in Arm mit Crammon vor einem chinesischen Wandschirm; ihnen gegenüber saß Eva, eigentümlich verträumt, und dicht neben ihr Sir Denis Lay. Auch andre waren anwesend, aber ihnen schenkte Christian keine Aufmerksamkeit.

Auf einmal entstand an der Tür eine Bewegung. »Cardillac,« flüsterte jemand. Alle blickten hin.

In der Tat war es Cardillac, der eingetreten war. Seine Stiefel waren beschmutzt, Kragen und Krawatte in einer Unordnung, als habe er sie schon eine Woche lang am Leib. Er hatte die Fäuste zusammengedrückt, seine Augen wanderten unstet von Gesicht zu Gesicht.

Eva und Sir Denis blieben ruhig sitzen. Eva stützte den Fuß auf den Rand eines kupfernen, mit weißen Lilien gefüllten Gefäßes. Auch die andern rührten sich nicht. Nur Christian machte, unwillkürlich, ein paar Schritte auf Cardillac zu.

Cardillac gewahrte ihn. Er ergriff ihn am Ärmel des Fracks und zog ihn zur Tür des Nebenraums.