Sie wollte, ja sie mußte mit ihm sprechen, aber es sollte nicht den Anschein haben, als ob sie dies wünsche. Sie wollte ihn besonders dadurch ärgern, daß sie sich in der Begleitung des Knechts befand, welchen sie ja bestellt hatte. Sie wollte mit diesem recht freundlich tun, um die Eifersucht des Försters aufzustacheln. Darum schloß sie sich nicht dem Zug der sogleich abwärts Steigenden an, sondern sie blieb an der Kapelle stehen, um nach Fritz auszuschauen.
Sie sah ihn nicht. Er konnte sich hinter der Kapelle befinden. Darum umschritt sie dieselbe – vergebens. Fritz war nicht zu sehen; dort aber am Weg stand der Förster, sichtlich sie erwartend. Sie ließ sich absichtlich von ihm sehen und wendete sich dann zurück, um nochmals hinter dem Gotteshäuschen zu verschwinden. Am Rand des Buschwerks hingehend, vernahm sie Stimmen. Sie blieb stehen und lauschte. Ja, das war Fritzens Stimme. Sie hörte deutlich, was er sagte, und daß ihm eine weibliche Stimme antwortete. Er war es, dem ihre eigentliche und zwar glühende Liebe gehörte. Eine ebenso plötzliche wie mächtige Eifersucht bemächtigte sich ihrer. Sie fuhr wie eine Furie zwischen die Sträucher hinein, grad als der Förster, welcher seinen Posten verlassen hatte und ihr gefolgt war, hinter der Kapelle hervortrat. Er sah sie verschwinden.
Er fragte sich, ob er ihr folgen solle. Er glaubte natürlich, daß sie, weil er am Weg gestanden habe, den ungebahnten Berg hinabsteigen wolle, nur um ihm zu entgehen. Ja, er wollte ihr nach. Wenn er sie jetzt entkommen ließ, so machte sie wohl jedenfalls alle Gelegenheit für ihn, sie allein zu treffen, zunichte.
Eben wollte er auch in die Sträucher eindringen, als er zu seinem Erstaunen seine Nichte daraus hervortreten sah.
„Was machst da drin?“ frage er sie.
„Ich bin spazieren west.“
„Weilst aus dera Kapellen fort mußt hast. Daran war die Kronenbäuerin schuld. Hast sie nicht soeben hier sehen?“
„Ja. Da drinnen steht sie.“
Sie deutete zurück.
„Sie steht? Sie läuft nicht abwärts?“
„Nein.“
Jetzt hörte er Fritzens Stimme.
„Donnerwetter!“ sagte er. „Sie ist nicht allein. Wer ist bei ihr?“
„Der Fritz, ihr Knecht!“
„Der! Wie kommt der hier herauf?“
„Sie hat ihn bestellt, damit er sie nach Haus begleiten soll.“
„Ist's wahr?“
„Jawohl.“
Seine Augen begannen zu funkeln.
„Woher weißt das?“ fragte er sie.
„Er selber hat es mir gesagt. Wir sind ganz zufällig mitnander zusammentroffen und haben mitnander sprochen, als jetzund die Bäurin dazukam.“
Er glaubte, die Situation zu durchschauen. Er lächelte grimmig vor sich hin und fragte:
„Hast ihn wirklich nur ganz zufällig troffen?“
„Wie sonst?“
„Ihr habt euch nicht bestellt?“
„Nein. Wann wir uns bestellt hätten, hätt ich mich doch nicht in die Kapellen setzt. Und du wirst wohl selber wissen, daß mich nur die Kronenbäuerin daraus vertrieben hat.“
„Ja, das hab ich sehen. Also, sag aufrichtig: Er ist nicht etwa dein heimlicher Geliebter?“
„Was denkst von ihm! Alle Welt weiß, daß er kein Dirndl hat.“
Aber mit jener weiblichen angeborenen Schlauheit, welche selbst das unverdorbenste Mädchen besitzt, fügte sie hinzu, indem sie lustig auflachte:
„Das, was jetzund sagt hast, das hat auch die Kronenbäuerin denkt. Sie hat glaubt, daß ich sein Dirndl bin.“
„So! Ist sie mißtrauisch gewest? Da hat sie sich wohl sehr darüber freut, daß sie dich bei ihm sehen hat?“
Er hielt das Auge so scharf auf sie gerichtet, als ob er von ihrem Gesicht die Antwort ablesen, noch ehe dieselbige ausgesprochen worden war.
„Darüber freut? Das hab ich halt nicht bemerkt.
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