«Findest du ihn denn nicht mehr schön?», fragte er mit einer Art knabenhaftem Entsetzen.
«So, jetzt ist Lita glücklich! Jetzt hat sie erreicht, was sie wollte!» Nona lachte ein wenig nervös.
Lita fiel in das Lachen ein. «Ist er nicht wie seine Mutter?», fragte sie mit einem Achselzucken.
Jim schwieg, und seine Schwester vermutete, dass er Angst hatte, auf der Essenseinladung zu bestehen, um der Entschlossenheit seiner Frau, sie zu ignorieren, nicht noch Vorschub zu leisten. Aus demselben Grund hielt sich auch Nona zurück und sagte nichts mehr, und der Lunch endete in belanglosem Geplapper über andere Dinge. Aber es verblüffte Nona, dass es bei dem Anruf ihres Vaters darum gegangen sein sollte, dass Lita heute Abend bei ihm zu Hause speiste. Überhaupt von allein daran zu denken sah Dexter Manford nicht ähnlich (wie Miss Bruss’ verzweifelter Anruf bezeugte), und noch weniger sah es ihm ähnlich, die Gäste seiner Frau daran zu erinnern, selbst wenn er wusste, wer zu ihnen zählte – was selten zutraf. Nona überlegte. «Sie wollten offenbar zusammen irgendwo hingehen – er sagte, er sei heute Abend verabredet –, und Lita ärgert sich, weil es nun nicht klappt. Aber schließlich ärgert sie sich heute über alles.» Nona versuchte, mit dieser Erklärung ihre Verlegenheit zu kaschieren. Sie fragte sich, ob sich auch Jim damit zufriedengab.
4
Es ließ sich wohl schwerlich ein größerer Gegensatz finden, dachte Nona Manford, als der zwischen Lita Wyants Haus und jenem, vor dem sie zwei Stunden später aus Lita Wyants schickem Brewster15 ausstieg.
«Du willst bestimmt nicht mitkommen, Lita?» Die junge Frau blieb stehen, die Hand an der Autotür. «Er würde sich schrecklich freuen.»
Lita lehnte mit einem Kopfschütteln ab. «Ich bin nicht in Stimmung.»
«Aber er ist sehr amüsant – er kann äußerst unterhaltsam sein.»
«Oh, er ist ein Spleen von dir, aber für mich wäre das eine Verpflichtung, und mir ist gerade nicht nach Verpflichtungen.» Lita winkte mit ihrer Blumenhand und war fort.
Nona stieg die pockennarbigen braunen Stufen hinauf. Dies war das Haus der alten Mrs Wyant, eine verblichene, heruntergekommene Behausung in einer Straße, an der das elegante Geschäftsleben seit Langem vorbeifloss. Nach dem Tod seiner Mutter hatte Wyant das Haus aus wirtschaftlichen Gründen in kleine Wohnungen unterteilt. Eine behielt er für sich, und in der darüberliegenden wohnte die frühere Hausgenossin seiner Mutter, jene arme Cousine, die der Grund für seine Scheidung gewesen war. Wyant hatte sie nie geheiratet, aber auch nie verlassen; das sagte einiges über seinen Charakter aus, fand Nona. Wenn er krank war – er hatte ziemlich früh eine merkwürdige nervöse Hypochondrie entwickelt –, kam die Cousine herunter und pflegte ihn; wenn es ihm gut ging, zeigte sie sich nie vor seinen Besuchern. Aber es hieß, sie kümmere sich um die Flickwäsche, behalte einigermaßen den Überblick über seine Rechnungen und verhindere, dass er eine Beute gewissenloser Schurken wurde. Pauline Manford meinte, so sei es wahrscheinlich am besten. Sie selbst hätte es nur natürlich und anständig gefunden, wenn ihr früherer Mann seine Cousine geheiratet hätte; da er dies nicht getan hatte, zog sie die Schlussfolgerung vor, dass die beiden seit der Scheidung lediglich «gute Freunde» waren. Der Verhaltenskodex der Wyants war ihr immer ein Rätsel geblieben. Nie begegnete sie der Cousine, wenn sie ihren früheren Mann besuchte; einzig Jim ließ es sich angelegen sein, ein paarmal im Jahr an der Tür im oberen Stockwerk zu läuten, und zu Weihnachten schickte er der unsichtbaren Bewohnerin eine Azalee.
Nona lief die Stufen zu Wyants Wohnungstür hinauf. Auf der Schwelle erwartete sie eine dünne, grauhaarige Dame mit düsterer Miene.
«Kommen Sie bitte herein. Er hat einen Gichtanfall, kann nicht an die Tür kommen, und die Köchin musste ich auch erst zum Einkaufen schicken, damit er etwas Leckeres auf den Tisch bekommt.»
«Oh, danke, Cousine Eleanor.» Das Mädchen blickte der Frau mitfühlend in die trüben, traurigen Augen. «Der arme Punkt A! Es tut mir leid, dass er wieder krank ist.»
«Er war… unvernünftig. Aber das Schlimmste ist schon vorüber. Es wird ihn aufmuntern, wenn er Sie sieht. Ihr Cousin Stanley ist auch da.»
«So?» Nona zuckte ein wenig zurück, spürte, dass sie leicht errötete.
«Er geht gleich wieder. Mr Wyant wird enttäuscht sein, wenn Sie nicht hereinkommen.»
«Aber natürlich komme ich herein.»
Die ältere Frau lächelte erschöpft und verschwand nach oben, während Nona aus ihrem Pelzmantel schlüpfte. Es war zwecklos, Cousine Eleanor zum Bleiben zu drängen. Wenn man sie sehen wollte, musste man an ihrer Tür läuten.
Arthur Wyants schäbiges Wohnzimmer war voll von Februarsonne, Illustrierten, Zeitungen und Zigarrenasche.
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