Nimm mich, nimm mich, flehte es von ihr zu ihm. »Das sind ja keine Dinge, das sind Wesen,« sagte sie leise.

»Ihre Sache, das glaub ich,« fuhr er fort, und seine Stimme klang sanfter als bisher. »Ihre Sache ist alles, was duftet und was glänzt, was schmückt und was ergötzt. Das ist Ihre Sache, Lätizia. Was ist aber meine Sache?« Er blieb stehen. »Ja, was ist meine Sache?« fragte er noch einmal mit einem Ausdruck innerlicher Not, der erschütternd auf Lätizia wirkte. Sie hatte ein solches Wort, in solchem Ton gesprochen, nicht von ihm erwartet.

Du hast mich einst geküßt, erinnerte ihn ihr Blick, denk daran, du hast mich geküßt.

»Wann wird Hochzeit sein?« fragte er jetzt und zwinkerte ein bißchen mit den Lidern.

»Ich weiß es nicht genau, vorläufig sind wir noch gar nicht formell verlobt,« erwiderte Lätizia lachend. »Er hat erklärt, daß ich seine Frau werden müßte, und dagegen gibts keinen Widerspruch bei ihm. Zu Weihnachten kommt meine Mutter nach Heidelberg, und dann wird die Hochzeit sein. Ich freue mich auf die Meerfahrt und auf das fremde Land.« Nimm mich, nimm mich doch, flehte es ungestüm aus ihren leuchtenden Augen, nimm mich, ich sehne mich. »Wie gefällt Ihnen Stephan?« erkundigte sie sich mit koketter Drehung des Hauptes.

Er blieb die Antwort schuldig. »Es beobachtet uns jemand vom Hause her,« sagte er leise.

Lätizia flüsterte: »Er gönnt mich nicht dem Erdboden und der Luft.« Da es stärker zu regnen anfing, lenkten sie ihre Schritte gegen das Haus. Und Christian fühlte, daß er sie liebte.

Eine Stunde später betrat er den Spielsalon. Imhof, Crammon, Wolfgang und Stephan Gunderam saßen um einen runden Tisch und spielten Poker. Jeder verhielt sich nach seiner Art; Imhof überlegen und viel redend; Crammon zerstreut und düster; Wolfgang mißtrauisch und erregt. Gunderam zuckte mit keiner Miene; dem Spiel überliefert, saß er da, wie ein Schläfer dem Schlaf. Er hatte beständig gewonnen, ein Berg von Scheinen und Goldstücken war vor ihm aufgehäuft.

Crammon und Imhof rückten auseinander, damit Christian zwischen ihnen Platz nehmen sollte. Da sprang Stephan Gunderam von seinem Stuhl empor. Die Karten in der Hand haltend, starrte er Christian mit hassendem Blick an.

Christian betrachtete ihn mit Verwunderung. Als sich die andern drei, einigermaßen erschrocken, gleichfalls erheben wollten, ließ sich Gunderam wieder auf seinen Stuhl sinken und sagte barsch und finster: »Spielen wir weiter. Ich bitte um vier neue Karten.«

Christian entfernte sich von dem Tisch. Er fühlte, daß er Lätizia liebte. Sein ganzes Herz liebte sie, zärtlich und sehnsüchtig.

 

12

 

Ein entlassener Arbeiter hatte eines Abends dem aus der Stadt zurückkehrenden Automobil des Herrn Albrecht Wahnschaffe aufgelauert. Als der Wagen am Parktor langsamer fuhr, hatte der Mensch aus meuchlerischem Hinterhalt, von Gebüschen gedeckt, einen Revolver auf den ehemaligen Brotherrn abgedrückt.

Der Schuß streifte nur den Arm des Überfallenen. Die Verletzung war leicht, doch Albrecht Wahnschaffe hütete mehrere Tage lang das Bett. Nach verübter Tat war der Verbrecher im Dunkel des Abends entflohen; erst am andern Morgen gelang es der Polizei, ihn festzunehmen.

Dieses Ereignis, so unbeträchtlich seine Folgen waren, hatte das fröhliche Treiben im Hause Wahnschaffe für eine Weile gestört. Einige Personen reisten ab; so Herr von Wedderkampf, der zu seinen Töchtern sagte, der Boden unter den Füßen sei ihm hier zu heiß.

Aber am dritten Abend wurde schon wieder getanzt.

Christian wunderte sich darüber. Er wunderte sich über das rasche Vergessen. Er wunderte sich über den Gleichmut der Mutter, über die Unbekümmertheit von Bruder und Schwester.

Er wollte den Namen jenes Arbeiters erfahren, aber niemand wußte ihn. Der eine sagte, er heiße Müller, der andre sagte, er heiße Schmidt.